Hamburg. Verband warnt vor „menschlicher Katastrophe“. Krisengipfel geplant. Operation Sophia läuft Ende des Jahres aus.
Deutsche Reeder schauen mit Sorge auf die wieder wachsende Zahl an Flüchtlingen, die über das Meer nach Europa kommen wollen. „Seitdem sich die europäischen Staaten auf die Operation Sophia und die Ausweitung der Operation Triton verständigt haben, wird die deutsche Handelsschifffahrt deutlich entlastet, weil die Aufnahme der Flüchtlinge in der Regel jetzt von staatlichen Schiffen übernommen wird“, sagte das geschäftsführende Präsidiumsmitglied des Verbands Deutscher Reeder (VDR), Ralf Nagel, dem Abendblatt. „Das schließt aber dennoch nicht aus, dass deutsche Reeder nach wie vor auch zu Rettungseinsätzen gerufen werden.“
Insbesondere seit dem Fall des dänischen Containerschiffs „Alexander Maersk“, das in der vergangenen Woche 108 Flüchtlinge aus dem Mittelmeer gerettet und in einen italienischen Hafen gebracht hat, wächst bei den deutschen Reedern die Sorge, in das Flüchtlingsdrama wieder hineingezogen zu werden. „Die deutschen Handelsschiffe waren insbesondere zu Beginn der Flüchtlingswelle massiv betroffen“, so Nagel. Allein die im Mittelmeer stark vertretene Hamburger Reederei OOC Opielok Offshore Carriers habe bei neun Rettungsaktionen mehr als 1500 Geflüchtete aus Seenot gerettet.
Menschliche Katastrophe
Die Schiffe seien einerseits dazu verpflichtet, Menschen in Seenot aufzunehmen. Die Einsätze würden von den jeweils zuständigen Seenotrettungsstellen im Mittelmeer koordiniert und überwacht. Andererseits seien die Schiffe dafür überhaupt nicht ausgerüstet, erinnert Nagel: „Es handelt sich nicht um normale Seenotrettungssituationen, wie man sie kennt, wenn Schiffbrüchige aufgenommen werden sollen oder Ähnliches. Sondern was sie hier antreffen, ist eine menschliche Katastrophe: hundert oder mehr Menschen; Schwangere, Kinder, Kranke – alle völlig erschöpft, dehydriert und größtenteils traumatisiert. Darauf sind die Mannschaften nicht vorbereitet.“
Besondere Sorge bereitet den Reedern, dass die Operation Sophia Ende des Jahres ausläuft. „Sie muss aus unserer Sicht unbedingt verlängert werden“, so Verbandschef Nagel.
Die Handelsschifffahrt sei selbstverständlich dazu bereit, in Not befindlichen Menschen zu helfen. „Sie ist aber nicht Teil der politischen Lösung und darf es auch nicht werden“, betonte Nagel. Allerdings sei der Reederverband Teilnehmer einer Arbeitsgruppe, in der Vertreter der betroffenen Staaten, Grenzschutzbehörden und Marineorganisationen über die Problematik der Flüchtlingssituation im Mittelmeer beraten und Möglichkeiten der Kooperation ausloten. „Auf unsere Einladung hin findet die nächste Konferenz Mitte September in Hamburg statt“, so Nagel.