Hamburg. Debatte über ungenutzte Schulzeit vor den Zeugnissen: Elternkammer, CDU und FDP kritisieren eine offenbar gängige Praxis.
Zuletzt hat die verbotene Neigung mancher Eltern für Schlagzeilen gesorgt, mit ihren schulpflichtigen Kindern ein paar Tage vor Ferienbeginn mit dann billigeren Flügen in den Urlaub zu fahren. In den Hintergrund trat neben dem Aspekt des Schulschwänzens die Frage, was die Schüler eigentlich konkret verpassen oder ob sie überhaupt etwas verpassen.
Mit deutlichen Worten hat die Elternkammer darauf hingewiesen, dass Schulen das Schuljahresende häufig recht ungewöhnlich nutzen. „In vielen Lerngruppen kann von Unterricht in den letzten vier Wochen vor den Ferien keine Rede sein“, sagt Antje Müller, die Vorsitzende der Elternkammer. Zeugniskonferenzen würden an den Schulen meistens bereits vier Wochen vor Ferienbeginn oder noch früher abgehalten. Danach sei es mit dem Lernen dann vielfach vorbei. „Sportfeste, Projektwochen, Filme, Aufräumen, Frühstück und Ähnliches stehen auf dem, was zuvor ein Stundenplan war“, lautet der Vorwurf. Auch die Rückgabe der Schulbücher vier Wochen vor den Sommerferien sei keine Seltenheit.
Mündliche Beschwerden
In Kleinen Anfragen sind die Bürgerschaftsabgeordneten Anna von Treuenfels-Frowein (FDP) und Birgit Stöver (CDU) dem Phänomen nachgegangen. Der Senat verweist zunächst darauf, dass an den Hamburger Schulen „während des gesamten Schuljahres Unterricht auf der Grundlage der gültigen Bildungspläne und Stundentafeln erteilt“ werde. Dazu zählten „über das ganze Schuljahr verteilt und auch in der Zeit vor den Sommerferien“ Klassenreisen, Exkursionen und Projekte. Etwas unbestimmt schreibt der Senat dann weiter: „Ebenso wird die Zeit vor den Sommerferien für die Gestaltung des Schuljahresabschlusses genutzt, den die Schulen selbstverantwortet gestalten.“
Die Gestaltung des Schuljahresabschlusses erfolgt nach Auffassung der Schulbehörde dann offensichtlich bisweilen doch recht frei. „Bereits in der Vergangenheit sind in einzelnen, wenigen Fällen an die für Bildung zuständige Behörde mündliche Beschwerden von Sorgeberechtigten oder Gremienvertretungen herangetragen worden, die die Gestaltung des Unterrichts vor den Sommerferien kritisieren“, heißt es in der Senatsantwort bemerkenswert offen. Auch auf Wunsch vieler Schulen nach mehr Flexibilität erfolgte eine Überprüfung der bislang zum Teil zentral vorgegebenen Termine für die Zeugniskonferenzen.
Sorgfältiger Prüfungsprozess
„Der Leiter des Amts für Bildung hat nach einem sorgfältigen Prüfungsprozess im Februar 2018 in einem Schreiben die Schulen aufgefordert, für alle Klassenstufen außer 6 und 10 die Zeugniskonferenzen bis unmittelbar vor die Ferien zu legen“, schreibt der Senat. Die beiden Ausnahmen am Ende der Klassen sechs und zehn gelten, damit den Schulen ausreichend Zeit für die Organisation der Schulwechsel bleibt, die am Ende der Klassenstufen möglich oder auch nötig sind.
Dennoch scheint die Behörde die Sorge umzutreiben, ihre Aufforderung könnte nicht ausreichend Resonanz gefunden haben. „Die für Bildung zuständige Behörde wird die Schulen auch im neuen Schuljahr erneut darauf hinweisen, den Termin der Zeugniskonferenzen nah an den Beginn der Sommerferien zu legen“, schreibt der Senat in seiner Antwort auf eine Anfrage der FDP-Fraktionschefin Anna von Treuenfels-Frowein.
Die CDU-Schulpolitikerin Birgit Stöver erkundigte sich danach, an wie vielen Schulen, in welchen Klassenstufen und aus welchem Grund die Bücher schon vier Wochen vor Schuljahrsende abgegeben werden. „Die erfragten Daten werden von der für Bildung zuständigen Behörde statistisch nicht erfasst. Eine Schulabfrage ist aufgrund der Hamburger Sommerferien nicht möglich“, lautete die Replik.
„Respekt vor den Lehrkräften leidet“
Der Senat wies darauf hin, dass die Termine der Zeugniskonferenzen nur für die Klassen sechs bis zehn zentral festgelegt werden. „Für alle anderen Klassenstufen gilt, dass die Festlegung der Termine innerschulisch zu organisieren ist und der Schulleitung bzw. dem Leitungsteam der jeweiligen Schule obliegt“, heißt es in der Antwort.
„Wir unterstützen die Elternkammer bei ihrer Forderung, bis zum Ende des Schuljahres auch konsequent Unterricht zu erteilen. Hier herrscht Handlungsbedarf“, sagt Stöver. Projektwochen und Wandertage brächten Schüler vom Erreichen des Klassenzieles ab. „Das ist aus unserer Sicht ein unhaltbarer Zustand“, so die stellvertretende CDU-Fraktionschefin.
„Viele Kinder erleben die letzten vier Wochen vor den Sommerferien – und das sind immerhin mehr als zehn Prozent der Jahres-Unterrichtszeit – als Zeitverschwendung mit der Folge, dass die Lust auf und der Respekt vor der Schule und den Lehrkräften leidet“, kritisiert die Elterkammer-Vorsitzende Antje Müller.