Hamburg . Über das Hamburger Online-Portal können Kunden gebrauchte Luxusmarken anbieten und kaufen. 120.000 Produkte findet man dort.
Man sieht es ihr nicht an. Feines schwarzes Leder, golden glänzende Metallbeschläge, der geprägte Namenszug auf der Vorderseite. Das ist eine Handtasche der französischen Luxusmarke Céline, genauer, eine Belt Bag. Was für ein schönes Luxusteil! Neupreis ab 1400 Euro. Aber Johanna Eggers schüttelt nur leicht den Kopf. Sie ist Marken-Expertin und bei Rebelle.com, einer der bekanntesten Plattformen für gebrauchte Designermode in Deutschland, für die Echtheitsprüfung verantwortlich. Bei genaueren Untersuchung zeigte sich: Das Leder riecht irgendwie komisch, das Metall der Beschläge ist ein bisschen zu gelb, der Schriftzug nicht ganz perfekt. „Eine Fälschung“, sagt Prüferin Eggers, „sehr gut gemacht.“
Was ist echt?
Und kein Einzelfall. Eggers sitzt mit ihrem Team an einem großen Tisch in der Rebelle-Zentrale in der Hamburger Speicherstadt. Jeder Artikel, der über das Online-Portal angeboten wird, muss durch die Begutachtung. 1500 sind es im Schnitt am Tag. Wer einige Hundert oder auch 1000 Euro für ein Kleid, eine Tasche oder ein Paar Sandalen zahlt, will natürlich keinen Fake. „Man bekommt ein Gefühl dafür“, sagt Björn Holzhauer. „Auch wenn die Fälscher immer besser werden.“ Der studierte Modedesigner krempelt gerade das Innenfutter einer Dior-Handtasche um, auf der Suche nach der Seriennummer. Da ist sie. Die helle Ledertasche ist das, was sie vorgibt zu sein: eine echte Lady Dior. Sie hat zwar leichte Gebrauchsspuren, auf dem virtuellen Marktplatz der Eitelkeiten wird sie trotzdem noch 1800 Euro bringen.
Zu haben sind auch Pumps von Prada, Röcke von Moschino, Kleider von Jil Sander, Loafers von Tod’s, Koffer von Louis Vuitton – das Geschäft mit Secondhand-Edelmode aus dem Internet hat sich in den vergangenen Jahren massiv entwickelt. Ganz vorn mit dabei: das Hamburger Start-up Rebelle. „Aktuell haben wir 120.000 Artikel online“, sagt Geschäftsführerin Cécile Wickmann. Das Prinzip ist einfach: Wer ein hochpreisiges Markenteil zu Geld machen möchte, kann es über die Internetplattform zum Verkauf anbieten. Als Vermittler verdient Rebelle über die Provisionen. „Es läuft sehr gut. Der Luxusgütermarkt ist seit Jahren stabil“, sagt die 34-Jährige Chefin, die das Unternehmen 2013 gemeinsam mit ihrem Geschäftspartner Max Schönemann gegründet hatte – damals mit einem Angebot von knapp 1000 Artikeln. Das „Re“ in Rebelle steht für Re-Commerce und „belle“ für „die Schöne“.
60 Prozent der Transaktionen im Ausland
„Wir haben Wachstumsraten von jährlich 50 Prozent“ , sagt Wickmann. Konkrete Geschäftszahlen nennt sie nicht. In den vergangenen Jahren haben die Start-up-Unternehmer mehrere Finanzierungsrunden gedreht. Zuletzt warben sie im November 2017 ein Investment von mehreren Millionen Euro unter Führung der Friheden Invest A/S ein, einer Firma des dänischen Modeunternehmers Niels Martinsen, der unter anderem am Label Tiger of Sweden beteiligt ist. Damit will das Managementteam, das selbst nur noch Anteile im kleineren zweistelligen Bereich hält, das internationale Geschäft weiter ausbauen. Schon jetzt werden knapp 60 Prozent aller Transaktionen von Kunden außerhalb Deutschlands getätigt. Gerade bereiten die Hamburger die Expansion im traditionell luxusaffinen Italien vor. „Nächstes Jahr wollen wir den internationalen Umsatz auf 70 Prozent steigern“, sagt Wickmann.
Neues Logistikzentrum
In dem alten Speicher am Brooktorkai steht ein großes Tor offen. Gleich kommt die erste Lieferung aus dem Logistikzentrum in Hammerbrook, wo seit Kurzem Eingang, Verpackung und Versand ausgelagert sind. „Wir platzen aus allen Nähten“, sagt Cécile Wickmann, an diesem Tag in einem weißen Oberteil des Londoner Designlabels Erdem. 70.000 Vintage-Modeträume sind über diverse Böden und verschiedene Eingänge des Gebäudes verteilt, sozusagen in Erwartung auf eine zweite Chance, getragen und geliebt zu werden. In den meisten Fällen klappt es binnen Jahresfrist. „Es gibt einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel“, erklärt Wickmann den Secondhand-Trend. „Besitz wird mehr und mehr zum temporären Konzept.“ Und Vintage ist längst mehr als der englische Begriff aus der Weinsprache für „guter Jahrgang“.
Bestseller sind Taschen, Kleider, Mäntel, vor allem von wertbeständigen Edelmarken wie Hermès, Chanel und Louis Vuitton. Die ganz besonderen Schätze liegen in einem abgedunkelten Raum, ähnlich einem Tresor: Denn anders als in den Geschäften gibt es im Secondhand-Markt auch schon mal besonders rare Modelle, wie etwa eine Himalaya Birkin Bag von Hermès aus weißem Albino-Alligatorenleder. Rebelle-Preis: 70.000 Euro. Nicht gerade ein Schnäppchen, eher ein Sammlerstück und eine Wertanlage.
Gründerin wohnt in Eppendorf
Wickmann kommt aus der Modewelt, kennt die schnellen Umdrehungen besonders angesagter Must-Haves, die astronomischen Preise der Designerlabels und hat selbst einen Hang zum Luxus. Als die Betriebswirtin ihre Sachen nach der Studentenzeit in ihrem Berliner Elternhaus abtransportieren sollte – zusammen mit dem Kleiderschrank voller Designerklamotten, stieß sie auf eine US-Plattform, über die sie ihre Schätze zu Geld machen konnte. Die Initialzündung für Rebelle, die sie zusammen mit Schönemann während einer Station bei Hanse Ventures mit der Gründung der Betreibergesellschaft StyleRemains zielstrebig umsetzte. „Ich kaufe schnell mal ein Teil, trenne mich aber auch schnell“, sagt Wickmann und lacht.
Gerade hat sie mal wieder ein paar Sachen aus der Wohnung in Eppendorf, in der sie mit ihrem Ehemann lebt, aussortiert und will sie zum Kauf anbieten. Darunter eine weiße Handtasche des französischen Luxuslabels Givenchy aus einer limitierten Edition. Kaufpreis: 1700 Euro. „Es waren zwei glückliche Jahre“, sagt Wickmann, „aber ich habe bemerkt, dass ich sie selten nutze.“
200.000 registrierte Kunden
Dabei gelten für die Chefin die gleichen Bedingungen wie für alle anderen Verkäufer. In der Regel sind es ein bis zwei Artikel, die verkauft werden sollen. Manchmal aber auch mehr, so wie unlängst bei einer Hamburgerin. Sie hatte den persönlichen Kundendienst bestellt und 1000 Teile abholen lassen. „Das war ein ganzer Lieferwagen voll“, sagt Wickmann. Jeder Artikel wird auf Echtheit und Qualität geprüft, beim sogenannten Concierge-Service zudem gelagert, vermessen, fotografiert und taxiert. Damit sind 110 Mitarbeiter beschäftigt. Aktuell hat die Seite 200.000 registrierte Kunden und eine Million Besucher im Monat. Die Verkäufer bekommen den vereinbarten Preis abzüglich der Provision von maximal 28 Prozent sowie einer möglichen Bearbeitungsgebühr – oder sie spenden den Erlös an eine gemeinsam mit dem Kinderhilfswerk Plan International ins Leben gerufene Charity-Initiative.
Veränderte Wertschätzung für Vintage
„Das Bewusstsein für Luxusmarken ist in der Breite der Gesellschaft angekommen“, sagt Peter Erich Seebacher, Professor für Modedesign an der HAW Hamburg. Das habe sich in den vergangenen Jahren massiv geändert, vor allem durch die Verbreitung über soziale Netzwerke. Zugleich hat sich auch der Secondhand-Markt gewandelt. „Vor 30 Jahren galt gebrauchte Kleidung noch als etwas nur für arme Leute und war in bürgerlichen Kreisen absolut verpönt.“ Heute gehe es bei Mode aus zweiter Hand mitunter sogar weniger um den Preis als um Individualität. „Vintage hat heute die Aura eines Sammlerstücks und macht es besonders reizvoll.“ Der Markt, da ist sich der Mode-Experte sicher, werde sich in den nächsten Jahren weiterentwickeln.
Neben Rebelle.com, das sich als Online-Marktplatz für Highend-Secondhand-Damenmode versteht, hat sich in Hamburg Buddy & Selly als Direkt-Ankäufer für getragene Designermode für beide Geschlechter positioniert. Der Ankaufshop ist inzwischen nach Blankenese umgezogen, alternativ können die Kunden ihre Artikel kostenfrei einsenden. Binnen 48 Stunden werden sie bewertet, und ein Preisvorschlag wird unterbreitet, verspricht das Unternehmen. Verkauft wird unter anderem über die Internetseite Vite EnVogue, die ebenfalls zum Betreiber Reverse-Retail GmbH gehört. Nach einem ähnlichen Geschäftsmodell arbeitet seit mittlerweile mehr als 15 Jahren Cash4Brands mit Sitz in Ahrensburg, die im vergangenen Jahr den insolventen Anbieter Secondherzog übernommen hat. Das Unternehmen betreibt einen Ankaufshop in Eppendorf. Aktuell sind knapp 30.000 Artikel online. Einer der größten Anbieter weltweit ist zudem das amerikanische Portal The RealReal.
Mehr als fünf Prozent der Wareneingänge gefälscht
Bei Rebelle in Hamburg ist die erste Tageslieferung inzwischen angekommen, drei werden es insgesamt sein. Die Kleiderstangen der Marken-Prüfer füllen sich, Taschen, Schmuck und Schuhe stapeln sich auf dem großen Tisch. Mehr als fünf Prozent der Produkte, die durch die Hände der Echtheits-Detektive gehen, sind gefälscht. „Tendenz steigend“, sagt Teamleiterin Johanna Eggert. Allen Verkäufern wird angeboten, die enttarnten Imitate zurückzuschicken. Ob dahinter eine bewusste Täuschung steckt oder ob jemand selbst reingelegt wurde, interessiert sie nicht. „Aber die meisten“, sagt Eggert, „wollen sie nicht zurückhaben.“