Hamburg. Analyse zu Ladensterben: “Händler müssen sich warm anziehen.“ Auch Neuer Wall betroffen. Eine Branche zieht es aber in die Innenstadt.
Die brummende Online-Konkurrenz und steigende Mieten stellen viele Einzelhändler in der Innenstadt vor Probleme – nun wird erstmals das ganze Ausmaß der Schwierigkeiten sichtbar. Nach einer Untersuchung des internationalen Marketingunternehmens Jones Lang LaSalle (JLL) sind 16 der 209 Ladenflächen (acht Prozent) in den Spitzenlagen der Stadt inzwischen für Interessenten verfügbar.
Das Unternehmen spricht von tiefgreifenden Veränderungen, die sich in der City abzeichneten: „In den vergangenen vier Dekaden hatten wir in diesem Bereich praktisch keinen Leerstand“, sagt Dirk Wichner, Abteilungsleiter bei JLL. „Das ist vorbei.“ Weil Spitzenmieten von bis zu 330 Euro nicht mehr zu tragen seien, hatte etwa bereits im vergangenen Jahr die auf hochwertige Damen- und Herrenmode spezialisierte Boutique von Uli Knecht am Neuen Wall geschlossen.
Banken und Versicherungen ziehen sich zurück
Für seine Untersuchung hat JLL die Situation in insgesamt neun deutschen Großstädten analysiert und jeweils eine sogenannte Verfügbarkeitsquote berechnet; darin sind neben leer stehenden Flächen auch solche Geschäfte enthalten, bei denen der bisherige Betreiber oder der Eigentümer einen neuen Mieter suchen oder der Mietvertrag in spätestens 18 Monaten ausläuft. Hamburg liegt dabei im Städtevergleich im Mittelfeld, die höchste Verfügbarkeitsquote weist derzeit Köln auf.
Es dauere inzwischen immer länger, einen neuen Betreiber für die Flächen in Innenstadtlagen zu finden, heißt es von dem Maklerunternehmen. Während sich Gastronomiebetriebe verstärkt in den Innenstädten ansiedeln, sind 80 Prozent der verfügbaren Ladenflächen bisherige Textilgeschäfte. „Auch Banken und Versicherungen ziehen sich zunehmend aus den Innenstädten zurück“, sagt Dirk Wichner.
Händler sollten sich zusammenschließen
Als Immobilie in „Spitzenlage“ hatte JLL nur jene Flächen berücksichtigt, die nahe an den höchsten Mietpreisen liegen oder zu den meistfrequentierten Adressen gehören – der westliche Teil des Neuen Walls ist nicht mehr darunter. Auch der östliche Teil der Innenstadt müsse sich angesichts des geplanten Einkaufszentrums am Überseeboulevard in der HafenCity „warm anziehen“, heißt es von den Maklern. Zusammenschlüsse der Händler zu einem Business Improvement District seien deshalb sinnvoll.
Wichner betonte jedoch , dass sich der Handel in den vergangenen Jahrzehnten „unnatürlich ausgedehnt“ habe. „Die Tendenz geht da hin, dass sich die Menschen nun die Innenstädte zurückholen.“ Das bedeute etwa mehr Gastronomie. Dieser Prozess müsse aber auch politisch gesteuert werden – es sei etwa unverständlich, warum Hamburg „noch PS-Boliden in diesen Bereichen fahren lässt“. Auch die Sicherheitslage am Jungfernstieg sei ein wesentlicher Faktor für Besucher und den Erfolg der Einzelhändler.