Hamburg/Kabul. Der 23-Jährige soll acht Jahre lang in Deutschland gelebt haben, zuletzt in Hamburg. Das sagen die Behörden zu dem Fall.

Ein vor einer Woche aus Deutschland abgeschobener afghanischer Asylbewerber hat sich nach seiner Rückkehr erhängt. Der Mann, der zuletzt in Hamburg gelebt hatte, sei am Dienstag in einer von der Internationalen Organisation für Migration (IOM) zur Verfügung gestellten vorübergehenden Unterkunft in Kabul aufgefunden worden, sagte ein hochrangiger Mitarbeiter des Flüchtlingsministeriums in Kabul am Mittwoch. Der Mann aus der nordafghanischen Provinz Balkh sei 23 Jahre alt gewesen und habe acht Jahre lang in Deutschland gelebt.

23-Jähriger war verurteilter Straftäter

Nach Angaben des Bundesinnenministeriums (BMI) und aus dem Flüchtlingsministerium in Kabul hatte der junge Mann in Hamburg gelebt. Die Hamburger Behörden weisen darauf hin, dass Hamburg nach Afghanistan nur Straftäter und Gefährder abschiebe, sowie Menschen, die sich der Identitätsfeststellung verweigerten. Der betroffene 23-Jährige sei rechtskräftig wegen Diebstahls, versuchter gefährlicher Körperverletzung, Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte und Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz verurteilt worden, sagte ein Sprecher der Hamburger Ausländerbehörde am Mittwoch. Es hätten noch weitere Strafanzeigen unter anderem wegen Raubes und gefährlicher Körperverletzung gegen den Mann vorgelegen.

Der Afghane war den Angaben zufolge 2011 eingereist und hatte im selben Jahr einen Asylantrag gestellt. Dieser sei 2012 abgelehnt worden. Die dagegen eingereichte Klage sei 2017 mit einem Beschluss des Verwaltungsgerichts zurückgenommen worden, weil sie vom Kläger nicht weiter betrieben worden war.

Ungewöhnlich viele abgelehnte Asylbewerber zurückgebracht

Kurz danach habe der Mann im März 2017 noch eine Duldung bekommen, weil die Abschiebung aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht vollziehbar war. Er sei vor einer Woche abgeschoben worden, weil er nun vollziehbar ausreisepflichtig gewesen sei, sagte der Sprecher des Hamburger Einwohnerzentralamts. Der Afghane sei ledig gewesen und habe keine Kinder gehabt.

Mit dem jüngsten Abschiebeflug aus Deutschland hatten Bund und Länder 69 Passagiere und damit ungewöhnlich viele abgelehnte Asylbewerber nach Afghanistan zurückgebracht. Allein Bayern hatte 51 Afghanen in den Flieger gesetzt, der am Abend des 3. Juli in München gestartet war. Außerdem hatten sich laut Bundesinnenministerium die Länder Hamburg, Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Berlin, Rheinland-Pfalz, Hessen und Schleswig-Holstein an der Abschiebung beteiligt.

Seehofer: "Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69"

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hatte sich noch am Dienstag zufrieden über die hohe Zahl der Abgeschobenen geäußert. „Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 – das war von mir nicht so bestellt – Personen nach Afghanistan zurückgeführt worden. Das liegt weit über dem, was bisher üblich war“, sagte der CSU-Chef bei der Vorstellung seines „Masterplans Migration“ in Berlin.

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt mahnte: „Abschiebungen eignen sich nicht für Scherze.“ Bei Seehofer seien Entscheidungen über Menschenleben deshalb „in schlechten Händen“. Unabhängig von den genauen Umständen dieses Falles sei die Verzweiflungstat eines jungen Menschen zu bedauern. „Es ist verantwortungslos, dass immer mehr Menschen nach Afghanistan in eine ungewisse Zukunft geschickt werden.“

Die Hamburger Bürgerschaftsfraktion DIE LINKE fordert SPD-Innensenator Grote auf, jede weitere Abschiebung nach Afghanistan zu unterlassen. „Wer nach Afghanistan abschiebt, nimmt den Tod in Kauf“, so Schneider. „ Deshalb muss es einen bundesweiten sofortigen Abschiebestopp geben. Der Forderung nach einem Rücktritt oder der Entlassung Seehofers, der sich auf widerwärtig-zynische Weise über die 69 jüngst abgeschobenen Geflüchteten lustig gemacht hat, schließen wir uns an.“

Seehofer verweist auf Hamburger Behörden

Seehofer hat den Selbstmord des Flüchtlings bedauert. „Das ist zutiefst bedauerlich, und wir sollten damit auch sachlich und rücksichtsvoll umgehen“, sagte der CSU-Chef am Mittwochabend in Innsbruck. Der Flüchtling sei dem Innenministerium von der Stadt Hamburg für die Abschiebung gemeldet worden. „Die Bundesländer führen uns diese Personen zu, und wir unterstützen die Bundesländer bei diesen Abschiebungen.“ Man müsse die Hamburger Behörden fragen, „warum sie diese Person vorgeschlagen haben“.

Seinen Tonfall bedauerte Seehofer am Mittwoch nicht: „Das wusste ich gestern nicht. Das ist heute in der Früh bekannt geworden“, sagte er über den Selbstmord des Asylbewerbers. Er, Seehofer, habe am Dienstag gesagt: „Wie das Leben oft so spielt. Hab sogar noch dazu gesagt: Nicht organisiert. Und dann wird da etwas draus gemacht.“