Hamburg. Karstadt und Kaufhof planen Fusion. Experte sieht keinen Platz für beide Warenhäuser an der Mönckebergstraße.

Man muss nicht schon im Rentenalter sein, um sich noch daran erinnern zu können, dass es in Hamburg einmal Warenhäuser von sieben verschiedenen Ketten gab: Außer den Filialen von Karstadt und Kaufhof fanden daneben auch Hertie, Horten, im Billigbereich die Karstadt-Tochter Kepa und Woolworth sowie Anfang der 1970er-Jahre kurzzeitig sogar Kaufhäuser der Otto-Gruppe ihre Kunden.

Doch während die einst als „Konsumtempel“ geltenden Warenhäuser damals bundesweit noch 14 Prozent der gesamten Einzelhandelsumsätze erwirtschafteten, kommen Karstadt und Kaufhof Galeria, die beiden verbliebenen unter den klassischen Anbietern, heute zusammen auf einen Anteil von nicht einmal mehr einem Prozent.

Wenn es nach dem kanadischen Kaufhof-Eigentümer Hudson’s Bay Company (HBC) und dem österreichische Karstadt-Eigner René Benko geht, soll es künftig nur noch einen Warenhauskonzern in Deutschland geben. Dem Vernehmen nach haben HBC und Benko am Dienstag eine Absichtserklärung unterzeichnet, wonach die beiden Ketten in ein Gemeinschaftsunternehmen eingebracht werden sollen.

In Hamburg gibt es sechs Karstadt-Kaufhäuser

Der „Wirtschaftswoche“ zufolge lautet der Titel des Papiers „Vereinbarung zu einer Fusion unter Gleichen im europäischen Warenhaus-Geschäft“, wobei die operative Führung bei Karstadt liegen werde. HBC bliebe mit einem Minderheitsanteil an der neuen Firma beteiligt.

In Hamburg gibt es sechs Karstadt-Kaufhäuser und – einschließlich Norderstedt – drei räumlich davon getrennte Filialen von Karstadt Sports, während Kaufhof noch zwei Warenhäuser in der Hansestadt betreibt. Betrachtet man die Karte der Standorte, fällt eine Überschneidung sofort auf: Die „Flaggschiffe“ der beiden Wettbewerber liegen an der Mönckebergstraße nur rund 300 Meter voneinander entfernt.

„Solche Konstellationen sehe ich äußerst kritisch“, sagte dazu Jörg Funder, Professor für Unternehmensführung im Handel an der Hochschule Worms, dem Abendblatt. Er hält es für wahrscheinlich, dass nach Abschluss der angestrebten Fusion eine der beiden Großfilialen aufgegeben und in ein Einkaufszentrum mit selbstständigen Händlern umgewandelt wird.

Insidern zufolge sollen nach einem Zusammengehen von Karstadt und Kaufhof, die bundesweit 82 beziehungsweise 96 Filialen betreiben, zwischen fünf und 15 davon geschlossen werden. „Das dürften politisch motivierte Angaben sein, an die ich nicht glaube“, so Funder. Außerhalb von Großstädten benötige ein Warenhaus einen Einzugsbereich von rund 150.000 Einwohnern, und daraus lasse sich ableiten, dass deutschlandweit auf längere Sicht wohl nicht viel mehr als 80 Standorte eine Zukunft haben würden.

Kaufhof hat in Hamburg 300 Mitarbeiter

Besonders schnell könnten Einsparungen aber in den Zentralen realisiert werden – „von denen man dann ja eigentlich auch nur noch eine bräuchte“, sagte Thomas Roeb, Handelsexperte an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg, dem Abendblatt. Bei Karstadt macht man sich große Sorgen um die Konzernzentrale in Essen mit knapp 1000 Beschäftigten. Dieser Standort steht ­angeblich auf dem Prüfstand. „Viele Kollegen sind empört, und die Verunsicherung ist sehr groß“, sagt Arno Leder, Betriebsratschef der Essener Hauptverwaltung. Der Wettbewerber Kaufhof hat seinen Sitz in Köln. Dem Vernehmen nach gibt es aber auch Erwägungen zu einem Umzug an einen sogenannten neutralen Ort in Nordrhein-Westfalen.

In Hamburg hat Kaufhof etwa 300 Mitarbeiter, bei Karstadt sind es ungefähr dreimal so viele. „Sollten sich die Fusionspläne konkretisieren, stehen für uns die Standort- und Beschäftigungssicherung sowie die Frage der Tarifbindung im Vordergrund“, sagt Heike Lattekamp, Landesfachbereichsleiterin Handel bei der Gewerkschaft Ver.di in Hamburg: „Dazu werden wir uns dann auch einmischen.“

Während Kaufhof noch dem Flächentarifvertrag unterliegt, arbeiten die Karstadt-Beschäftigten schon seit vielen Jahren zu schlechteren Konditionen. Lattekamp bleibt angesichts des aktuellen Sachstands aber noch gelassen: „Es ist ja nicht das erste Mal, dass über einen Zusammenschluss gesprochen wird.“

Tatsächlich hat es mindestens seit 2007 immer wieder Anläufe dazu gegeben. Erst vor wenigen Monaten hatte HBC ein drei Milliarden Euro schweres Kaufangebot des österreichischen Karstadt-Eigentümers für Kaufhof und ein damit verbundenes Immobilienpaket abgelehnt. Auch die aktuellen Gespräche könnten durchaus noch scheitern, verlautete aus Verhandlungskreisen.

Branchenexperte Roeb erwartet allerdings eher, dass man die Ziellinie erreicht: „Die Wahrscheinlichkeit, dass es diesmal zu einem Zusammenschluss kommt, dürfte bei mehr als 50 Prozent liegen. Denn er wäre für beide Seiten attraktiv.“ Wie es heißt, würden HBC voraussichtlich rund 900 Millionen Euro für den Anteil am operativen Geschäft und den Immobilien zufließen. Hinzu komme, so Roeb: „Die Regie über die Kaufhof-Häuser würde jemand übernehmen, der schon bewiesen hat, dass er so etwas kann.“ Denn Karstadt-Chef Stephan Fanderl hatte für das abgelaufene Geschäftsjahr immerhin einen kleinen Gewinn von 1,4 Millionen Euro ausgewiesen, während bei Kaufhof ein Verlust von 100 Millionen Euro angefallen sein soll.

Kaufhäuser haben nur im Hochpreissegment Chancen

Beide Warenhausunternehmen hatten in den zurückliegenden Jahren angesichts der rasanten Wachstumsraten von Onlinehändlern wie Amazon oder Zalando stark an Marktanteilen eingebüßt. Schließlich war ein Vorteil, den die Kaufhäuser früher stets ins Feld führen konnten, verloren gegangen: Wie breit auch immer das Angebot an unterschiedlichen Warengruppen ist – das Internet bietet unendlich viel mehr.

Zwar setze Karstadt inzwischen stark auf eine Verzahnung zwischen dem klassischen und dem Online­geschäft, sagt Roeb. „Das allein wird aber nicht reichen.“ Notwendig sei, die Auswahl und die Präsentation auch für jüngere Menschen interessanter zu machen. Nach Einschätzung von Funder können Warenhäuser nur überleben, indem sie zu echten „Erlebnisorten werden und mit gutem Service ein gehobenes Preisniveau rechtfertigen können“.

Ein solches Kaufhaus gibt es in Hamburg schon – das Alsterhaus. Der Traditionsstandort am Jungfernstieg ist von den Verhandlungen zwischen den Eignern von Karstadt und Kaufhof allerdings nicht berührt: Schon vor drei Jahren hatte René Benko die drei Premium-Häuser in Hamburg, Berlin (KaDeWe) und München (Oberpollinger) mehrheitlich an thailändische Investoren verkauft.