Hamburg. Erstmals in der Firmengeschichte der Hamburger Optikerkette fehlen auf der Hauptversammlung der Gründer und sein Sohn.

Wer einen Platz in den vorderen Reihen ergattert hatte, ahnte schon vor Beginn der Fielmann-Hauptversammlung, dass beim Aktionärstreffen der Hamburger Optikerkette 2018 etwas anders sein würde als in den Vorjahren. Auf dem Podium im Mehr! Theater standen ordentlich aufgereiht die Namensschilder von Aufsichtsräten und Vorständen – aber der Name Fielmann war nicht darunter.

Kurz nach 10.00 Uhr löste Aufsichtsratschef Mark Binz das Rätsel. Firmengründer Günther Fielmann und Sohn Marc, seit April gleichberechtigte Vorstandschefs des MDAX-Konzerns, ließen sich krankheitsbedingt entschuldigen. Ein Raunen ging durch den Saal. Anwesend waren nur Günther Fielmanns geschiedene Ehefrau Heike und Tochter Sophie, 19.

Marc Fielmann, 28, sei zu Wochenbeginn mit unspezifischen Schmerzen ins Krankenhaus eingeliefert worden, erklärte Binz. Am Mittwochabend muss­te er sich wegen einer akuten Blinddarmentzündung einer Notoperation unterziehen. Alles sei positiv verlaufen, so der oberste Fielmann-Aufseher. Marc müsse aber die nächsten Tage noch in der Klinik bleiben. Am Morgen hatte Fielmann junior via Textnachricht mitgeteilt, dass es ihm schon wieder gut gehe. Bereits am Montag wird er an seinem Arbeitsplatz zurückerwartet.

Kursabsturz: Finanzchef verzichtet auf Erklärung

Günther Fielmann habe der unklare Gesundheitszustand seines Sohnes so mitgenommen, dass er auf Anraten seiner Ärzte die Teilnahme an dem Aktionärstreffen absagen musste, berichtete Binz weiter. Eine Premiere in der Geschichte der Optikerkette. Bereits zuvor war öffentlich geworden, dass der Erfinder des „Brillenchics zum Nulltarif“ – wie schon bei der Vorstellung der Bilanz – den Hauptteil der Vorstandspräsentation im Mehr! Theater eigentlich Sohn Marc überlassen wollte.

Erst im vergangenen Jahr hatte der 78 Jahre alte Seniorchef sein Vorstandsmandat bis 2020 verlängert. Immer wieder war in der Vergangenheit über seinen Gesundheitszustand spekuliert worden. Er hatte aber stets bekräftigt, dass er den Posten weiter ausfüllen wolle. Bei der Vorbereitung der Hauptversammlung, betonte Binz, hätten Vater und Sohn dann auch gemeinsam Regie geführt.

Und so begann Finanzvorstand Georg Alexander Zeiss seine Ausführungen auch mit einem typischen Fielmann-Satz: „Über Fielmann gibt es Positives zu berichten.“ Es folgte eine Auflistung neuer Rekorde für 2017 beim Absatz (8,1 Millionen Brillen), Umsatz (1,39 Milliarden Euro), Gewinn (172,9 Millionen nach Steuern) und der Dividende. Sie steigt – für die Anleger erfreulich – zum 13. Mal in Folge auf 1,85 Euro je Aktie.

Auf die jüngsten Kursverluste, das Papier war nach einer Gewinnwarnung für das erste Halbjahr Ende Juni um mehr als 20 Prozent abgestürzt, ging der Finanzchef in seiner Rede nur am Rande ein. „Fielmann ist ein Familienunternehmen. Wir denken langfristig“, lauteten die ebenfalls sonst für Günther Fielmann typischen Sätze.

Fielmann will sich im zweiten Halbjahr erholen

Die harmonische Grundstimmung im mit 1450 Aktionären gut gefüllten Saal wurde durch den jüngsten Kursrückgang nicht getrübt. „Das ist ein Absturz, den alle Aktien mal haben. Mich beunruhigt das nicht“, sagte Aktionär Robert Higgins, der extra aus Goslar angereist war. Er habe sogar die Chance genutzt, direkt Aktien nachzukaufen. Und Karl Bauer hat nach dem Kursrückgang sein Fielmann-Depot verdoppelt.

Bedenken für die künftige Konzernentwicklung hat er nicht. „Aber ich möchte Infos haben und den Vorstand hören“, sagte der Hamburger, der bereits seit dem Börsengang Fielmann-Aktien besitzt. Die Anteilseigner stehen offensichtlich zu „ihrem“ Unternehmen. So gab es schon zu Beginn der Hauptversammlung Applaus, als auf die Inthronisierung der Fielmann-Doppelspitze hingewiesen wurde.

In seiner Präsentation nannte Finanzvorstand Zeiss als Gründe für das Gewinnminus im ersten Halbjahr von sechs Prozent auf 116 Millionen Euro unter anderem höhere Personalkosten von etwa zehn Millionen Euro. Die Belegschaft in den europaweit 723 Filialen sei um 649 Mitarbeiter auf 18.522 gestiegen. Hinzu kämen Investitionen in die Digitalstrategie in Höhe von zwei Millionen Euro, die Schwäche des Franken und die Vorlaufkosten für die Expansion in Italien. Zeiss machte aber auch deutlich, dass er im zweiten Halbjahr mit besseren Zahlen rechne. „Für das Gesamtjahr erwarten wir ein Ergebnis auf Vorjahresniveau.“

Aktionär: „Man muss Vertrauen haben“

Für das weitere Wachstum, der Umsatz soll in den nächsten fünf Jahren auf 2,5 Milliarden Euro steigen, setzt Fielmann auf größere Filialen und weitere Eröffnungen in Europa. Dabei schaut das Unternehmen vor allem auf den italienischen Markt. Langfristig sieht die von Marc Fielmann vorangetriebene Expansion in dem südeuropäischen Land 40 Niederlassungen und einen Umsatz von 80 Millionen Euro vor. Konkrete Zahlen über Erlöse und Erträge in Italien nannte Zeiss allerdings nicht. Nur so viel ließ sich der Finanzvorstand entlocken: „Die ersten Filialen machen Gewinn.“

Die Entwicklung in Italien war einer der wenigen Punkte, bei denen die Redner aus dem Kleinaktionärskreis kritisch nachfragten. Während die Vertreter von Aktionärs-Schutzgemeinschaften Mühe hatten, „angesichts der kontinuierlich positiven Entwicklungen“ neue Fragen zu stellen, kritisierte Einzelaktionär Udo Rüther aus Wuppertal die dürren Informationen zur Digitalstrategie und zu den Gründen für die Gewinnwarnung.

Trotz des Kursabsturzes fiel aber auch Rüthers Bilanz positiv aus: „Man muss Vertrauen haben, dass das Unternehmen richtig handelt.“ Dabei spiele der Übergang an der Spitze eine wichtige Rolle. „Ich habe das Gefühl, dass der reibungslos verläuft.“

Der Kurs der Aktie am Tag der Hauptversammlung wies ebenfalls in eine positive Richtung. Die Aktie legte um 0,9 Prozent auf 58,20 Euro zu. Und auch die Firmenkontrolleure glauben offensichtlich an das Papier, wie zwei aktuelle Pflichtmitteilungen zeigen: Aufsichtsrat Hans-Georg Frey investierte einen fünfstelligen Betrag in die Optiker-Kette, Aufsichtsratschef Mark Binz sogar einen sechsstelligen.