Hamburg. Handelsverbands-Chefin Brigitte Nolte sorgt sich um Shopping-Stadt Hamburg. Innenstadt und HafenCity sollen besser verbunden werden.

Seit Dezember 2015 ist Brigitte Nolte Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord in Hamburg. Die Diplom-Volkswirtin vertritt in dieser Position die Interessen von Hunderten Einzelhändlern in der Hansestadt. Und sie macht sich Sorgen beim Blick auf die geschäftliche Entwicklung in der Hamburger Innenstadt und den Bezirken. Im Abendblatt-Interview spricht sie über Versäumnisse der Stadt, zu viel neue Verkaufsflächen in der HafenCity, fordert mehr Flexibilität bei den verkaufsoffenen Sonntagen – und erklärt, warum die frühe Hitzewelle im Norden den Händlern nicht nur Gutes bringt.

Die Hamburger freuen sich über einen ungewöhnlich warmen Sommer, die Einzelhändler in der Stadt auch?

Brigitte Nolte: Wenn es zu heiß ist, dann kommen leider weniger Kunden in die Geschäfte. Und wenn der Frühling ausfällt, bleibt die Übergangsmode hängen. Dieses Minus wird nur zum Teil durch das Mehr an Touristen kompensiert. So ist der Umsatz des Textileinzelhandels, der gerade für die Hamburger Innenstadt von großer Bedeutung ist, im ersten Halbjahr um etwa zwei Prozent zurückgegangen.

Wie entwickelt sich der Umsatz im Hamburger Einzelhandel insgesamt?

Seit Jahren stagnieren die Umsätze im stationären Einzelhandel. Der Onlinehandel wird hingegen insgesamt um etwa zehn Prozent wachsen. Wir gehen somit für den gesamten Einzelhandel weiterhin von einem Umsatzwachstum für 2018 von zwei Prozent auf etwa 14 Milliarden Euro aus.

Was bringen die Touristen dem Einzelhandel überhaupt?

Sie sorgen sicherlich für eine höhere Kundenfrequenz in der City. Aber obwohl die Übernachtungszahlen in den vergangenen Jahren sehr stark gestiegen sind, haben die Umsätze im stationären Einzelhandel hier nicht annähernd mithalten können.

Immer mehr traditionsreiche Händler verlassen die Innenstadt. Steigende Mieten sowie Umsätze, die zu Onlinehändlern wie Amazon und Otto wandern, führen dazu, dass in der City fast nur noch finanzstarke Handelsketten vertreten sind. Ist das ein Trend, der sich in der Zukunft wieder umkehren lässt?

Das glaube ich nicht. Dieser Trend hält schon lange an und wird sich kaum umkehren lassen. Aber auch kleinere stationäre Geschäfte haben gute Chancen, in der Onlinewelt bestehen zu können, und zwar mit Individualität, persönlicher Ansprache oder etwa besonderen Kunden-Events im Geschäft vor Ort. Allerdings darf man hierbei nicht vergessen, dass die technischen Möglichkeiten kleiner Händler deutlich begrenzter sind als für Amazon oder Otto. Diese großen Konzerne können es sich leisten, Millionen von Euro in die Forschung und Entwicklung neuer Techniken zu stecken – der mittelständische Einzelhändler aber nicht.

Durch die Marktmacht der Handelsketten werden die Innenstädte bundesweit immer uniformer. Bereitet Ihnen das Sorgen?

Ja, natürlich. Auch Hamburg muss sich immer wieder fragen: Was hebt uns von anderen Städten ab? Was macht uns besonders? Warum sollen die Touristen gerade zu uns kommen? Und hier spielt das Einzelhandelsangebot eine nicht zu unterschätzende Rolle. Städtebaulich haben wir mit dem Hafen, der Binnenalster oder der Elbphilharmonie viel zu bieten. Aber wir machen es den Besuchern­ oft nicht leicht. Das fängt mit der verkehrlichen Erreichbarkeit an und hört bei der Attraktivität von Straßen und Plätzen noch nicht auf.

So müsste aus meiner Sicht die Mönckebergstraße deutlich attraktiver werden. Gerade hier fehlt mir der große Wurf und auch das finanzielle Engagement der Stadt. Wegen­ des starken Verkehrs von Bussen, Taxis und anderer Fahrzeuge ist es ja für Fußgänger schon kompliziert von einer auf die andere Straßenseite zu kommen. Der Verkehr in der Mönckebergstraße muss deutlich reduziert werden. Und auch der Gerhart-Hauptmann-Platz sollte attraktiver gestaltet werden. Zum Verweilen lädt er heute nicht gerade ein.

Mit den geplanten Handelsflächen in der HafenCity wird die Konkurrenz für die Händler in der Innenstadt noch größer. Kann die City das verkraften?

Bei dieser Größenordnung und der Schnelligkeit wird es auf jeden Fall Umsatzumverteilungen geben. Im Jahr 2021 wird die Innenstadt immerhin zusätzlich 68.000 Quadratmeter Verkaufs­fläche in der HafenCity bekommen. Dabei wird das Überseequartier voraussichtlich ein sehr individueller Ort werden. Aber das Plus an Verkaufs­flächen wird zu Umsatzeinbußen in der City führen. Jetzt muss die Stadt zumindest für eine attraktive Verbindung zwischen Innenstadt und HafenCity sorgen. Den Plan der Handelskammer, die Willy-Brandt-Straße zu untertunneln, finde ich in dieser Hinsicht sehr interessant. Aber dafür wird der Stadt wohl leider der Mut fehlen.

Mit Blick auf die nicht einfache Situation des Einzelhandels: Sollte es mehr verkaufsoffene Sonntage in der Stadt geben?

Wir haben vier sogenannte Themensonntage pro Jahr, die gleichzeitig in der Innenstadt und allen Bezirken stattfinden. Ich würde mir wünschen, dass die Bezirke ihre eigenen verkaufsoffenen Sonntage hätten. Warum kann zum Beispiel Bergedorf nicht selbst entscheiden, anlässlich des jährlichen Ostermarkts eine Sonntagsöffnung zu gestatten? Es wäre schon ein Fortschritt, wenn wenigstens einer der Themensonntage von Bezirk zu Bezirk an unterschiedlichen Tagen stattfände. Oder wenn sonntags ein Straßenfest veranstaltet wird: Warum dürfen dann nicht auch die Läden in dieser Straße öffnen? Ein wenig mehr Flexibilität würde gerade die Einzelhändler in den Bezirken stärken. Denn Hamburg hat viele attraktive Einkaufsstraßen in den Bezirken.