Hamburg . Junge Hamburger Umweltschützer zeigen mit Supermarkt-Aktion, wie viel Plastikmüll beim Einkaufen anfällt.

Bewaffnet mit Papiertüten, verschließbaren Dosen und Stoffbeuteln sagten Montagabend rund 20 Hamburger dem Verpackungswahn in Supermärkten den Kampf an. „Plastic-Attack“ lautete der Name der Aktion, die die Jugendorganisation des Umweltbundes BUND organisiert hatte. Nachdem die Teilnehmer im Edeka-Markt Struve an der Eppendorfer Landstraße eingekauft hatten, befreiten sie ihre Ware vor dem Laden aus ihren Verpackungen. „Die Müllberge, die dabei entstehen, sollen zeigen, dass die Uhr tickt“, sagt Steffen Wolff (28) von der BUNDJugend, der Hamburgs erste „Plastic-Attack“ organisiert hat.

Kampagne läuft weltweit

Mit der in Großbritannien begonnenen Kampagne wollen Umweltschützer auf der ganzen Welt gegen den Plastikmüll mobil machen. London, Barcelona, Hongkong, Los Angeles, Brüssel, Amsterdam und Berlin waren schon dran. Jetzt sollen die Hamburger wachgerüttelt werden. „Wir möchten auf den alltäglichen Plastikwahnsinn aufmerksam machen und Supermarktleitungen und Menschen inspirieren, Einkaufsverhalten und Plastikverbrauch infrage zu stellen“, so Wolff.

Aufgerufen zu der flashmobähnlichen Aktion hatte er auf der gleichnamigen Facebook-Seite, auf der die (mit gut 7600 Abonnenten noch recht kleine) weltweite Community vernetzt ist. An der Hamburger Aktion hatten mehr als 200 Personen ihr Interesse bekundet. Dass nur ein kleiner Teil davon kommen würde, hatte Wolff erwartet.

Biogemüse in Plastik

Trotzdem entstand erschreckend viel Müll, nachdem die Mitwirkenden ihre Einkäufe erledigt hatten – obwohl sie nur das erstehen sollten, was sie benötigten. „Das ist mein üblicher Gemüse-Wocheneinkauf“, sagt Georg (23) und zeigt auf einen Karton mit Kartoffeln, Tomaten, Eisbergsalat, Paprika, Sellerie, Möhren, Zwiebeln und einer Gurke. Der Bergedorfer studiert Bau- und Umweltingenieurswesen und achtet auf gesunde Ernährung. Er kauft grundsätzlich nur Bioware ein – aus Kostengründen überwiegend im Supermarkt. Dort aber ist ausgerechnet das Biogemüse in Plastik verpackt. Sogar das von Demeter. „Es soll wohl von dem konventionellen Gemüse unterscheidbar sein und nicht mit deren Düngemittel in Berührung kommen“, vermutet Georg, der so widerwillig dazu beitragen muss, dass der Plastikmüll zum Riesenproblem wird.

Gerade auch in Deutschland. Zwar sind die Deutschen Europameister im Mülltrennen – im Durchschnitt führt jeder Bundesbürger pro Jahr 415 Kilogramm an Wertstoffen der Wiederverwertung zu. Dennoch wächst unser Müllberg seit Jahren, während er in anderen EU-Ländern zurückgeht. Deutschland liegt auf Platz vier der größten Müllproduzenten in Europa – vor allem beim Verpackungsmüll.

30 Millionen Tonnen im Jahr

Das findet Steffen Wolff bedenklich. „Müll, der den Supermarkt verlässt, landet häufig über Umwegen im Meer. Weltweit sind das etwa 30 Millionen Tonnen im Jahr“, sagt er. „Wenn wir nicht alle zusammen die Verschmutzung der Meere mit Plastikmüll verhindern, wiegt in 30 Jahren das Plastik im Meer mehr als alle Fische zusammen.“ Plastik dürfe gar nicht erst in die Umwelt gelangen. „Wir fordern geschlossene Müllentsorgungssysteme weltweit, ein Verbot von Mikroplastik in Kosme­tika und möchten alle Menschen dazu animieren, den eigenen Plastikverbrauch zu reduzieren.“ Damit fange man am besten dort an, wo das Problem entsteht: im Supermarkt.

Tatsächlich könnte ein Großteil der Verpackungen dort – insbesondere die von Gemüse und Obst – vermieden werden. Doch bei der Aktion werden auch Müsli und Chips, Schokoriegel und Nudeln, Kekse und Butter in mitgebrachte wiederverwendbare Behältnisse gefüllt. Renate Woldt (71) fühlt sich an ihre Kindheit erinnert. „Damals gab es noch gar kein Plastik. Milch wurde in Kannen gefüllt, Obst und Gemüse lose gekauft und Fische in Zeitung gewickelt“, sagt die Winterhuderin, die „aus Solidarität mit den jungen Leuten“ mitmacht. Sie hat Joghurt und Quark gekauft, die sie in Dosen füllt. „Aus Plastik, aber wiederverwendbar.“

Aktion war genehmigt

Die leeren Becher wirft sie in die Einkaufswagen, die dafür bereitstehen. Zwei davon werden an diesem Abend bis zum Rand gefüllt. „Die Menge ist für die Umwelt erschreckend, aber für unsere Aktion natürlich ein Erfolg“, sagt Steffen Wolff. Bevor sie gehen, entsorgen die Aktivisten die Verpackungen in den dafür vorgesehenen Behältern im Kassenbereich. Die Geschäftsführung hatte die Aktion genehmigt.