Hamburg. Tausende radeln bei Sternfahrt mit und fordern weitere Verbesserungen. Tschentscher: Radfahren keine Spielerei am Rande.

Es ist für Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) die erste Sternfahrt – und eine gute Gelegenheit, mal wieder aufs Fahrrad zu steigen. „Früher war ich aktiver Radfahrer; heute habe ich kaum noch Zeit dazu“, sagt er, während er am „Promi-Startpunkt“ an der Wandsbeker Chaussee auf den Tross wartet, der aus östlicher Richtung zum Rathausmarkt unterwegs ist – und dem er sich, gemeinsam mit seiner Stellvertreterin Katharina Fegebank (Grüne), Verkehrssenator An­dreas Rieckhof (SPD), anschließen will.

Nach Polizeiangaben beteiligten sich 8000 Menschen (Veranstalter: 28.000) an der Sternfahrt, die ein Bündnis mehrerer Umwelt- und Verkehrsverbände unter dem Namen „Mobil ohne Auto“ seit 1995 organisiert. Mit dem Slogan „Hamburg wird Fahrradstadt“ fordern sie bessere Be­dingungen für Radfahrer.

Paradiesische Zustände

An den Veranstaltungstagen herrschen für Radler paradiesische Zustände: 22 Routen, die von 80 Startpunkten in und um Hamburg in die City führen, werden vorübergehend für den Autoverkehr gesperrt, auch Fußgängerampeln bremsen hier niemanden aus. Die Krönung für Teilnehmer aus dem Süden und Westen der Stadt ist die Fahrt über die Köhlbrandbrücke. Dass sie gestern 45 Minuten auf die Überquerung warten mussten, weil ein auf der Brücke liegen gebliebener Lkw erst abgeschleppt werden musste, war den Veranstaltern zufolge der einzige störende Vorfall.

Mit seiner Teilnahme wolle er zeigen, dass Radfahren in Hamburg „nicht eine Spielerei am Rande“ sei, sagt Tschentscher, bevor er sich aufs Rad schwingt. Es sei bereits sicherer und komfortabler geworden – das habe er am Vortag auf der sanierten Fuhlsbüttler Straße, auf der Rad fahren früher mühsam und unsicher gewesen sei, selbst erleben können. Mitverantwortlich für den Ausbau des Radverkehrs ist Anjes Tjarks, Fraktionsvorsitzender der Grünen. Auch er fährt heute mit. „Wir haben schon viel getan, müssen aber noch mehr tun“, sagt er, bevor er auf sein Rennrad steigt.

Radfahren muss sicherer werden

An der 35-minütigen Fahrt zum Rathausmarkt beteiligen sich Fahrradfahrer mit ganz unterschiedlichen persönlichen Anliegen. Daniel Niehaus etwa will 1000 Karten verteilen, auf denen das Forum Verkehrssicherheit Radfahrer zu verantwortungsvollem Fahren anhalten will. „An jedem zweiten Unfall sind Radfahrer schuldig oder mitschuldig“, sagt er. „Die Hauptur­sache ist, dass sie als Geisterfahrer entgegen der Verkehrsrichtung fahren.“ Patrick Werner nimmt teil, weil er sich mehr StadtRäder in Wandsbek wünscht. „Dann würde ich häufiger das Rad benutzen“, sagt er. Pendlerin Brigitte H. tut das täglich, wenn sie von Eilbek zum Hauptbahnhof fährt. Sie wünscht sich, dass Radfahren in Hamburg sicherer wird. Wie in Bremen: „Dort ist das Radwegenetz besser ausgebaut, und man fährt sehr entspannt.“

„Der Senat hat erste Schritte zur Fahrradstadt gemacht und hat viele Kreuzungen umgestaltet“, sagt Uwe Jancke von „Mobil ohne Auto“. „Das kann aber nur der Anfang einer optimalen Verkehrsgestaltung sein.“ Weitere Fahrradstraßen wären notwendig, außerdem Abbiegeassistenten für Lastwagen. „Die Ausrede, Europa muss zustimmen, lassen wir nicht gelten. Hier geht es um Menschenleben.“

Gemächlich geht es gen Innenstadt. Am Straßenrand unterschied­liche Reaktionen: manche Fußgänger, die darauf warten, die Fahrbahn überqueren zu können, winken freundlich, andere sind sichtlich genervt. Am Steindamm heißt es aufpassen: Wegen einiger Zweite-Reihe-Parker verengt sich die Fahrbahn. Über den Glockengießerwall geht es zur Esplanade, wo das Einscheren der Radler aus dem Norden Aufmerksamkeit erfordert. Hier fahren Lars und Yvonne Nikukar aus Elmshorn mit. „Bei uns sind die Radwege ebenfalls verbesserungs­würdig“, sagen sie. Auch die Sicherheit sei ein Problem, sagen die vierfachen Eltern, besonders für Schulkinder.

Bei der Abschlusskundgebung auf dem Rathausmarkt spricht Hamburgs Radbeauftragte Kirsten Pfaue der Stadt beim Ausbau des Radverkehrs „Tatkraft und Entschlossenheit“ zu. „Derzeit sind mehr als 245 Baumaßnahmen und 150 Kilometer Radverkehrsanlagen geplant“, sagt sie. Sechs Korridore aus dem Umland würden geprüft, die Investitionen seien von zwölf Millionen Euro (2016) auf mehr als 16 Millionen Euro gestiegen. Radlerbeifall ertönt: lautes, vielstimmiges Fahrradklingeln.