Hamburg. ... bei der Integration von Flüchtlingen in Hamburg bleibt noch viel zu tun, sagen Bürgerinitiativen, SPD und Grüne.
Bei der Umsetzung der vor zwei Jahren beschlossenen Bürgerverträge zur Unterbringung von Flüchtlingen ist Hamburg ein gutes Stück vorangekommen – gleichwohl gibt es noch eine Menge zu tun. Diese Zwischenbilanz haben am Mittwoch im Rathaus die Chefs der rot-grünen Regierungsfraktionen und Vertreter des Dachverbands der Initiativen für erfolgreiche Integration gezogen.
Von einer „insgesamt positiven Entwicklung“ sprach Klaus Schomacker, Vorsitzender des Dachverbands, der 14 Initiativen in Hamburg vertritt. Der Verband nutzt zur Bewertung der umgesetzten Maßnahmen ein Ampelsystem. „Es gibt deutlich mehr Grün bei den Ampeln insgesamt“, sagte Schomacker. 43,4 Prozent der in ganz Hamburg umgesetzten Maßnahmen seien vertragskonform – im Juli 2017 galt dies nach Ansicht des Dachverbands erst für 28,3 Prozent der Maßnahmen. Eine Vertragsabweichung gebe es aktuell bei 16,4 Prozent der Maßnahmen – von 19 Prozent war noch ein Jahr zuvor die Rede gewesen.
„Wohnungsmarkt für Flüchtlinge öffnen“
Etliche Probleme bestünden weiter, sagte Schomacker. An mindestens 38 Standorten seien mehr als 300 Flüchtlinge untergebracht. Für die größte dieser Folgeeinrichtungen am Mittleren Landweg in Bergedorf sei es „nicht absehbar“, dass dort wie vereinbart bis Ende des Jahres nur noch 1500 statt 2500 Menschen untergebracht sein werden.
Nach Angaben des Zentralen Koordinierungsstabs Flüchtlinge gibt es in Hamburg noch zehn Erstaufnahmen, in denen im Mai 2736 Menschen untergebracht waren, und 126 Folgeunterkünfte mit 32.246 Plätzen. Die Unterbringungszeit in Folgeunterkünften sei im Durchschnitt auf mehr als drei Jahre gestiegen, hieß es vom Dachverband der Initiativen. „Um dieser Situation entgegenzuwirken, gibt es zum jetzigen Zeitpunkt nur die Möglichkeit, den Wohnungsmarkt für Flüchtlinge zu öffnen“, sagte Vertrauensmann Harald Lübkert.
Pläne für gemischte Quartiere
Der Dachverband fordert außerdem, dass die Stadt mehr Sozialwohnungen baut und davon eine „relevante Zahl“ für Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive bereitstellt. Zudem müsse für die nächsten drei Jahre eine „bestimmte Anzahl“ der Wohnungen des städtischen Unternehmens Saga für Flüchtlinge reserviert werden. Weitere Forderungen nennt der Dachverband in einem „Masterplan Bauen und Integration“, den er auch online veröffentlicht hat (www.gute-integration.de). SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf sagte, er sehe feste Quoten für Flüchtlinge in Sozialwohnungen „sehr kritisch“. Viele Hamburger warteten auf eine Sozialwohnung. „Ich möchte, dass es da eine Gleichbehandlung gibt.“
Kienscherf betonte, dass in mindestens 80 Folgeeinrichtungen jeweils weniger als 300 Menschen untergebracht seien und dass der Senat sein Wort gehalten habe, nachdem er 2015 zusichert hatte, dass auch in neuen Einrichtungen nicht mehr als jeweils 300 Menschen untergebracht werden würden. In den seit 2015 im Schnellverfahren errichten Wohnungen, die nur anfangs schwerpunktmäßig für Flüchtlinge genutzt werden sollen, seien weniger Flüchtlinge untergebracht worden als geplant. Bebauungspläne, die nötig sind, um nicht belegte Wohnungen auch normal zu nutzen und so künftig gemischte Quartiere zu ermöglichen, seien „weit fortgeschritten“.
Fortschritte in Kitas und Schulen
Fortschritte seien auch bei der Integration von Flüchtlingen in Kitas und Schulen erreicht worden. „Aber auch hier sind weiterhin große Anstrengungen notwendig“, so der SPD-Fraktionschef. Er bedankte sich bei „den vielen Hamburgerinnen und Hamburgern, die durch ihren ehrenamtlichen Einsatz oder ihre finanzielle Hilfe die Integration der Geflüchteten unterstützen“.
Nach den Worten von Grünen-Fraktionschef Anjes Tjarks hat der vor zwei Jahren erzielte Konsens das gesellschaftliche Klima in Hamburg nachhaltig positiv beeinflusst. „Die Integration gelingt ganz praktisch“, sagte Tjarks. Die Zahl der jährlich abgeschlossenen Ausbildungsverhältnisse von Flüchtlingen habe sich von 2015 auf 2017 mehr als verdoppelt, die Zahl der in sozialversicherungspflichtigen Jobs beschäftigten Flüchtlingen sei von 2016 bis 2017 um 40 Prozent gestiegen, die Zahl der tatverdächtigen Asylbewerber um 25 Prozent zurückgegangen. Auch Tjarks räumte jedoch ein: „Es steht noch Arbeit an.“
Kritik von der CDU
„Leider hält sich der Senat zu oft nicht an die gemachten Zusagen oder interpretiert diese sehr eigenwillig“, sagte Franziska Rath von der CDU. „So bedeutet für ihn Durchmischung nicht eine Durchmischung von Hamburgern und Flüchtlingen, sondern soziale Durchmischung, also zum Beispiel von Flüchtlingen in Ausbildung und Flüchtlingen im Rentenalter.“ Zudem konzentriere sich der Senat zu sehr auf die Unterbringung und vernachlässige Fragen der Integration.
Zwei Jahre nach dem Konsens habe der Senat nicht mal die Hälfte seiner Zusagen eingehalten, sagte Christel Nicolaysen von der FDP-Fraktion. „Auch partielle Erfolge bei der Umsetzung der Bürgerverträge können die drastischen Defizite nicht überdecken. Wir brauchen echte Durchmischung in Schulen, Kitas und in den Quartieren sowie koordinierte Integrationsprojekte.“
Der rot-grüne Senat hatte sich 2016 mit der Volksinitiative „Hamburg für gute Integration“ auf Kernpunkte zur Unterbringung von Flüchtlingen geeinigt. Zuvor gab es die Sorge, dass eine Unterbringung in wenigen, aber sehr großen Unterkünften die Integration der Flüchtlinge erschweren könnte. Ergebnis der Verhandlungen waren die Bürgerverträge.