Hamburg. S-Bahn-Sperrung sorgt für Diskussion über Kapazität. Fahrgastverband fordert neue Zugänge zum Hamburger Hauptbahnhof.

Das Bahnchaos im Hauptbahnhof aufgrund der S-Bahn-Sperrung auf der Strecke nach Harburg sorgt weiter für Diskussionen. Jetzt hat sich der Fahrgastverband Pro Bahn eingeschaltet und wirft der Stadt vor, eine seit Jahren mögliche Verbesserung der Zustände im Bahnhof zu verzögern. So fordere Pro Bahn schon lange, einen weiteren Bahnsteig am Rangiergleis 9 sowie auf den Gleisen 11/12 sowie 13/14 jeweils einen zusätzlichen Zugang mit Treppe und Aufzug zur Steintorbrücke zu schaffen, um die Pendlerströme zu entzerren. Auf diesen Gleisen gibt es eine Doppelbelegung, das heißt, hier halten oft zwei Regionalzüge hintereinander – mit entsprechend vielen Menschen, die ankommen und abfahren.

„Wir haben dort jeden Tag die Situation, dass Hunderte den Bahnsteig vor allem über die Treppe zum Südsteg verlassen und die neuen Fahrgäste einfach nicht zum Gleis runterkommen“, sagt Pro-Bahn-Sprecher Karl-Peter Naumann. „Das ist auch unabhängig von der S-Bahn-Sperrung so.“ Zusätzliche Treppen an der Südseite würden diese Situation auf relativ einfache Weise spürbar entschärfen und den gesamten Bahnhof entlasten, da die Zugänge außerhalb des Gebäudes mit direktem Zugang zur Innenstadt, der U-Bahn und den Bussen liegen würden.

Weitere Verzögerung droht

Doch genau hier liege das Problem: „Die Stadt schiebt eine aufwendige Verkehrsstromanalyse vor“, sagt Neumann. „Dabei ist diese Lösung, für die der Steintordamm für den Autoverkehr gesperrt und nur noch von Fußgängern und Bussen genutzt werden könnte, alternativlos.“ Eine weitere Verzögerung droht laut Naumann, wenn der Umbau noch über den Oberbaudirektor ausgeschrieben werden müsse. Natürlich müsse ein Zugang auch architektonisch in Ordnung sein, doch man könne es auch übertreiben. „Wir brauchen jetzt eine Lösung“, sagt Naumann. „Da wünschen wir uns mehr Pragmatismus.“

Kommentar: Umbau muss schneller gehen

Die Deutsche Bahn hätte ebenfalls gern weitere Zugänge zur Steintorbrücke, das Bauvorhaben liege aber außerhalb des Bahnhofsgebäudes und damit auch außerhalb der eigenen Zuständigkeit. „Wir sind uns mit der Stadt hier aber einig“, sagt Sprecher Egbert Meyer-Lovis. „Die Verkehrsstromanalyse ist allerdings eine Grundvoraussetzung.“

CDU: „Billiges Ablenkungs­manöver“

Laut Verkehrsbehörde befindet sich die Verkehrsuntersuchung „noch in der Bearbeitung“, ebenso wie eine Machbarkeitsuntersuchung zur Erweiterung des Hauptbahnhofs durch die Bahn. Ziel sei es, eine Gesamtkonzeption zu entwickeln, die die Schnittstellen zwischen Hochbau und verkehrlichen Belangen berücksichtige, so Sprecherin Susanne Meinecke. „Wir gehen davon aus, dass die Ergebnisse im Herbst vorliegen.“

Die CDU-Fraktion wirft dem Senat dagegen vor, die „längst überfällige Kapazitätserweiterung am Hauptbahnhof auf das Abstellgleis geschoben“ zu haben. So liege eine von der Verkehrsbehörde bereits 2014 angekündigte Studie zum Verkehrsumfeld des Hauptbahnhofs bis heute nicht vor. „Seit sieben Jahren sitzen derselbe Senator und derselbe Staatsrat im Führerstand der Hamburger Verkehrspolitik“, sagt Dennis Thering, verkehrspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion. Nun vonseiten der SPD-Fraktion auf die S-Bahn und den HVV zu schimpfen sei „nichts an­deres als ein billiges Ablenkungs­manöver.“

Kritik an der Bahn von den Grünen

Dem widerspricht der SPD-Fraktionschef: „Man muss die Probleme mit der Kapazität des Hauptbahnhofs von denen beim S-Bahn-Ersatzverkehr trennen – und dieser ist einfach nicht gut gelaufen“, sagt Dirk Kienscherf. „Wenn die Züge nicht fahren oder Gleise gesperrt sind, nützen auch zusätzliche Treppen nichts.“ Deshalb sei man gerade dabei, einen Termin für die Aufarbeitung mit Bahn und HVV zu vereinbaren. Für mehr Kapazitäten im Regionalverkehr und im Hauptbahnhof werde man mit der neuen Linie S 4 nach Bad Oldesloe sowie der von Dezember an geplanten höheren Taktung und längeren Zügen auf der Linie S 3 nach Harburg sorgen, so Kienscherf.

Da viele Fahrgäste, vor
allem Pendler, aufgrund
der S-Bahn-Sperrung
zwischen Wilhelmsburg
und Harburg Rathaus
auf den Metronom
ausweichen, ist es an
den Bahnsteigen derzeit
besonders voll
Da viele Fahrgäste, vor allem Pendler, aufgrund der S-Bahn-Sperrung zwischen Wilhelmsburg und Harburg Rathaus auf den Metronom ausweichen, ist es an den Bahnsteigen derzeit besonders voll © HA | Andreas Laible

Koalitionskollege Martin Bill von den Grünen übt ebenfalls Kritik an der Bahn: „Bei den langen Vorlaufzeiten ist es mir ein Rätsel, wieso die Zeit nicht auch dafür genutzt wird, den Ersatzverkehr vernünftig zu organisieren“, sagt der verkehrspolitische Sprecher. Die Ideen insbesondere mit Expressbussen sei ja gut, die Kommunikation müsse aber viel früher abgestimmt werden. Bill: „Wir werden das Thema politisch aufarbeiten.“

Pro Tag rund 550.000 Menschen unterwegs

Doch auch an normalen Tagen stößt der Hauptbahnhof an seine Grenzen – pro Tag sind hier rund 550.000 Menschen unterwegs. Geplant ist, den sogenannten Langbau der Bahnhofs­halle zum Glockengießerwall hin umzubauen und ein Mehrzweckgebäude über Gleis 14 zu errichten. Allerdings sind sich Stadt und Bahn weiterhin nicht darüber einig, wer welche Kosten tragen wird. Und: Weitere Gleise wird auch ein solcher Umbau nicht bringen.

Gleis 11 ist fertig

„Das ist baulich nicht möglich, weil auf der einen Seite die U- und S-Bahnen verlaufen und sich auf der anderen eine Bunkeranlage befindet“, sagt Bahnsprecher Meyer-Lovis. Auch könne man keinen weiteren Bahnsteig an Gleis 9 einrichten, wie von Pro Bahn gefordert, da man dieses dringend zum Rangieren benötige. „Wir brauchen beim jetzigen Zugaufkommen aber auch nicht mehr Gleise“, so Meyer-Lovis. Doch mehr Platz brauchen die Fahrgäste in jedem Fall.