Hamburg. Der Musiker begeistert 11.000 Zuschauer in der Barclaycard Arena. Die fetteste Rakete zündete er zum Schluss.

Kürzlich erst gab es von Justin Timberlake mal wieder Außergewöhnliches zu berichten: Er hat eine Spielsendung fürs amerikanische Fernsehen erfunden. Mit Wissen und Glück können ganz Patente dort künftig 20 Millionen Dollar einsacken. Was eine prima Überleitung sein könnte zur aktuellen Tournee des Popstars, würde der auf seiner großen Konzertreise nicht noch weit mehr verdienen. Timberlake ist einer der erfolgreichsten Musiker der Gegenwart.

Weil er in der Gameshow des Lebens ein paar herausragende Talente abgegriffen hat. Sieht gut aus, tanzt wie der Teufel, die Stimme ist höher als der Mount Everest. Bei Timberlake, der 37 Jahre alt ist und schon ein Pop-Veteran, sind die Fertigkeiten gut miteinander verknüpft. Fanden auch die 11.000 in der Barclaycard Arena, der am Mittwochabend auf gerade noch aushaltbare Temperaturen gepegelten Konzerthalle.

Das muss man dazusagen, wenn der endlose Sommer in der Stadt ist und gleichzeitig der nach Meinung mancher heißeste Popexport Amerikas. Den verehren junge Frauen und eben noch jung gewesene aus seligen Boybandzeiten (N’Sync). Und Männer. Ja, auch die. Beim ersten von zwei Hamburg-Konzerten war Timberlake vom ersten Song an schlichtweg der perfekte Entertainer: Sein Sound, der Soul, R’n’B und neuerdings auch Versatzstücke von Rock und Country amalgamiert, ist, nun ja, der Sound der Gegenwart. So klingt zeitgenössischer Pop, wenn er getanzt werden will: viel Tempo, viel Bums.

Timberlake tänzelte durch die Reihen

Und so sieht eine Show aus, die auch über die Dauer von mehr als zwei Dutzend Songs und zwei Stunden hinweg eine große Halle in ihren Bann schlägt. Der „Man of the Woods“ (aktueller Albumtitel) liefert seit zwei Jahrzehnten ab, und auch in Hamburg wäre an diesem Abend keiner auf die Idee gekommen, ihm eine gewisse Karrierespießigkeit vorzuwerfen – dafür sind seine Rhythmen und Moves viel zu unzüchtig.

Wer Timberlake mit seinen Tänzern beim exakt choreografierten Zappeln zusah, der konnte ihm Bewunderung nicht versagen. Mag es über den anderen Ex-Boyband-Star Robbie Williams – der eine Take-That-Wiedervereinigung, zwei Entziehungskuren, drei Ufo-Sichtungen und 444 Fressattacken hinter sich brachte, während Timberlake sich lediglich einen Bart wachsen ließ und von Anzug auf Holzfällerhemd umstieg – mehr zu erzählen geben: Keiner tanzt wie Timberlake.

„Señorita“ und „Cry Me A River“ sind immer noch fantastische Songs, entsprechend wurden sie gefeiert. Bläser, Backgroundsänger, zwei Keyboarder, zwei Gitarristen und ein Bassist sorgten fürs Hintergrundgeräusch zu des Meisters seelenvollem oder balzendem Gesang. Videoleinwände sind eh Standard bei Konzerten dieser Größe, bei Timberlake lohnt der Blick auf den Bildschirm. Immer was los. Volksnähe muss jedoch auch sein, deshalb tänzelte Timberlake immer wieder engagiert durch die Reihen. Selten ergab ein Laufsteg mehr Sinn, das energetische Wunder brauchte Auslauf.

Der Megahit heißt „Can’t Stop The Feeling!“

Schön übrigens auch, dass er die Backlist der Popmusik kennt und deshalb weiß, dass „Come Together“ von den Beatles und „Dreams“ von Fleetwood Mac große Lieder sind, er spielte sie mit seinem souligen Backgroundchor vorm virtuellen Lagerfeuer nach. Hommage, wem Hommage gebührt. Für den in Memphis, Tennessee, geborenen Sänger, der seine Wurzeln erst auf seiner aktuellen Platte musikalisch würdigt, war der Cover-Teil auch eine Gelegenheit, den erdigen Burschen mit der Akustikklampfe zu geben.

Es gab übrigens nicht wenige Menschen an diesem Abend, die den Ratschlag schlicht vergaßen, bei höheren Temperaturen für stete Flüssigkeitszufuhr zu sorgen. Besser, als etwas von der Show zu verpassen. Warten mussten am Ende sowieso alle, denn selbst bei Hit-Versorgern wie Timberlake („Sexy Back“, „Suit & Tie“) gibt es immer den einen Song, der alles davor Gehörte wie ein Rahmenprogramm aussehen lässt.

Timberlakes Megahit heißt „Can’t Stop The Feeling!“, er hat dieses Gefühl in den Knochen, er tanzt, tanzt, tanzt, und er rechtfertigt theoretisch auch mehr als nur ein Ausrufezeichen am Ende des Songtitels. Auf der Setlist der aktuellen Tour steht er immer als Allerletztes. Die fetteste Rakete kommt bei Feuerwerker Justin Timberlake am Ende. Und auch in Hamburg wird sie gezündet.