Hamburg. Shoppen und Übernachten in einem: Auf St. Pauli hat der Discounter ein ungewöhnliches Gebäude errichtet. Was Lidl noch plant.

Unten ein normaler Supermarkt mit 1300 Quadratmetern, darüber ein Hotel mit fünf Stockwerken: Der Discounter Lidl hat vor wenigen Tagen an der Hamburger Holstenstraße ein ungewöhnliches Projekt realisiert. Nur einen Katzensprung von der Reeperbahn entfernt können Kunden jetzt Lebensmittel einkaufen und – wenn gewünscht – auch noch übernachten.

Das sechsstöckige, speziell auf dieses Grundstück zugeschnittene Gebäude mit heller Klinkerfassade und großen Fenstern schließt nach Angaben des Discounters eine 1999 entstandene Lücke auf dem Kiez. Damals hatte das Möbelgeschäft Brandes den Betrieb an dieser Stelle einstellen müssen.

Hotel betreibt Kette Prizeotel

Das Projekt hat Lidl gemeinsam mit dem Architekturbüro SKAI entworfen und das Grundstück nach der Baugenehmigung dann an den Investor May & Co. verkauft. Nun ist der Discounter Mieter im Erdgeschoss. Das darüber liegende Hotel mit 300 Zimmern wird von der Kette Prizeotel betrieben. "Mit der neuen Filiale sorgen wir dafür, dass der Kiez wieder einen modernen Nahversorger hat", sagt Niels Kratzin, Bereichsleiter des Lidl-Immobilienbüros Hamburg und verantwortlich für die Projektentwicklung in der Hansestadt.

"Lange haben wir mit verschiedenen Investoren über eine Nachnutzung des ehemaligen 'Möbel-Brandes'-Gebäude gesprochen", betont Michael Mathe, Leiter des Fachamts Stadt- und Landschaftsplanung im Bezirk Hamburg-Mitte. "Wir freuen uns, dass wir gemeinsam mit Lidl und May & Co. nun eine tragfähige und nachhaltige Lösung gefunden haben. Der Westrand von St. Pauli sei ein Standort mit nicht ganz einfachen Rahmenbedingungen.

Auch noch Kita mit Supermarkt geplant

Das Projekt an der Holstenstraße ist nicht das einzige ungewöhnliche Objekt des Discounters in der Hansestadt. So plant die Supermarktkette derzeit auch noch eine Filiale mit darüberliegender Kita und Studentenwohnungen in Hamburg. Diese soll an der Sülldorfer Landstraße entstehen und den alten Markt an dieser Stelle ersetzen, wie Lidl-Bereichsleiter Niels Kratzin dem Abendblatt sagte.

Dass Discounter immer häufiger ihre neuen Filialen mit anderen Projekten kombinieren, geschieht nicht ganz freiwillig. Neue Märkte sollen in Hamburg mittlerweile nur noch genehmigt werden, wenn darüber Wohnungen geplant werden.

Discounter zu Wohnungsbau zwingen

Vorreiter dieser „Discounter-Strategie“ ist in Hamburg der Bezirk Eimsbüttel, wo an jeden Bauantrag von Handelsketten konkrete Forderungen geknüpft sind. Aldi, Lidl und Co. werden damit nicht nur gezwungen, ihre zweckmäßigen Flachbauten aufzugeben, Wohnraum zu schaffen und in die Höhe zu bauen. Die Unternehmen schlüpfen auch vermehrt in die Vermieterrolle. Bei anhaltendem Zuzug versucht der Bezirk damit, die Wohnungsnot zu mindern.

Anfang des Jahres hatte Aldi-Nord bereits angekündigt, verstärkt in den Wohnungsbau einzusteigen. In Berlin etwa plant das Unternehmen an mindestens 30 Standorten gemischt genutzte Immobilien. Mehr als 2000 Wohnungen will der Handelsriese dort in Kombination mit seinen Märkten bauen.. Wie in Hamburg wird in der Hauptstadt mit enormem Bevölkerungswachstum gerechnet, Mietwohnungen werden gebraucht. Die „Wohn-Aldis“ bedienen diese Nachfrage.