Hamburg . Der verhaftete 30-Jährige soll mit zwei Zuhältern Hausdurchsuchungen vorgetäuscht und Bargeld erbeutet haben.

Die perfide Masche ist seit einiger Zeit bekannt: Da geben sich gewöhnliche Diebe als falsche Polizisten aus, um sich Zugang zu Hamburger Häusern zu verschaffen, um Geld und Schmuck zu erbeuten. Dass aber ein echter Polizist bei falschen Hausdurchsuchungen auf Diebestour geht – das dürfte neu sein.

Der ungeheuerliche Verdacht richtet sich gegen einen 30 Jahre alten Hamburger Beamten des Kriminaldauerdienstes. Der Kripo-Mann soll mit zwei Zuhältern gemeinsame Sache gemacht und bei vorgetäuschten Hausdurchsuchungen Tausende Euro und andere Wertgegenstände gestohlen haben.

Der Polizist ist am frühen Dienstagmorgen verhaftet worden. Gegen ihn und drei Mittäter ermitteln das Dezernat Interne Ermittlungen (DIE) und die Hamburger Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts des schweren Bandendiebstahls und wegen Bestechlichkeit und Bestechung in besonders schweren Fällen. Zwei der insgesamt vier Beschuldigten hätten „einen direkten Bezug in das Hamburger Rotlichtmilieu“, sagte Nana Frombach, Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft.

Auch Mobiltelefone erbeutet

Seit Januar dieses Jahres soll der Polizist unter „gezieltem Einsatz seiner dienstlichen Kenntnisse“ mit seinen Komplizen mindestens zwei polizeiliche Hausdurchsuchungen vorgetäuscht und dabei Bargeld in Höhe von mehr als 12.000 Euro und unter anderem Mobiltelefone erbeutet haben. Wie die Bande auf ihre Opfer gekommen ist und ob die Leidtragenden selbst Beschuldigte in polizeilichen Ermittlungsverfahren waren, werde noch geprüft, so Frombach.

Unklar ist zudem, ob der Polizei­beamte den Betroffenen gefälschte Gerichtsbeschlüsse vorgelegt hat, um die illegalen Grundrechtseingriffe zu verschleiern. Bei den fingierten Durch­suchungen sollen sich die Mittäter allerdings­ wie waschechte Ermittler verhalten und überzeugend den „Polizeisprech“ imitiert haben – Zweifel an der Integrität der angeblichen Beamten hatten die Opfer offenbar nicht. Aus ermittlungstaktischen Gründen wollte sich Frombach auf Anfrage nicht zum Einsatzgebiet des beschuldigten Kripo-Beamten äußern. Gegen den 30-Jährigen hatten seine Kollegen wochenlang verdeckt ermittelt.

Weiterer Beschuldigter festgenommen

Am Dienstagmorgen vollstreckte das Dezernat Interne Ermittlungen simultan Durchsuchungsbeschlüsse für elf Objekte in Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg. In der Hansestadt gab es Razzien in Billstedt, Dulsberg, Horn, St. Pauli, Othmarschen, Barmbek-Nord und Winter­hude. Dabei sei „umfangreiches Beweismateria­l“ sichergestellt worden, so Frombach. Unter anderem durchsuchten die Ermittler den Arbeitsplatz des Kriminalbeamten im Polizeipräsidium. Gegen zwei Mittäter im Alter von 30 und 33 Jahren wurden ebenfalls Haftbefehle vollstreckt. Eine Spezialeinheit nahm einen weiteren Beschuldigten in dessen Wohnung am Horner Weg fest.

Bandenmäßiger Diebstahl ist ein Verbrechenstatbestand und wird mit einer Freiheitsstrafe von nicht weniger als einem Jahr geahndet. Bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verlieren Staatsdiener automatisch ihren Beamtenstatus – der Polizist wäre dann seinen Job los.

Am Dienstag sind die Beschuldigten zu den Vorwürfen vernommen worden. Die Untersuchung des Falls sei derzeit noch nicht abgeschlossen, betonte Sprecherin Nana Frombach: „Die Staatsanwaltschaft Hamburg und das Dezernat Interne Ermittlungen führen die Ermittlungen mit Nachdruck fort.“

Nur selten werden Polizeibeamten allerdings derart gravierende Straftaten zur Last gelegt. 2014 verurteilte das Landgericht einen 35 Jahre alten Oberkommissar zu fünf Jahren und neun Monaten Haft. Er hatte einer Bande geholfen, 200 Kilogramm Kokain nach Hamburg zu schmuggeln. Im September 2017 verurteilte das Gericht einen 59 Jahre alten Polizeibeamten zu zwei Jahren Haft auf Bewährung, weil er Tausende Kinderpornos auf seinen privaten Computern gehortet hatte.

Die aktuellen Vorwürfe gegen den Kriminalbeamten lassen auch Gerhard Kirsch, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), nicht unberührt. „So ein Vorfall ist mir während meiner gesamten 38-jährigen Dienstzeit nicht untergekommen“, sagte Kirsch dem Abendblatt. „Wenn sich der Verdacht bestätigen sollte, muss hart durchgegriffen werden. Das gesamte Ansehen der Hamburger Polizei ist hier betroffen.“