Hamburg. Nordbahn befürchtet Nachteile. Verkehrsclub Deutschland prozessiert ebenfalls. Erster Spatenstich im September geplant.
Der erste Spatenstich für den neuen Fernbahnhof Altona am Diebsteich ist im September dieses Jahres geplant. Mit der Baustelleneinrichtung auf der Brachfläche wurde bereits begonnen, auch mit den Ausschreibungen einzelner Bauleistungen für das 360-Millionen-Euro-Projekt. Das bestätigte Azzeddine Brahimi, Leiter Großprojekt Hamburg-Altona, dem Abendblatt. Für die Deutsche Bahn (DB) sei der neue Fernbahnhof Altona eines der wichtigsten Bauvorhaben, mit dem sich das Verkehrsunternehmen für die Zukunft aufstelle, so Brahimi.
Allerdings gibt es Kritiker, die gegen eine Verlegung des Bahnhofs Altona sind: Nach Abendblatt-Informationen sind zurzeit drei Klagen gegen den Planfeststellungsbeschluss des Eisenbahnbundesamtes (EBA) für den neuen Fernbahnhof Altona vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Hamburg anhängig. Ein Verfahren ruht zurzeit. Das EBA hatte im Dezember 2017 grünes Licht für den Bau des neuen Fernbahnhofs gegeben.
Pikant: Eine Klage hat die Nordbahn eingereicht, die laut Gericht bei einer Verlegung des Bahnhofs eine Verringerung der bisher vorhandenen Abstellgleiskapazitäten und damit eine Einschränkung ihres Geschäftsbetriebs befürchtet. Die Nordbahn ist eine Tochter der Hamburger Hochbahn, die wiederum der Stadt Hamburg gehört und der AKN Eisenbahn AG, deren Anteilseigner Hamburg und Schleswig-Holstein sind. Eine Nordbahn-Sprecherin bestätigte, dass ein Rechtsstreit anhängig sei und sagte auf Abendblatt-Anfrage: „Im Planfeststellungsbeschluss sind relevante Themen, die die Nordbahn tangieren, nicht berücksichtigt, es geht um betriebliche Abläufe, die sich ändern würden. Dies wollen wir prüfen lassen. Wir sprechen bereits parallel mit der Deutschen Bahn darüber, wie eine Lösung aussehen könnte, und sind zuversichtlich, dass sich eine solche auch findet.“
Oberverwaltungsgericht entscheidet über Eilantrag
Eine weitere Klage hat der Verkehrsclub Deutschland (VCD), Landesverband Nord, erhoben. Der VCD hat zudem einen Eilantrag gestellt, um einen Baustopp zu erreichen. Über diesen Antrag werde das OVG voraussichtlich noch in diesem Sommer entscheiden, bestätigte Gerichtssprecher Jan Stemplewitz dem Abendblatt. Wenn das OVG dem Eilantrag stattgeben würde, dürfte die Deutsche Bahn nicht mehr am Diebsteich bauen, bis über die Klage des VCD entschieden ist.
Für den VCD Nord-Vorstand Rainer Schneider steht fest: „Wir halten die Planunterlagen des Eisenbahnbundesamtes für fachlich unzureichend. So fehlt eine der Bedeutung des Vorhabens angemessene verkehrlich-betriebliche Variantenbetrachtung, bei der auch der Fortbestand des Fernbahnhofs Altona Berücksichtigung findet.“ Auch die Bürgerinitiative Prellbock , die seit Kurzem ein Verein ist, möchte den neuen Fernbahnhof verhindern: „Wir erwarten eine massive Verschlechterung für Stammkunden, wenn Fern- und Regionalzüge künftig nicht mehr bis ins Herz des Bezirks Altona fahren können. Betroffen sind allein 11.000 Pendler, nicht zuletzt von Airbus, die für den Weg zur Arbeit zukünftig an der abseits gelegenen Station Diebsteich umsteigen und Fahrzeitverluste in Kauf nehmen müssen“, befürchtet Prellbock-Vorstand Andreas Müller-Goldenstedt.
Klagen stoßen auf Unverständnis bei SPD-Fraktionschef
Zu einzelnen Klagen vor dem OVG könne sich die DB nicht äußern, sagte Projektleiter Brahimi. Allerdings gibt sich Brahimi zuversichtlich: „Wir sind sicher, dass der vom EBA erlassene Planfeststellungsbeschluss nicht zu beanstanden ist und die Klagen dagegen deshalb aus unserer Sicht keine Aussicht auf Erfolg haben.“
Kein Verständnis für die Klagen hat SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf: „Auf bisher schon von der Bahn genutzten Gleisanlagen und Brachflächen entsteht nun ein neuer attraktiver Bahnhof. Es ist schon schwer verständlich, dass auch das auf Protest stößt.“ Aber es gebe anscheinend immer Menschen, die aus Prinzip gegen jegliche Veränderungen sind. Im Fall des Fernbahnhofs Diebsteich sei das allerdings eine völlig unverständliche Haltung, so Kienscherf weiter.
Sechs Gleise werden für den Fernverkehr gebaut
Welche Argumente sprechen für eine Verlegung des Fernbahnhofs an den Diebsteich? „Es ergeben sich dadurch bessere Umsteigemöglichkeiten zum Nahverkehr und kürzere Wege für Reisende im Fernverkehr sowie eine Entlastung des Hauptbahnhofes“, so Brahimi. Außerdem würden rund 138.000 Quadratmeter durch die Bahnhofsverlegung frei für eine Wohnbebauung. Zudem rücke der westliche Teil Schleswig-Holsteins noch näher an Hamburg heran, sagte Brahimi.
Verzögerungen kann sich die Deutsche Bahn nicht leisten, denn es gibt einen ambitionierten Zeitplan: Der Betrieb an dem Standort soll zum Fahrplanwechsel im Dezember 2023 aufgenommen werden. Dann wird der bisherige Bahnhof Altona nicht mehr von Fern- und Regionalzügen angefahren, auf der frei werdenden Fläche soll ab 2025 Wohnungsbau entstehen.
Drei neue Bahnsteige geplant
Am Diebsteich sind drei neue Bahnsteige mit sechs Gleisen für den Fern- und Regionalverkehr geplant und ein Bahnsteig mit zwei Gleisen für die S-Bahn, die die bisherige Station Diebsteich ersetzen und bereits im August 2020 in Betrieb gehen soll. Während der Bauarbeiten kann die S-Bahn-Haltestelle von Juli 2019 bis Juli 2020 nicht angefahren werden. In diesem Zeitraum werde es einen bedarfsgerechten Schienenersatzverkehr geben. Details würden sechs Monate vor Beginn der Baumaßnahme bekannt gegeben, kündigte Brahimi im Abendblatt-Gespräch an.
Im Zuge der Bauarbeiten wird es für die Fahrgäste ab Dezember 2018 zu weiteren Einschränkungen kommen: „Wegen der umfangreichen technischen Arbeiten an den Stellwerken wird es ab dem Jahr 2018 bis zur Inbetriebnahme des Fernbahnhofs Altona, jeweils im Zeitraum vom 25. Dezember für bis zu zehn Tage zu Vollsperrungen der Fern-und Regionalbahngleise zwischen Hamburg-Hauptbahnhof und Langenfelde kommen“, sagte Brahimi. Der S-Bahn-Verkehr bleibe davon unberührt. Für die Bahnkunden bedeutet das: „Züge aus dem Süden enden in diesem Zeitraum am Hauptbahnhof. Die Zugverbindungen aus dem Norden enden dann übergangsweise in Pinneberg. Für Reisende im Fernverkehr besteht weiterhin die Möglichkeit, dort in die S-Bahn sowohl in Richtung Hamburg-Hauptbahnhof als auch in Richtung Norden in Pinneberg umzusteigen“, so der Leiter Großprojekt Hamburg-Altona weiter.
Das neue Empfangsgebäude des Fernbahnhofs mit Reisezentrum wird von zwei Hochhäusern umgeben. Dort sind ein Hotel, Büros, sowie ein Fitnessstudio, ein Fahrradparkhaus, Einzelhandel und Gastronomie geplant. Vor Kurzem kamen bei einem Architektenwettbewerb, zu dem 13 Büros eingeladen waren, drei Entwürfe in die engere Auswahl. Die Jury wird am 27. Juni einen Sieger küren.