Hamburg. Rund 250 Mitarbeiter könnten ihren Job verlieren. Hohe Zusatzbeiträge sind ein Grund für das Dilemma der Hamburger Krankenkasse.
In der Zentrale der Hamburger Krankenkasse DAK-Gesundheit drohen offenbar massive Stellenstreichungen. Die Gewerkschaft Ver.di hat die Beschäftigten deshalb für Donnerstag zu einer „Aktiven Mittagspause“ vor dem Haupteingang der Hauptverwaltung in Hammerbrook aufgerufen. In der Einladung dazu heißt es: „40 Prozent Stellenabbau in der Zentrale bedeuten mindestens 500 Kolleginnen und Kollegen. Da bleibt kein Stein auf dem Anderen.“
Ein DAK-Sprecher bestätigte „Überlegungen“ des Vorstands, 20 Prozent der Stellen in der Zentrale einzusparen. Weitere 20 Prozent der Arbeitsplätze könnten aus der Zentrale in „Fachzentren“ – also andere Abteilungen innerhalb der DAK – in Hamburg ausgelagert werden, sagte der Sprecher dem Abendblatt. Auf der Arbeitnehmerseite gibt es die Befürchtung, dass diese Verlagerung mit Gehaltseinbußen verbunden sein wird.
Seit 2016 sind 2000 Stellen abgebaut worden
Nach aktueller Planung werde Ende September Klarheit über die Neuausrichtung herrschen, hieß es von der DAK. Vor diesem Hintergrund fordert Ver.di einen Tarifvertrag, der den Beschäftigten ihren Besitzstand im Hinblick auf das Einkommen sichert, der Regelungen für einen „sozialverträglichen Personalabbau“ enthält und Kündigungen ausschließt. Dem DAK-Sprecher zufolge lässt sich noch nichts darüber sagen, ob Entlassungen notwendig sein werden oder nicht. Er verwies aber auf die gerade abgeschlossene Restrukturierung der Vertriebsorganisation, in der seit 2016 bundesweit 2000 Jobs ausschließlich sozial verträglich abgebaut worden seien.
Mit 5,8 Millionen Versicherten ist die DAK die drittgrößte unter den gut 110 gesetzlichen Krankenkassen in Deutschland. In Hamburg hatte die DAK zum Jahresende 2017 knapp 2400 Beschäftigte, davon etwa die Hälfte in der Zentrale. Schon seit mehr als 15 Jahren wird in Fachkreisen immer wieder über Schwierigkeiten der DAK gesprochen. Sie ist nach eigenen Angaben in den 70er- und 80er-Jahren sehr stark gewachsen, was nun zu einem demographischen Problem führe: „Wir haben unter unseren Versicherten überdurchschnittlich viele ältere Menschen mit hohen Gesundheitskosten.“
Das Dilemma der DAK
Es ist schon das zweite umfangreiche Stellenabbauprogramm innerhalb von nur zwei Jahren: Nachdem die Hamburger Krankenkasse DAK-Gesundheit gerade in ihren bundesweit verteilten Geschäftsstellen rund 2000 Arbeitsplätze gestrichen hat, trifft es nun die Zentrale in Hammerbrook. Sie soll komplett umstrukturiert werden, wobei nach derzeitigen Planungen rund 240 Jobs eingespart werden können.
Wie erst jetzt bekannt wurde, hat der Vorstand der Krankenkasse um ihren Chef Andreas Storm bereits Anfang Juli die Belegschaft im Cinemaxx-Kino über die Grundzüge der Neuausrichtung der Zentrale informiert. Seitdem ist die Unruhe unter den Beschäftigten in Hamburg groß.
Zusatzbeitrag sorgte für Kündigungen
Die DAK leidet seit Jahren darunter, dass sie zunächst einen Zusatzbeitrag von acht Euro im Monat erheben musste, danach von 1,5 Prozent vom Bruttogehalt. Das war für viele Versicherte ein Grund, die Krankenkasse zu wechseln. Dadurch verlor die einst als zweitgrößte deutsche Kasse gelistete Krankenversicherung Millionen Versicherte. Mit 5,8 Millionen liegt die DAK weit hinter dem Marktführer Techniker (TK, 10,2 Millionen). Wenn eine Kasse einen Zusatzbeitrag erhebt, haben die Kunden ein Sonderkündigungsrecht.
Nach einer Übersicht des Internet-Vergleichsportals Check24 kann ein Hamburger Kunde der DAK mit einem Jahres-Bruttoeinkommen von mindestens 53.100 Euro (das ist die Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung) fast 500 Euro im Jahr sparen, wenn er zu der Kasse mit dem niedrigsten Beitragssatz (BKK Euregio) wechselt. Mit den Zusatzbeiträgen war Bewegung in die Kassen-Landschaft gekommen. Dazu hieß es einst aus der schwarz-gelben Koalition in Berlin, die Versicherten sollten ruhig die Kasse wechseln, wenn ihre bisherige unwirtschaftlich arbeite.
Viele Geschäftsstellen sorgen für hohe Verwaltungskosten
Schon 2012 hatte sich die DAK mit der BKK Gesundheit und der BKK Axel Springer zusammengeschlossen. Der Sparkurs hat nach Insiderangaben aber nicht mit dem rasanten Mitgliederschwund Schritt gehalten. Dies sei der wichtigste Grund für die Finanzmisere. Gleichfalls sind die Verwaltungskosten, auch durch die vielen Geschäftsstellen, höher als bei anderen Kassen. Zudem haben Schwierigkeiten mit den Computersystemen zu einer „Behäbigkeit“ – so ein Kassen-Vorstand – in der Verwaltung der Millionen Versicherten geführt, ausgelöst durch eine Fusion.
Schwierigkeiten haben die sogenannten Ersatzkassen wie die TK, die Barmer und die DAK auch dadurch, dass sie im Risikostrukturausgleich aller Krankenkassen gegenüber der AOK benachteiligt werden. Das hat ein neues Gutachten des Bundesversicherungsamtes ergeben. Sie bekommen zum Beispiel geringere Zuschläge für besonders schwer kranke Patienten. Der DAK mit bundesweit 10.700 Beschäftigten gelang es offenbar nicht, die fehlenden Einnahmen auszugleichen. Wie Kassen-Insider sagen, ist gerade Hamburg, wo die DAK viele Versicherte hat, dadurch für die Kassen ein unattraktiver Markt geworden, weil die Versicherten überproportional „teuer“ seien – wegen des schiefen Verteilungsschlüssels im Gesundheitsfonds. So sind die Behandlungskosten in der Hansestadt überproportional hoch, aber es gibt dafür im Bundesvergleich wenig Geld aus dem Gesundheitsfonds.
Andere Kassen kritisieren die DAK
Im Kassenverband Vdek hatte es zuletzt immer wieder Streit zwischen der TK, der Barmer, der HEK und der DAK gegeben, weil alle anderen mithaften, sollte die DAK weiter in finanzielle Schieflage geraten. „Wir sind ein solidarischer Haftungsverbund“, schimpfte ein Vorstand. „Aber solidarisch ist daran nur, dass wir für andere zahlen – und die wirtschaften, wie sie wollen.“
Der langjährige, 2016 in Rente gegangene DAK-Chef Herbert Rebscher hatte sein Unternehmen intern als „too big to fail“ bezeichnet, zu groß, um zu scheitern. Experten sagen heute, dass es natürlich auf die Politik zurückfallen würde, wenn sie eine so große Kasse nicht retten würde. Doch so weit ist es nicht. Insider rechnen Rebschers Nachfolger Storm, der bis 2014 für die CDU den Posten des saarländischen Gesundheitsministers besetzte, bereits einige Erfolge zu. Auch der Spitzenverband der Krankenkassen hat ein waches Auge auf die Kassen. Die DAK hat das Haushaltsjahr 2017 mit einem Überschuss von 230 Millionen Euro abgeschlossen. Das Geld fließt in die Rücklagen.