Hamburg. In Hamburg fertigt das US-Unternehmen 1300 Flügel und Klaviere im Jahr. Von einem chinesischem Investor könnte es profitieren.

Es ist ein Szenario, das bis Dienstagmittag in die Firmenzentrale und die Werkstätten am Rondenbarg in Hamburg-Bahrenfeld noch gar nicht vorgedrungen war und hinter dem am Abend weiter ein Fragezeichen stand: Beim weltweit renommierten Flügel- und Klavierhersteller Steinway, der seit fast 140 Jahren auch in Hamburg produziert, könnten künftig chinesische Besitzer den Ton angeben.

Das vom Staat kontrollierte Firmenkonglomerat China Poly Group prüfe die Abgabe eines Gebots für den im Besitz des US-Finanzinvestors John Paulson befindlichen Tasteninstrumente-Bauer, berichtet die auf Wirtschaftsnachrichten spezialisierte Agentur Bloomberg. Sie beruft sich dabei auf eine Person, die mit der Angelegenheit vertraut sei, namentlich aber nicht genannt werden möchte. Laut Bloomberg wollten sich Steinway, der Investor und die China Poly Group selbst nicht äußern.

Steinway-Geschäftsführung äußert sich nicht

„Davon habe ich noch nichts gehört“, sagte eine Unternehmenssprecherin von Steinway in Hamburg dem „Abendblatt“ auf Anfrage über einen möglichen Besitzerwechsel. Darüberhinaus wollte die Geschäftsführung den Bericht nicht kommentieren. Dazu sei man von der Firma Paulson aufgefordert worden, hieß es später am Tag.

In der Hansestadt ist das 1853 von einem deutschen Einwanderer in New York gegründete Unternehmen seit 1880 ansässig. Mehr als 400 Mitarbeiter in Bahrenfeld fertigen pro Jahr etwa 1300 Instrumente – vorwiegend Flügel – und vertreiben sie weltweit. Mit Ausnahme von Nord- und Südamerika. Die Steinways für diese beiden Kontinente werden in New York gebaut. Dort hat auch die Unternehmenszentrale ihren Sitz.

New York ist zudem Sitz der Hedgefonds des derzeitigen Besitzers Paulson. Der Finanzinvestor hatte Steinway 2013 für 512 Millionen Dollar (damals umgerechnet 386 Millionen Euro) übernommen. Paulson galt lange als einer der erfolgreichsten US-Finanzinvestoren. Sein Ruf in der Branche gründete unter anderem darauf, dass er frühzeitig auf eine Immobilienfinanzierungskrise in den USA gewettet hatte, und – als diese 2007 eintrat – 15 Milliarden Dollar daran verdiente. Sein persönliches Vermögen soll dadurch um vier Milliarden Dollar gewachsen sein.

Zuletzt aber machte Paulson Negativschlagzeilen. Demnach verwalten seine Fonds statt einst 36 Milliarden nurmehr acht Milliarden Dollar, es gab Berichte über Milliardenforderungen der US-Steuerbehörden, Personalabbau in den Investmentunternehmen sowie den Umzug der verbliebenen Finanzmanager in die Räume der Steinway-Zentrale im New Yorker Stadtteil Queens.

Steinway könne von chinesischem Investor profitieren

Bloomberg berichtet, eine mögliche Übernahme durch die China Poly Group sei nach Angaben des Insiders in einem frühen Stadium. Andere Interessenten könnten ebenfalls noch Gebote für Steinway abgeben. Shaun Rein, Chef einer auf den chinesischen Markt spezialisierten Unternehmensberatung, sagte Bloomberg, ein Investor wie die China Poly Group könne dem Instrumentenbauer helfen, seine Vertriebswege in China auszubauen.

„Steinway ist eine sehr beliebte Marke in China und hat dort großes Potenzial“, sagte Rein. Mit wachsendem Wohlstand sei die chinesische Mittelschicht zunehmend bereit, Luxus-Instrumente anzuschaffen. Musik werde in dem Land als ein Schlüsselelement in der Kindererziehung angesehen.

Von einer stark wachsenden Nachfrage aus Asien und insbesondere aus China profitiert auch die Steinway-Manufaktur in Bahrenfeld. Dort werden die Instrumente für diese Weltregion gefertigt, erst im April eröffnete Steinway eine eigene Niederlassung in Shanghai. Wie viele der Flügel und Klaviere aus der Hansestadt dorthin pro Jahr geliefert werden, darüber gibt das Unternehmen jedoch keine Auskunft.

Der China-Experte Shaun Rein hält bis zu 40 Prozent Umsatzwachstum pro Jahr in dem Land für möglich. „Die Auftragslage ist sehr gut“, sagte Guido Zimmermann, seit März 2017 Steinway-Chef in Hamburg, zuletzt. Für 2018 gab er das Ziel aus, 100 Instrumente mehr zu bauen. In Bahrenfeld wurden deshalb neue Arbeitsplätze geschaffen.