Hamburg. Gunther Bonz, Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg, über den sinkenden Umschlag und Politik-Fehler.

Der Hamburger Hafen verliert Ladungsmengen und Marktanteile an Konkurrenten. Im Abendblatt-Interview erläutert der Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg (UVHH) und Generalbevollmächtigte des Terminalunternehmens Eurogate, Gunther Bonz, die Situation und gibt indirekt der Hafenpolitik eine Mitschuld an der Misere.

Herr Bonz, der Bürgermeister hat vor wenigen Tagen dem französischen Reedereikonzern CMA CGM eine Beteiligung an einem Hamburger Umschlagsterminal in Aussicht gestellt. Was sagt die Hafenwirtschaft dazu?

Gunther Bonz: Wir als Unternehmensverband befürworten Terminalbeteiligungen. Es kommt aber darauf an, mit welchem Ziel das verfolgt wird. Wenn es darum geht, Werte zu verkaufen, um an Geld zu kommen, damit Infrastrukturprojekte bezahlt werden können, dann lehnen wir das ab. Terminalbeteiligungen sollten allein zur Stärkung und Ausweitung des Umschlagsvolumens eingegangen werden.

Die Hafenarbeiter sind in Sorge. Sie befürchten dass sich chinesische Investoren im Hafen einkaufen und dann die Arbeitnehmerrechte einschränken. Haben Sie recht?

Bonz: Wenn man sich die Hafenbeteiligungen der Chinesen im griechischen Piräus oder zum Teil in Spanien anschaut, so kann ich die Sorge der Arbeitnehmer verstehen. Aber das ist eine Frage, mit welchem Einfluss oder zu welchen Rahmenbedingungen eine Terminalbeteiligung ermöglicht wird. Wir als Unternehmensverband können sagen, dass solche Entwicklungen von unserer Seite in Hamburg nicht unterstützt werden.

Also keine Angst vor den Chinesen?

Bonz: Wir sollten vor keinem Investor Angst haben, egal woher er kommt. Wie gesagt: Entscheidend ist die Ausgestaltung der Beteiligung.

Das Thema Terminalbeteiligungen wird derzeit diskutiert, weil es dem Hafen nicht besonders gut geht. Wie stellt sich die Lage Hamburgs im europäischen Vergleich aktuell dar?

Bonz: In der Tat ist der Hamburger Hafen im europäischen Wettbewerb derzeit in keiner besonders guten Position. 2017 war Hamburg über alle Umschlagsgüter hinweg der einzige Hafen in Deutschland und der Wettbewerbsregion, der geschrumpft ist. Alle anderen haben zugelegt. Und im ersten Halbjahr 2018 sehen die Zahlen auch nicht besser aus: Rotterdam ist mehr als sechs Prozent gewachsen, Antwerpen mehr als acht Prozent, und Hamburg ist in diesem Zeitraum noch einmal um zwei Prozent geschrumpft. Die Situation ist ausgesprochen herausfordernd.

Was sind die Gründe? Liegt es nur an der fehlenden Elbvertiefung?

Bonz: Nein, die Gründe sind vielfältiger Art. Natürlich spielt die fehlende Fahrrinnenanpassung eine beträchtliche Rolle. Ein zweiter großer Nachteil ist die seit 17 Jahren ausstehende Anpassung der deutschen Steuergesetzgebung an das europäische Recht im Bezug auf die Einfuhrumsatzsteuer. Wie Sie wissen, müssen Importeure hier in Hamburg diese Steuer sofort entrichten, während sie in anderen Ländern erst nach Monaten fällig wird. Das sind erhebliche Zwischenfinanzierungskosten. Ich kenne eine große Hamburger Spedition, die allein aus diesem Grund alle Importe nur über Antwerpen und Rotterdam steuert und deutsche Häfen meidet. Zudem hat sich mit der Verkehrssituation ein dritter Grund aufgetan, warum Hamburg gemieden wird.

Inwiefern?

Bonz: Wenn man die Hansestadt wie in den vergangenen drei Jahren mit mehr als 22.000 Baustellen überzieht, ist ein Verkehrsfluss nicht mehr gewährleistet. Das ist ein ernstes Problem. Mehrere Spediteure haben dies auch den Behörden gegenüber geäußert. Einige Spediteure weigern sich derzeit, Waren nach Hamburg zu bringen, weil die Kosten durch die Zeitverzögerungen auf der Straße so hoch sind, dass sich solche Transporte nicht mehr rechnen. Diese Waren werden über andere Häfen geroutet, und Hamburg fehlt der Umschlag.

Aber Moment mal. Die Baustellen haben doch das Ziel die Infrastruktur und den Verkehrsfluss zu verbessern!

Bonz: Das ist richtig. Aber wir haben zu viele Baustellen zur gleichen Zeit flächendeckend über die ganze Stadt. Es fehlt eine vernünftige Planung. Wenn man die Autobahn A 7 sinnvoll ausbaut, wie es übrigens geschieht, kann man nicht auch noch Baustellen an den Ausfall­strecken zum Beispiel an der Bahrenfelder Chaussee einrichten, etwa um Radwege zu bauen. Genauso schlimm ist die Situation im Osten der Stadt. Wenn auf der A 1 gebaut wird, kann man doch nicht auch noch die Zubringerautobahn A 24 komplett sperren und dann auch noch auf einer der Ausweichrouten, nämlich der Lübecker Straße, die Straßenführung von drei auf eine Fahrspur verengen. Da sind viele Transporteure auch aus dem Hafen betroffen. Also fordern wir: Baumaßnahmen müssen zeitlich gestreckt und besser aufeinander abgestimmt werden.

Kommen wir zur Elbvertiefung. Da fehlt noch der Planergänzungsbeschluss. Drohen weitere Verzögerungen?

Bonz: Eigentlich sollte er Anfang August kommen. Ich hoffe nicht, dass zwischenzeitlich weitere fachliche Schwierigkeiten aufgetreten sind. Wir gehen weiter davon aus, dass Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres mit dem Bau begonnen werden kann, damit eines der großen Standorthindernisse ausgeräumt wird.

Der Hafen hat in den vergangenen Jahren erhebliche Probleme mit dem Schlick gehabt. Wie sieht es dieses Jahr aus?

Bonz: Wir hatten in der Tat vor zwei, drei Jahren große Schwierigkeiten an den Hauptstellen des Hafens, weil dort auch Managementfehler gemacht worden sind. Das ist bereinigt. Nichtsdestotrotz gibt es Bereiche, wo die Wassertiefenunterhaltung nicht ordnungsgemäß funktioniert. Das betrifft insbesondere die östlichen Hafenteile, wo die Binnenschiffe unter Mindertiefen leiden. Aber die Binnenschifffahrt scheint ohnehin nicht im Fokus der Hafenpolitik zu stehen.

Wie kommen Sie darauf?

Bonz: Wir haben sowohl hier in Hamburg wie auch auf Bundesebene das Ziel, Güterverkehre vom Asphalt weg auf die Bahn oder auf die Wasserstraßen zu verlagern. Die Bundesregierung schafft deshalb alle Gebühren auf Wasserstraßen ab, mit Ausnahme des Nord-Ostsee-Kanals. Das hat die Koalition vereinbart. In Hamburg werden die Binnenschifffahrtsgebühren erhöht und sogar neue Abgaben für Schutenverbände eingeführt. Wir haben versucht, das zu verhindern, aber Aufsichtsrat und Leitung der Hamburg Port Authority halten an diesen aus unserer Sicht schädlichen Gebührenanhebungen fest.

Was bedeutet das für die Binnenschiffer?

Bonz: Oh, die Merkosten können sich durchaus auf mehrere 1000 Euro pro Betrieb belaufen. Und da die Marge in dem Gewerbe ohnehin sehr schmal ist, können solche Zusatzbelastungen schnell dazu führen, dass bestimmte Transporte gar nicht mehr über Hamburg durchgeführt werden. Man versucht offenbar bei der HPA die letzten möglichen finanziellen Reserven zu aktivieren.

Aber die Hafenbehörde bekommt doch jetzt 60 Millionen Euro mehr pro Jahr ...

Bonz: Das ist richtig. Das haben wir dem neuen Finanzsenator Andreas Dressel zu verdanken, den wir dafür auch sehr gelobt haben, weil das ein echter Kraftakt ist. Umso unverständlicher ist, warum die Binnenschifffahrtsgebühren erhöht werden. Das wird zu einer Transportverlagerung auch auf die Straße führen.

Ist die Sorge, dass der Wohnungsbau den Hafen einengt, vorbei?

Bonz: Leider nicht. Die Hafenwirtschaft hat sich vor einem Jahr nach einem sehr intensiven Dialogprozess mit dem damaligen Bürgermeister geeinigt, dass die Fläche des Überseezentrums für die Stadtentwicklung freigegeben wird. Im Gegenzug hatte der Bürgermeister uns Bestandssicherung für alle umliegenden Industrie- und Umschlagsbetriebe zugesichert und eine Vertragsverlängerung für das unmittelbar benachbarte Unikai-Terminal zugesagt. Bis heute ist der Mietvertrag mit Unikai nicht verlängert worden.

Dass dieses nach einem Jahr noch nicht vollzogen ist, macht uns nachdenklich. Zudem verfolgt die HafenCity GmbH offenbar weitergehende Ziele, als damals vereinbart wurden. So hat deren Geschäftsführer Jürgen Bruns-Berentelg kürzlich bei einer Veranstaltung im Hafen-Klub gesagt, die Übereinkunft mit der Hafenwirtschaft sei für ihn nur zeitlich befristet gültig. Das zeigt doch, dass er langfristig auch die Flächen der umliegenden Betriebe für den Wohnungsbau haben will. Langfristige Absicherung sieht anders aus. Dagegen werden die betroffenen Unternehmen vorgehen.

Sie haben die Probleme des Hafens dargelegt. Was muss aus Sicht der Hafenwirtschaft geschehen, damit er aus der Misere herauskommt?

Bonz: Als Dringlichstes muss natürlich die Fahrrinnenanpassung genehmigt und schnell realisiert werden. Dann muss die Einfuhrumsatzsteuer angepasst werden. Da müssen alle Bundesländer ins Boot geholt werden. Und wir müssen unsere Hamburger Schularbeiten machen: Wir müssen die Verkehrspolitik auf neue Füße stellen, den Schlick beseitigen und den bestehenden Betrieben Entwicklungschancen einräumen. Da fällt mir ein, dass die Automobilindustrie wegen der komplizierteren Zulassungsprüfungen von Neuwagen dringend große Abstellflächen benötigt.

Allein VW sucht 250.000 Stellplätze. Warum geht niemand aus der Hamburger Wirtschaftsförderung oder von der HPA nach Wolfsburg, und bietet zeitlich befristet die derzeit ungenutzten Flächen auf Steinwerder an, über die derzeit nur die HPA verfügen kann? Daraus könnten sich auch neue Geschäfte für den Hafen entwickeln. Stattdessen hat man es nicht einmal geschafft, für den Hamburger Klinikbetreiber Asklepios eine Fläche für ein Logistikzentrum in der eigenen Stadt zu finden. Das Zen­trum wird jetzt in Bad Bramstedt gebaut. Na gut, kann man sagen, das gehört zur Metropolregion. Aber das bedeutet 50 zusätzliche Lkw-Fahrten über die hochbelastete A 7 pro Tag. Das ist auch ökologisch schlecht.

Was muss passieren, damit es vorangeht?

Bonz: Wir müssen schneller, flexibler und einvernehmlicher versuchen, die Hafenpolitik auf zukunftsfeste Beine zu stellen. Deshalb hat der Unternehmensverband Hafen Hamburg bereits im Frühjahr eine konzertierte Aktion mit Politik, Wirtschaft und Gewerkschaften angeregt, um solche Dinge zu erörtern und nach vorne zu bringen.

Warum gibt es diese konzertierte Aktion noch nicht?

Bonz: Das entzieht sich meiner Kenntnis, aber unser Gefühl ist, dass die politischen Prioritäten in Hamburg derzeit andere sind. Die liegen wohl eher im Wohnungsbau, bei der Schaffung von Radwegen und dem Emissionsschutz, anstatt in der Stärkung der Wirtschaft.