Hamburg. Banken statten immer mehr Girokarten mit neuer Funktechnologie aus. Auch viele Hamburger Händler bieten kontaktlosen Service an.
Das kennt jeder: An der Kasse sucht ein Kunde gefühlt ewig im Portemonnaie nach den passenden Münzen. Und die Menschen in der Schlange sind genervt. Solche Szenen dürften in Zukunft weniger werden. Die EC-Karte muss nur kurz an ein Kassenterminal gehalten werden und schon ist der Betrag abgebucht. Ohne Eingabe einer Geheimzahl (PIN) oder einer Unterschrift auf dem Kassenbeleg ist das so bei Einkäufen bis 25 Euro möglich. Größere Beträge erfordern weiterhin die Bestätigung durch die PIN.
Der Handel in Hamburg ist für diese neue Form des Bezahlens gewappnet. „Wir haben bereits alle 33 Filialen in Hamburg so ausgerüstet, dass kontaktlos mit Girocard oder Kreditkarte bezahlt werden kann“, sagt Gürol Gür, Geschäftsführer der Schanzenbäckerei. Auch bei der Hamburger Drogeriekette Budnikowsky ist das Bezahlen im Vorbeigehen kein Problem. „Wir sind dafür gerüstet“, sagt Sprecherin Wiebke Spannuth. „Voraussetzung ist aber, dass die Karten der Kunden die neue Technik unterstützen.“
Immer mehr Karten mit NFC-Funktion
Das wollen die Banken in Hamburg jetzt anpacken, zeigt eine Umfrage des Abendblatts. Die Geldinstitute statten immer mehr Girokarten – wie die EC-Karten eigentlich heißen – mit der NFC-Funktion aus. NFC ist eine Funktechnik und steht für Near Field Communication. Sie ermöglicht den kontaktlosen Bezahlvorgang über kurze Distanzen. Ein kleiner Chip mit Antenne tauscht die Daten mit dem Lesegerät an der Kasse per Funk und verschlüsselt aus: Kartennummer, Gültigkeitsdatum und Betrag. Ein Piepton bestätigt die Zahlung. Gegenwärtig verfügen rund 40 Prozent der Bankkunden in Hamburg über solche Karten. Bereits knapp die Hälfte der Umsätze im Einzelhandel werden bargeldlos bezahlt, vorwiegend mit der Girocard und auf dem alten Weg mit Unterschrift oder PIN.
Bei der Hamburger Sparkasse (Haspa) verfügen schon 75 Prozent der 1,2 Millionen Haspa-Karten über die Funktion zum kontaktlosen Bezahlen. Damit nimmt die Sparkasse eine Spitzenstellung ein. Im nächsten Jahr werden es alle Kunden sein. Die neue Bezahltechnik kann auch jeder zweite Kunde der Hamburger Volksbank und der ING-Diba nutzen. Andere Institute wie die Deutsche Bank, Comdirect und die Sparda Bank Hamburg ziehen in diesem Jahr mit der Ausgabe nach (siehe Tabelle in der Grafik).
FC-Technik macht Karten teurer
Bis zum Jahr 2022 sollen fast alle Bankkunden über eine NFC-fähige Girocard verfügen. Ersetzt werden die alten Karten allerdings nur, wenn sie ablaufen. Die Kunden können also an dem Ablaufdatum sehen, wann sie mit einer NFC-fähigen Karte ausgestattet werden. Für Kunden der Postbank gilt das nicht: Das Institut überlegt, ob es seine Girokarten überhaupt mit der NFC-Technik ausstattet. „Eine Entscheidung über die Einführung steht noch aus“, sagt ein Postbank-Sprecher.
Für die Banken ist das auch eine Kostenfrage, denn die NFC-Technik macht die meist kostenlos an die Kunden ausgegebene Girokarte etwa elf Prozent teurer. Bei Kreditkarten können die höheren Kosten über die Kartengebühr an die Kunden weitergegeben werden. Doch die Kreditkarte setzten die Deutschen eher im Ausland ein. Auch dort sind aber die Voraussetzungen günstig: „Bis zum Jahr 2022 werden 78 Prozent aller weltweit verfügbaren Kassen NFC-fähig sein“, sagt Johan Fagerberg vom Marktforscher Berg Insight.
600.000 Kassen sind freigeschaltet
Jeder fünfte Deutsche hat kontaktloses Bezahlen schon ausprobiert und ebenso viele wollen es bald testen, geht aus einer Studie der Postbank hervor. Nach Schätzungen des Hauptverbandes des Deutschen Einzelhandels sind bundesweit mindestens 600.000 von rund einer Millionen Kassenterminals für NFC freigeschaltet. „Händler machen die Erfahrung, dass die Kunden die Funktion gern wieder nutzen, wenn sie sie einmal ausprobiert haben“, sagt Horst Rüter vom EHI Retail Institut.
Rund fünf Prozent aller Bezahlvorgänge würden schon kontaktlos erfolgen. „Vor allem Händler mit starker Kundenfrequenz bieten kontaktloses Bezahlen längst an“, sagt Rüter. Das sind vor allem Lebensmittelhändler, Drogerieketten und Baumärkte. Die Technik sei vorhanden, „es liegt aber in der Entscheidung des Händlers, welche Funktionen er freischalten lässt“, sagt Rüter. Die Lebensmittelketten Aldi Nord, Lidl, Penny und Rewe ermöglichen kontaktloses Bezahlen ebenso wie die Drogeriekette Rossmann und der Baumarkt Toom. Die Tankstellenkette Shell bietet bisher das kontaktlose Bezahlen nur für die Kreditkarte an. „Bis Jahresende wird auch die Girokarte kontaktlos funktionieren“, sagt eine Shell-Sprecherin.
Gemeinsames Interesse
Der Bezahlvorgang soll so deutlich schneller werden, weil die Karte nicht mehr eingesteckt werden muss – selbst wenn bei höheren Beträgen noch die PIN eingegeben werden muss. Händler und Banken haben ein gemeinsames Interesse, dass sich das neue Bezahlverfahren durchsetzt. Die Händler sparen Kosten für die Bargeldbearbeitung und die Geldinstitute profitieren ebenfalls davon, wenn ihre Kunden weniger Bares aus den Geldautomaten nachfragen.
Kontaktloses Bezahlen soll nicht risikoreicher als herkömmliche Kartenzahlungen sein. Um die ausgetauschten Daten abzufangen, müsste die entsprechende Technik unmittelbar neben der Kasse installiert sein. Ein Problem gibt es aber dennoch: Wenn die Karte verloren wird, kann ein Dieb damit auch kontaktlos bezahlen – zumindest bis zu Beträgen von maximal 25 Euro.
Vier gekrümmte Linien weisen auf Funktion hin
Doch vielen Kunden dürfte gar nicht bewusst sein, ob ihre Girokarte zum kontaktlosen Bezahlen taugt. Vier leicht gekrümmte, immer größer werdende Linien weisen darauf hin – auch an den Kassenterminals. „Wir informieren unsere Kunden über Flyer beim Kartenumtausch“, sagt ein Sprecher der Haspa. Doch häufig werden solche Informationen über die Einsatzmöglichkeiten der Girokarte als Werbung betrachtet und achtlos zur Seite gelegt. „Das Verfahren ist für den Kunden noch nicht transparent genug“, sagt Nicole Gemperlein von der Hamburger Volksbank. „Wo ich mit meiner Kreditkarte kontaktlos bezahlen kann, kann ich nicht automatisch meine kontaktlose Girokarte benutzen.“ Das verwirrt die Verbraucher.
Zumal es noch einen weiteren Weg des kontaktlosen Bezahlens gibt. Denn auch das Smartphone kann dafür genutzt werden. Wie die Geld- oder Kreditkarte wird es nur vor das Kassenterminal gehalten. Die Daten einer Kreditkarte oder einer Girokarte sind in dem Smartphone für den Bezahlvorgang hinterlegt. Besondere Kassenterminals sind dafür nicht erforderlich. Wie bei der kontaktlosen Kartenzahlung gilt auch beim Handy: Bis 25 Euro ist keine Autorisierung möglich.
Die Commerzbank und Comdirect bieten ihren Kunden das Bezahlen mit dem Smartphone mit Google Pay an. Sparkassen und Genossenschaftsbanken bringen in diesem Sommer und Herbst ein eigenes Bezahlsystem für das Smartphone heraus. „Die Nutzung des Smartphones gehört für unsere Kunden zum Alltag. Deshalb haben wir den Bezahlvorgang damit in unsere Banking-App integriert“, sagt Gemperlein von der Hamburger Volksbank. Für das Bezahlen muss die App nicht geöffnet werden. Damit ist das Bezahlen mit dem Smartphone so schnell wie mit der Girokarte.