Hamburg. Aber der Großaktionär der Hamburger Reederei verteilt auf der Hauptversammlung auch das eine oder andere Lob.

Wenn auf Hauptversammlungen von börsennotierten Firmen die Aktionäre das Wort ergreifen, kann es etwas langatmig werden. Häufig gibt es ausschweifende Statements, die nicht enden wollen. Es kann aber auch ein Raunen durch den Saal gehen und die Spannung bei den Zuhörern spürbar steigen. Letzteres ist am Dienstag im Hotel Grand Elysée an der Rothenbaumchaussee geschehen.

Doch der Reihe nach: Um 10.30 Uhr beginnt das Aktionärstreffen von Hapag-Lloyd. Vorstandschef Rolf Habben Jansen hält eine 24-minütige Rede zur Lage der Reederei. Die wichtigsten aktuellen Botschaften: Die Frachtraten – also die Transportpreise für Container – sind aufgrund erhöhter Schiffsauslieferungen unter Druck, die Bunkerkosten (Ölpreise) und Charterraten sind deutlich gestiegen.

„Dadurch haben wir einen kurzfristigen Druck auf der Kostenseite“, sagt der Niederländer. Deshalb habe man „Maßnahmen eingeleitet“, um Kosten zu senken. Beispielsweise soll verstärkt teurere Ladung an Bord genommen werden und bei Terminalverträgen Geld gespart werden.

Applaus für „ein gutes Jahr“

Für das vergangene Geschäftsjahr spricht er von der erfolgreichen Fusion mit United Arab Shipping Company (UASC), einem mehr als verdreifachten operativen Ergebnis vor Zinsen und Steuern (Ebitda) auf 411 Millionen Euro und einem „guten“ Jahr für den Aktienkurs, der von Januar bis Dezember 2017 um 47 Prozent zugelegt habe.

Dafür bekommt er im Anschluss viel Zustimmung von Aktionärsvertretern. „Sie haben das letzte Jahr als ein gutes Jahr bezeichnet – dem können wir uns anschließen“, sagt Markus Neumann von der Schutzgemeinschaft der Kleinanleger (SdK). Er wirbt im Saal sogar um Applaus für das Management. Das Publikum kommt dieser Aufforderung nach.

Besorgnis über hohe Verschuldung

Auch André Sosat von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) schert in den Gratulantenchor ein. Beide Anlageexperten zeigen sich allerdings auch besorgt über die hohe Verschuldung der Reederei, die Entwicklung der Frachtraten und das Auszahlen einer Dividende in Höhe von 100 Millionen Euro an die Anteilseigner, obwohl unterm Strich nur 32 Millionen Euro verdient wurden. Und Sosat ist zudem überrascht über die Ende Juni gesenkte Gewinnprognose.

Statt der im März von Habben Jansen noch angekündigten deutlich steigenden Gewinne, soll das operative Ergebnis in diesem Jahr schlimmstenfalls nur noch bei der Hälfte liegen und sich somit zwischen 200 und 450 Millionen Euro bewegen. Das schickte den Aktienkurs seitdem auf Talfahrt.

Klaus-Michael Kühne verteilt als erstes Kritik

In diese Kerbe schlägt gegen kurz vor halb zwölf als letzter Redner der Aktionäre auch Klaus-Michael Kühne. Der 81-Jährige hatte zuvor unprätentiös in der Mitte des Saals Platz genommen, geht zum Rednerpult und rüffelt als Erstes den Versammlungsleiter und Hapag-Lloyd-Aufsichtsratsvorsitzenden, Michael Behrendt. Dieser hatte den Milliardär, der rund 25 Prozent der Anteile hält, in seiner Begrüßung ausnahmsweise persönlich erwähnt und dessen Anwesenheit als „ganz besondere Freude“ bezeichnet. Schließlich habe Kühne viel für den Bestand von Hapag-Lloyd in der Hansestadt getan. Er brauche keinen Personenkult und keine besondere Vorstellung, kontert Kühne: „Ich fühle mich als einer von vielen Aktionären.“

Als Nächstes kritisiert Kühne, dass die auf dem Podium sitzenden Aufsichtsräte und Vorstände immer wieder von hinten Zettel mit Informationen zugeschoben bekamen. „Vorstände und Aufsichtsräte brauchen keine Spickzettel“, so Kühne. Dann teilt er zunächst Lob für das „in der Tat erfreuliche Jahr“ mit der ersten Dividendenzahlung seit dem Börsengang im November 2015 aus und bedankt sich persönlich bei Habben Jansen. „Ihre Arbeit muss man wirklich sehr lobend herausheben.“ Die Fusion mit UASC sei ein richtiger Schritt gewesen, das Wachstum der Reederei stabil, die Flotte habe sich verbessert. Das habe ihm „den Anlass gegeben, weitere Aktien von Hapag-Lloyd zu kaufen“.

Kühne will keine Übernahme durch CMA CGM

Der in der Branche spekulierten Übernahme durch CMA CGM erteilt Kühne eine Absage: „Wir wollen uns nicht von den Franzosen übernehmen lassen.“ Später erklärt er dem Abendblatt, dass die Franzosen 2017 bei ihm schon vorgefühlt hätten. Aber sie wollten Hapag-Lloyd beherrschen. Das sei nicht infrage gekommen, da sei er sich mit den Großaktionären Hamburg (14 Prozent), CSAV aus Chile und dem Staatsfonds QIA aus Katar einig.

Zum Abschluss seiner knapp 15-minütigen Rede gibt es noch einmal Kritik. Die Gewinnwarnung hat ihn offenbar verärgert. Das Management habe diese Entwicklung selbst verursacht. Die Bunkerkosten seien erheblich gestiegen, man habe sie wegen zu langer Laufzeiten der Verträge aber nicht an die Kunden weitergeben können. Alle Reedereien hätten sich diesbezüglich nicht gut verhalten. „Reagieren Sie da schneller und flexibler“, fordert Kühne, der auch Mehrheitsaktionär der Spedition Kühne + Nagel ist, und verlangt zugleich eine bessere Kommunikation mit Aufsichtsrat und Gesellschaftern. „Die Reeder sind unsere Partner, die Zuschläge müssen durchgesetzt werden.“

Der Gigantismus sei vorbei, sagt der Hapag-Lloyd-Chef

Nach der Fragestunde der Aktionäre stellt Habben Jansen die wichtigsten Positionen des Unternehmens klar. Mit weiteren Fusionen rechnet er derzeit außer von Nischenanbietern nicht. An den jüngsten Fusionsspekulationen sei nichts dran. „Ganz klar: Es gibt keine Gespräche von Hapag-Lloyd mit CMA CGM.“ Auch der Gigantismus sei vorbei. „Wir erwarten in den nächsten Jahren keine deutlich größeren Schiffe mehr“, sagt er und meint Frachter mit einer Kapazität von 25.000 und mehr Containern. Derzeit fassen die Riesen rund 20.000 Boxen. Die Bunkerkosten vorauszusagen sei derweil schwierig. „Da stehen wir in der Branche nicht allein.“ Auch bei den Frachtraten könne er für 2019 keine Prognose geben. Für 2018 hoffe er, dass sie sich bei rund 1050 Dollar auf Vorjahresniveau einpendeln.

Hoffnung für die Transportpreise äußert auch Commerzbank-Analyst ­Adrian Pehl. „Die Frachtraten sollten Potenzial haben, sich zu erholen“, sagt er dem Abendblatt. Auch weil nun weniger neue Schiffe abgeliefert werden. Für die Gewinnwarnung sei als zweiter Faktor vor allem der Ölpreis ausschlaggebend gewesen. Intern stimme die Kostenstruktur, die Synergien aus der UASC-Fusion griffen. Pehl bleibt für die Aktie zuversichtlich, senkte aber das Ziel für die nächsten zwölf Monate von 45 auf 40 Euro.

Die Opposition hofft derweil, dass die Gewinnwarnung den rot-grünen Senat wachrüttelt. Der internationale Handel bleibe aufgrund vieler politischer Konflikte ein schwieriges Geschäftsumfeld, sagt der Chef der FDP-Bürgerschaftsfraktion, Michael Kruse. „Die damit verbundenen Risiken sollten die Hamburger Steuerzahler nicht länger tragen. Es ist an der Zeit, dass der Bürgermeister den lange versprochenen Ausstieg aus Hapag-Lloyd vorbereitet.“