Hamburg . Anfang 2017 erhielt das Jobcenter Bramfeld per anonymer Post sechs mit Geld gefüllte Umschläge. Warum, ist bis heute unklar.

Am Morgen des 16. Januar 2017 werden in der Poststelle des Jobcenters an der Bramfelder Straße 121 die Briefe geöffnet. Normalerweise ist deren Inhalt in etwa so spannend wie das Studium des Telefonbuchs. Doch heute gibt es Überraschungspost: Sechs der Umschläge bergen ein Rätsel – eines, das das Bramfelder Jobcenter weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt machen wird.

6000 Euro in vier Umschlägen

Eigentlich fließt Geld vom Jobcenter an bedürftige Hamburger Leistungsempfänger, stadtweit rund 102 Millionen Euro, Monat für Monat. Doch an diesem Tag, es ist ein Dienstag, bekommt das Jobcenter Geld. Vier Umschläge liegen da, jeweils gefüllt mit 6000 Euro, ein Umschlag mit 5810 Euro und ein weiterer mit 1366 US-Dollar, insgesamt 30.000 Euro. Die Mitarbeiter trauen ihren Augen kaum. Wer bitteschön schickt dem Jobcenter so viel Geld? Und vor allem: Warum?

In den Wochen danach beherrschen die mysteriösen Briefsendungen den Flurfunk im Bramfelder Jobcenter. Als der Fall sechs Monate später, vor genau einem Jahr, bekannt wird, sorgt er bundesweit für Schlagzeilen. Doch was ist mit dem Geld seither passiert?

Bundesbank nimmt Geld in Verwahrung

Wie es sich für eine Körperschaft des öffentlichen Rechts gehört, folgt auch der Weg des Geldes festen Regeln. Zwei Mitarbeiter der Zentrale von Jobcenter team.arbeit.hamburg holen die 30.000 Euro kurz nach dem spektakulären Fund Mitte Januar 2017 in Bramfeld ab und bringen sie zur Filiale der Deutschen Bundesbank an der Willy-Brandt-Straße. Wenig später stellt das Jobcenter Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft Hamburg – Verdacht auf Sozialleistungsmissbrauch. Außerdem wird das örtlich zuständige Polizeikommissariat eingeschaltet.

Auf Spurensuche geht auch das Jobcenter selbst: Fieberhaft versuchen Mitarbeiter, die Umschläge einem Absender zuzuordnen. Einen Ansatzpunkt bieten Zettelchen mit handschriftlichen Notizen, sie sind den Umschlägen beigefügt. Auf einem steht in Großbuchstaben, fast entschuldigend: „Das ist Geld, was ich beim Amt nicht angegeben habe.“ Die Notizen werden mit Unterschriften auf Hunderten beim Jobcenter hinterlegten Dokumenten verglichen. Die Polizei wiederum versucht, die Geldscheine anhand ihrer Seriennummer zurückzuverfolgen. Fingerabdrücke lassen sich auf den Umschlägen allerdings nicht mehr sicher identifizieren – sie sind schlicht durch zu viele Hände gegangen.

Will sich Hartz-IV-Empfänger freikaufen?

Auch wenn sich der Absender auf diese Weise nicht ermitteln lässt, so bestehen am Motiv keine Zweifel mehr. Da will sich jemand, offenbar ein ehemaliger „Hartz IV“-Empfänger, von seiner Schuld „freikaufen“. Die Rückzahlung einer durch Leistungsbetrug erschlichenen Geldsumme könne zwar einen „erheblichen Strafmilderungsaspekt“ darstellen, insbesondere wenn die Tat noch nicht so lange zurückliege, so Oberstaatsanwältin Nana Frombach. Sie schütze allerdings nicht vor Strafverfolgung. Denn sollte der unbekannte Beschuldigte das Sozialsystem missbraucht und den Staat betrogen haben, läge eine Straftat vor – und die sei zu verfolgen und zu ahnden. Plagten den Absender moralische Skrupel? Oder leistete er nur deshalb Wiedergutmachung, um seinen Kopf aus der Schlinge zu ziehen und seiner Strafe zu entgehen? Man wird es wohl nie erfahren. Die Staatsanwaltschaft hat das Ermittlungsverfahren offiziell eingestellt „mangels konkreter Ermittlungsansätze“, wie es heißt.

"Geld kommt Steuerzahlern zugute"

Mit dem Ende der Ermittlungen geht das Geld wieder auf die Reise: Die bei der Bundesbank geparkten 30.000 Euro fließen auf das Konto der Bundesagentur für Arbeit und werden „haushälterisch den Mitteln des Bundes für Regelleistung und Sozialgeld zugeführt“, sagt Jobcenter-Sprecherin Heike Böttger. Ihr Chef Dirk Heyden formuliert es etwas griffiger: „Das Geld kommt den Steuerzahlern zugute.“