Hamburg. Triebwerke sorgen für Ärger beim A320. Neue A220-Familie weist höhere Kosten aus – Aktie steigt auf Rekordhoch.

Quizfrage: Was kann man auf einer Fläche von 340 Fußballfeldern machen? Eine Antwort: Flugzeuge abstellen. Airbus hat auf seinem Werksgelände auf Finkenwerder zuletzt davon sehr viel Gebrauch gemacht. An der Elbe und auch auf dem Firmenareal in Toulouse stehen Dutzende „Glider“. Fast fertig montierte Maschinen, die allerdings keine Segelflieger bleiben sollen. Ihnen fehlt der Antrieb. Die Hersteller Pratt & Whitney und CFM lieferten ihre Sprit sparenden Motoren der neo-Reihe für den Verkaufsschlager A320-Familie, die gut zur Hälfte in Hamburg gebaut wird, mal wieder nicht rechtzeitig.

„Die Triebwerkshersteller haben Verbesserungen erreicht“, sagte Vorstandschef Tom Enders am Donnerstag bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für die ersten sechs Monate. Man sei in der richtigen Spur. Das Jahresziel von rund 800 Auslieferungen quer über alle Modelle sei jedoch ambitioniert und mit Risiken behaftet, so Enders: „Das wird natürlich ein Höllenritt, aber das Ziel ist machbar.“

Nur 303 Maschinen an Kunden übergeben

Von Januar bis Juni waren es deutlich weniger als die Hälfte. Nur 303 Passagiermaschinen wurden an die Kunden übergeben. Das waren drei Exemplare weniger als im Vorjahreszeitraum. Und schlug auch auf die wirtschaftlichen Eckdaten durch. Der Umsatz, zu dem die zivile Jetsparte rund drei Viertel beiträgt, lag mit 25 Milliarden Euro um 200 Millionen Euro unterm Vorjahreswert. „Die Ergebnisse des ersten Halbjahrs reflektieren den aufgrund der Lieferengpässe bei A320neo-Triebwerken nach hinten verschobenen Auslieferungsplan“, sagte Enders etwas verklausuliert. Soll heißen: Sowohl Umsatz als auch Ergebnis wurden dadurch belastet.

Dennoch versprühte der 59 Jahre alte Deutsche Optimismus. Die Situation beim A320neo habe sich verbessert, sagte der im nächsten Frühjahr scheidende Konzernchef. Standen Ende Mai noch rund 100 Flugzeuge ohne Triebwerke auf den Firmenarealen, waren es einen Monat später nur noch um die 80. Im zweiten Quartal wurden mit 110 Flugzeugen erstmals mehr neos ausgeliefert als mit den herkömmlichen Triebwerken (ceo). Die Zahl der parkenden Flugzeuge werde in den nächsten Monaten sinken. Den Mitarbeitern droht damit erneut ein heißer Jahresendspurt. Im vergangenen Dezember wurde die Rekordzahl von 127 Maschinen ausgeliefert.

Brot- und Buttergeschäft

Der Flieger steht für das Brot- und Buttergeschäft bei Airbus. Von den 7168 Maschinen im Auftragsbuch gehören fast 85 Prozent zu der Familie. Allerdings macht der Ratenhochlauf von derzeit gut 50 auf 60 pro Monat Mitte nächsten Jahres etwas Sorgen – weil Zulieferer wie die Triebwerkshersteller immer wieder Engpässe haben.

Auch vom neuen Familienmitglied gab es durchwachsene Nachrichten. Im vergangenen Herbst hatte Airbus die Mehrheitsübernahme der C-Series des kanadischen Herstellers Bombardier vermeldet. Vor wenigen Wochen benannte der europäische Flugzeughersteller die beiden Kurz- und Mittelstreckenjets in A220 um. Fürs Gesamtjahr wird die neue Maschine allerdings einen negativen Ergebniseffekt bewirken. Insgesamt rechnet der Konzern mit einem operativen Gewinn von fünf Milliarden Euro – durch die Integration des A220 soll dieser allerdings um 200 Millionen Euro schwächer ausfallen, gab Airbus am Donnerstag bekannt.

Enders zeigte sich zuversichtlich

Angesichts der Anlaufkosten des jungen Programms ein erwartbarer Effekt. Enders zeigte sich zuversichtlich, dass die Maschinen für 100 bis 150 Passagiere in Zukunft ordentlich Aufträge bringen: „In zwei Wochen haben wir 120 A220 verkauft.“ Bombardier habe in zehn Jahren nur 400 Stück an die Kunden gebracht. Die Airbus-Verkaufsmaschine laufe also rund. Von dem Jet made in Kanada sollen in diesem Jahr 18 ausgeliefert werden, die zu den 800 noch hinzukommen.

Während es bei den kleinen Flugzeugen etwas holperig läuft, sorgt der Produktionshochlauf des Großraumjets A350 für positive Effekte. Erstmals wurde die um sieben auf knapp 74 Meter verlängerte 1000er-Version an zwei Kunden ausgeliefert. Beim Programm habe es deutliche Verbesserungen gegeben. Bis Jahresende soll die geplante Fertigungsrate von zehn Stück im Monat erreicht werden. Auch dadurch bedingt habe sich das bereinigte operative Ergebnis vor Steuern und Zinsen auf 1,16 Milliarden Euro mehr als verdoppelt. Die Aktie hob daraufhin in neue Höhen ab. Die Anteilsscheine sprangen am Morgen auf die neue Bestmarke von 111,12 Euro und gingen bei 109,50 Euro mit einem Plus von gut vier Prozent aus dem Handel.

Börsenexperten bewerten die Zahlen aber gemischt. Das Analysehaus Kepler Cheuvreux beließ seine Einschätzung auf „Halten“ und das Kursziel bei 100 Euro – auch wenn die Erwartungen übertroffen worden seien. Die US-Investmentbank Goldman Sachs sieht die Titel hingegen als „Kauf“ mit einem Kursziel von 119 Euro. Der Umsatz habe – obwohl er rückläufig ist – leicht, der operative Gewinn deutlich über den Erwartungen gelegen.

Die Geschäftsentwicklung sei stark. Die Commerzbank empfiehlt ebenfalls „Kaufen“ und sieht den fairen Wert bei 125 Euro. Im zweiten Halbjahr dürften die Auslieferungen von Verkehrsflugzeugen die Ergebnisse treiben, hieß es. Damit das gelingt, müssten Pratt & Whitney und CFM die Triebwerksproduktion stabilisieren – dann könnten auf dem 340 Fußballfelder großen Werksgelände auf Finkenwerder auch bald wieder ein paar Parkplätze mehr frei sein.