Hamburg. Über alle Schulformen hinweg hat sich das Verhältnis bei der Wahl der zweiten Fremdsprache in Hamburg verändert.
Drei Tage hat Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) vergangene Woche in Marseille verbracht. Der Besuch in Hamburgs Partnerstadt galt allgemein als Erfolg, atmosphärisch ebenso wie mit Blick auf einige konkrete Vereinbarungen im Hafenbereich. Dass Tschentscher sich bei Bedarf auch auf Französisch verständigen konnte, hat dabei nicht geschadet.
Doch allen guten Beziehungen der Hansestadt nach Frankreich zum Trotz: Französisch ist in Hamburg auf dem absteigenden Ast und nur noch Fremdsprache Nummer drei. Im vergangenen Schuljahr 2017/2018 ist die letzte Bastion gefallen: Auch auf den Gymnasien hat Spanisch Rang zwei (hinter Englisch) erobert. Exakt 18.735 Gymnasiasten lernten Spanisch und 18.638 Französisch – das geht aus Angaben der Schulbehörde auf Abendblatt-Anfrage hervor. Zehn Jahre zuvor sah es noch völlig anders aus: Im Schuljahr 2008/2009 hatten noch 22.614 Gymnasiasten Französisch gepaukt, aber nur 11.448 Schüler Spanisch.
Französischunterricht „stressig und grammatiklastig“
Über alle Schulformen gerechnet, hat Spanisch schon vor einigen Jahren Rang zwei erobert: 2008/2009 hatten in Hamburg 32.539 Schüler Französisch gelernt, was 14,6 Prozent des Fremdsprachenunterrichts ausmachte. Spanisch lag damals mit 20.315 Schülern und 9,1 Prozent Anteil am Unterricht auf Rang drei – nur knapp vor Latein (18.020 Schüler/8,1 Prozent). Im Jahr 2013/2014 kippte das Verhältnis jedoch, und im vergangenen Schuljahr lag Spanisch mit 34.218 Schülern und 12,9 Prozent Anteil am Fremdsprachenunterricht klar auf Rang zwei vor Französisch (29.164 Schüler/11,0 Prozent) und Latein (13.974/5,3 Prozent).
Bemerkenswert: Damit hat die Sprache von Balzac und Molière nicht nur relativ, sondern auch absolut an Beliebtheit eingebüßt – und das in einem stark wachsenden Schulsystem.
Mit dem Angebot steigt auch die Nachfrage
„Das ist eine Entwicklung, die wir schon seit einiger Zeit verfolgen“, sagt Christian Helmchen, wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Didaktik der romanischen Sprachen an der Universität Hamburg. Zuletzt sei in zwei Masterarbeiten untersucht worden, warum Französisch als zweite Fremdsprache an Beliebtheit verliere. „In den Befragungen von Hamburger Schülern kam heraus, dass sie den Französischunterricht als sehr stressig und grammatiklastig empfinden“, sagt Helmchen. Zudem hätten Schüler bemängelt, dass sie sich auf Französisch erst nach längerer Zeit so äußern könnten, dass dadurch Gespräche möglich werden.
Dem Forscher zufolge ist der Französischunterricht immer noch stark von der Grammatik geprägt, die in separaten Unterrichtseinheiten gelehrt werde, wohingegen die Grammatik im Englisch- und auch im Spanischunterricht nicht so sehr im Fokus stehe. Die früher oft geäußerte Annahme, dass Französisch als „Mädchenfach“ gilt und deshalb von Jungen vergleichsweise selten gewählt wird, ließ sich in den Studien nicht bestätigen, sagt Christian Helmchen.
Spanisch gilt als globale Sprache, die Vorteile bringt
Spanisch gelte unter Schülern wie Studierenden als globale Sprache, deren Beherrschung berufliche Vorteile verspreche. Lateinamerika werde zunehmend als attraktiver Wirtschaftsmarkt wahrgenommen. „Viele unserer Spanisch-Studierenden zieht es inzwischen sogar eher nach Lateinamerika als nach Spanien – das war früher anders“, sagt Helmchen.
Die Schulbehörde hat noch weitere Erklärungen für das Phänomen: So sei 2008 an vielen Schulen nur Französisch oder Latein als zweite Fremdsprache angeboten worden. In den Folgejahren hätten aber immer mehr Schulen Spanisch angeboten, und damit sei auch die Nachfrage gestiegen. Außerdem steige auch der Anteil an Schülern spanischer Herkunft, sodass es auch mehr herkunftssprachliche Angebote gebe.
Zahlreiche Schulpartnerschaften
Ungeachtet dieser Entwicklung gibt es gerade im Bildungsbereich enge Beziehungen zwischen Hamburg und Frankreich. Neben dem seit 1987 bestehenden privaten Lycée français sind laut Schulbehörde in der Hansestadt seit 2003 drei bilinguale Gymnasien gegründet worden: Gymnasium Othmarschen, Gymnasium Osterbek und das Gymnasium Süderelbe. An jeder der drei Schulen würden jeweils zehn bis zwölf Schüler pro Jahr das „Abibac“, also ein deutsch-französisches Abitur, ablegen. Für das Jahr 2020 sei die Gründung eines deutsch-französischen Gymnasiums vorgesehen.
Darüber hinaus bestünden zahlreiche Schulpartnerschaften zwischen Hamburg und Frankreich: 43 Gymnasien und 17 Stadtteilschulen beteiligten sich zuletzt an Schüleraustauschen. Eine Besonderheit gibt es an der Schule Hinter der Lieth in Lokstedt: Dort wird Französisch als reguläres Unterrichtsfach ab Klasse eins angeboten. Nicht zuletzt steht der Bürgermeister persönlich für das Thema: Denn Tschentscher ist auch Bevollmächtigter der Bundesrepublik für deutsch-französische kulturelle Angelegenheiten.