Hamburg. Dirk Kienscherf kündigte sehr schnelle eine Neufassung der Mietpreisbremse an – und irrte sich.
Am Ende war es nur noch eine Formsache: „Nein“, sagte der stellvertretende Senatssprecher Sebastian Schaffer auf Nachfrage in der Landespressekonferenz. Der Senat habe sich in seiner Sitzung am Dienstag nicht mit dem Thema Mietpreisbremse beschäftigt. Vor fast einer Woche hatte das Landgericht das Rechtsinstrument in einem Verfahren für unwirksam erklärt. Nun muss der Senat seine Verordnung nachbessern, wenn er an seiner politischen Zielsetzung, den rasanten Mietpreissteigerungen Einhalt zu gebieten, festhalten will.
Senatssprecher Schaffer wies darauf hin, dass der Senat vor einer Novellierung der Verordnung über die Mietpreisbremse erst die schriftliche Urteilsbegründung des Landgerichts auswerten wolle. „Die Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen, Dorothee Stapelfeldt (SPD), hat direkt nach der Urteilsbegründung am Donnerstag der vergangenen Woche gesagt, dass der Senat zeitnah, möglichst vor Monatsfrist, die Mietpreisbegrenzungsverordnung neu erlassen will“, sagte auch Behördensprecherin Barbara Ketelhut.
Weiß der eine im Rathaus nicht, was der andere tut?
Aus dem Mund von SPD-Bürgerschaftsfraktionschef Dirk Kienscherf hatte das in der vergangenen Woche jedoch völlig anders geklungen. „Es ist richtig, dass der Senat am kommenden Dienstag eine juristisch wasserdichte Neufassung der Mietpreisbremse beschließen will“, hatte Kienscherf am Donnerstag gesagt. Davon war nun nicht mehr die Rede. Wie passt das zusammen? Weiß die eine Seite im Rathausbündnis nicht, was die andere tut?
„Der ursprüngliche Plan war ein anderer, aber die schriftliche Urteilsbegründung kam nicht rechtzeitig“, verteidigt Kienscherf im Gespräch mit dem Abendblatt seine Aussage. Ob die Neufassung der Verordnung nun „eine Woche früher oder später kommt, macht keinen großen Unterschied“, findet der SPD-Politiker andererseits. „Ich war in der Ankündigung etwas mutiger, aber ich bin auch nicht in der Senatsverantwortung“, sagt Kienscherf. Die forsche, direkte Art scheint ein Markenzeichen des SPD-Fraktionschefs zu werden, der seit gut zwei Monaten im Amt ist.
Kritik hatte Kienscherf auch mit recht deutlichen Äußerungen zum Urteil des Landgerichts in Sachen Mietpreisbremse auf sich gezogen. „Ich kann die Entscheidung des Gerichts nicht nachvollziehen. Sie ist nicht im Interesse der Mieterinnen und Mieter unserer Stadt“, hatte Kienscherf nach der Urteilsverkündung gesagt.
Bei Kienscherfs Parteigenossen kommt seine Art an
Kritiker warfen ihm daraufhin unangemessene „Gerichtsschelte“ vor. „Vielleicht hätte ich mich etwas anders ausdrücken können“, räumt der SPD-Politiker ein. „Ich habe das Urteil bewertet, schließlich hat es in Hamburg auch andere Urteile zur Mietpreisbremse gegeben. Natürlich akzeptieren wir die Entscheidung des Landgerichts, aber wir können sie eben nicht nachvollziehen“, sagt Kienscherf.
Das Landgericht hat die Mietpreisbremse in zweiter Instanz in einer Einzelentscheidung wegen formaler Fehler für unwirksam erklärt. Zentraler Punkt: Der Senat hatte mit der Verordnung über die Mietpreisbremse nicht gleichzeitig die Begründung veröffentlicht. Gegen den Spruch des Landgerichts will der Mieterverein vor ein Bundesgericht ziehen.
Bei seinen Abgeordnetenkollegen in der SPD-Fraktion scheint das forsche Vorgehen des Vorsitzenden durchaus anzukommen. „Kienscherf nimmt auch den Senat mal richtig ran und kein Blatt vor den Mund“, sagte ein sozialdemokratischer Abgeordneter. Während der Regierungszeit des fast allmächtigen Ersten Bürgermeisters Olaf Scholz (SPD) haben sich die SPD-Parlamentarier bisweilen nur als eine Art Anhängsel gefühlt. So gesehen, stärkt Kienscherf mit seinen Äußerungen das Selbstbewusstsein der Regierungsfraktion.
Kienscherf zur CDU-Idee: „Ballermann-Promenade“
„Ich habe auch mal den Mut, ein paar deutliche Worte zu bringen“, sagt der SPD-Fraktionschef über sich selbst. Politiker dürften sich nicht verbiegen, sondern sollten möglichst authentisch sein. Allerdings müsse er bei manchen Äußerungen „noch einen Mittelweg finden“. Jedenfalls eine Provokation ist Kienscherf auch mit seiner Replik auf den Vorschlag der CDU gelungen, die Innenstadt durch Pontons mit Freiflächen und Gastronomiebetrieben zu beleben. „Die Binnenalster darf nicht durch leichtfertige Vorschläge zu einer Ballermann-Promenade verkommen, die Binnenalster muss erkennbar bleiben“, sagte Kienscherf zu den Plänen, die CDU-Fraktionschef André Trepoll am Montag vorgestellt hatte.