Hamburg/Helgoland. Der neue Katamaran Halunder Jet bringt Besucher in dreieinhalb Stunden auf die Hochseeinsel. Das Abendblatt war an Bord.
Michel und Elbphilharmonie sind noch in Sicht, da zischen Paul Schweder und seine drei Kumpels an ihrem Tisch auf dem Oberdeck schon die ersten Biere. Dazu ein paar Lachsbrötchen und schon nennt sich das Ganze Frühstück. Läuft bei den älteren Herren, die aufgebrochen sind zum Männerausflug nach Helgoland. Ruhig und fast geräuschlos hat sich währendessen der neue Katamaran Halunder Jetder Flensburger Reederei FRS um neun Uhr an diesem heißen Morgen von den Landungsbrücken aus mit 670 Passagieren in Bewegung gesetzt. Tschüs Hamburg, Helgoland, wir kommen!
Die Docks von Blohm & Voss backbord, die Fischauktionshallen und der Strand in Övelgönne steuerbord, an der Strandperle ist noch nichts los. An Bord des Katamarans, der seit Ende April im Dienst ist, herrscht dagegen Trubel, das Schiff ist ausgebucht. Auf den bequemen Pullman-Sesseln sitzen Paul Schweder, 77 Jahre alt, und Konsorten, trinken ihre Biere, reden über ihr gemeinsames Hobby – der Kleingärtnerei in der Nähe von Hagenbeck – und über den einen Freund, der seit vergangenem Jahr nicht mehr bei der jährlichen Männertour dabei ist, weil er verstorben ist. Das Speiseangebot an Bord passt, neben Lachsbrötchen gibt es den Matrosensnack mit Bier und Würstchen im Brötchen (sechs Euro). Die Astraknolle gibt es für 3,50 Euro. Die Servicekräfte haben viel zu tun, bringen die gewünschten Speisen zu den Sitzen. Wie im Flieger. Paul Schweder bestellt Nachschub.
Entschleunigen bei 37 Knoten
Vom Komfort und von der Bewegungsfreiheit her ähnelt der Katamaran-Törn einer ICE-Fahrt (allerdings mit funktionierender Klimaanlage und mit Frischluft auf dem Außendeck), fühlt sich aber an wie Fliegen. Das Brummen erinnert an die Geräuschkulisse über den Wolken, und so schnell düst hier sonst auch niemand über die Elbe – eine Ausnahmegenehmigung für das Hightech- und Hochgeschwindigkeitsschiff macht es möglich. Entschleunigen ist an Bord dennoch möglich.
Die vier Schwestern auf der Steuerbordseite vorn zeigen, wie entspannen geht. Soheyla Jahed, Susan, Mahoosh und Mojgan Jannati haben es sich auf dem Fußboden unterhalb der Brücke eingerichtet und klönen auf Persisch, ihrer Muttersprache. „Wir haben heute Schwesterntag und sprechen über alles, aber nicht über Probleme“, sagt Mojgan, mit 48 Jahren das Nesthäkchen. Die älteste im Schwesternquartett ist 60, alle arbeiten als Krankenschwestern. Alkohol schon am Morgen? Schwesterntag ist schließlich nur einmal im Jahr.
Hinter ihnen geht es dagegen ernster, aber keineswegs gänzlich spaßbefreit zu. Auf der Brücke steuert Kapitän Dirk von Appen den 57 Meter langen, bis zu 37 Knoten schnellen Katamaran. Zum Vergleich: Containerschiffe fahren hier mit lediglich zehn Knoten entlang. 17 Millionen Euro hat das Schiff gekostet. Statt Seefahrerromantik jede Menge Technik auf der Brücke. Von Appen, der früher auf Containerschiffen auf den Weltmeeren unterwegs war und auch schon den ebenfalls Halunder Jet genannten Vorgänger gefahren ist, steuert den Kat lediglich mit einem Drehknopf, der die Bewegung auf die vier Jets überträgt. Das sieht nach einer kinderleichten Fingerübung aus. „Für manche ist ein Katamaran gar kein richtiges Schiff“, sagt von Appen. Der 33-Jährige kann darüber nur lachen, weiß er es doch besser. 15 Tage ist der Kieler auf Elbe und Nordsee unterwegs und 15 Tage bei seiner Frau und den drei kleinen Kindern. Im Gegensatz zur Containerschifffahrt sei das sehr familienfreundlich.
Wind im Haar, Sonne im Gesicht – Urlaub
Langweilig sei es nicht, immer dieselbe Strecke zu fahren. Die besonderen Herausforderungen liegen im wechselhaften Wetter und in der Verkehrsdichte auf der Elbe. Und so schauen der Kapitän und sein Erster Offizier Oliver Bauer auch beim Gespräch stur geradeaus auf die Elbe. Es könnte ja sein, dass ein Segler im Weg liegt oder dass ein Reh von einem Elbufer ans andere schwimmt. Seemannsgarn? Keinesfalls, sondern tatsächlich so geschehen kurz vor Glückstadt. Das Reh hat es geschafft, manch andere nicht: Auch Wasserleichen haben Erster Offizier, Kapitän und der Leitende Ingenieur von der Brücke aus schon gesichtet.
Die vier fröhlichen und sympathischen Schwestern an Deck sind nicht die Einzigen, die ihre bequemen Sitze an Bord gegen die harten Bänke auf Deck tauschen. Die Sonne, die Wärme, das Elbpanorama locken nach draußen. Nach draußen zu gehen war auf dem Vorgänger-Katamaran zwar auch möglich, aber hier ist das Außendeck viel größer. Jetzt stehen Passagiere an der Reling und schauen auf das Kielwasser. Die Fahrspur hinter dem Schiff reicht scheinbar bis zum Horizont, und der Blick darauf hat etwas Meditatives. Wind in den Haaren, Wasserspritzer und Sonne im Gesicht. Das Urlaubsgefühl stellt sich sofort ein und verstärkt sich, je weiter der Kat in Richtung Cuxhaven und in die Deutsche Bucht mit Spitzengeschwindigkeiten bis zu 68 Kilometern pro Stunde rast.
Aus Flussschifffahrt wird ein Hochseetörn
Für Canan Häkel aus dem Bergischen und ihre Mutter Iris ist der Törn Teil ihres Urlaubs. Während Canans zweieinhalb Jahre ältere Schwester im Hospiz Sternenbrücke versorgt wird, nutzen die 18-Jährige und ihre Mutter die unbeschwerte Zeit. Eine Woche lang sind sie in Hamburg, gönnen sich eine Auszeit von der anstrengenden Pflege der Schwerstbehinderten. Und weil Canan eigentlich seekrank wird, ist die Fahrt auf dem relativ ruhigen Kat genau das Richtige. Als die 18-Jährige entdeckt, dass es kostenfreies WLAN an Bord gibt und sie ihr Handy am Sitz per USB-Port aufladen kann, sitzt sie lieber drinnen. Über die Flachbildschirme bekommt sie ohnehin mit, wo sich der Katamaran gerade befindet.
Auf der Nordsee in der Deutschen Bucht wird es dann aber doch schaukeliger. „Mensch!“, ruft einer der vielen Rentner auf dem Kat, „ich dachte, das Ding schaukelt nicht.“ Das Meer ist nicht die Elbe, aus der Flusskreuzfahrt wird ein Hochseetörn. Wer will, kann an Bord ein Sickness-Band gegen Seekrankheit für 9,90 Euro kaufen. An diesem ruhigen Sommertag im Frühling aber bleiben die Mägen ruhig.
Nach dreieinhalb Stunden legt der Katamaran auf Helgoland an. Etwa vier Stunden bleibt den Tagesgästen nun auf der roten Hochseeinsel, bevor es um 17 Uhr zurück nach Hamburg geht. Ein Tag, der sich anfühlt wie ein Urlaub.
Infos unter www.helgoline.de, Tickets ab 72,30 Euro, Kinder bis 14 Jahren ab 36,20 Euro, Familienticket ab 175,40 Euro. Täglich neun Uhr ab Landungsbrücken, Rückfahrt ab Helgoland dienstags und donnerstags um 17 Uhr, sonst 16.30 Uhr.
Was tun in vier Stunden auf der Insel?
Vom Anleger aus am Klippenrandweg im Oberland wandern. Ziel ist die Lange Anna. Am Anfang liegt das Restaurant „Bunte Kuh“ (Ofenkartoffel mit Lachs für 8,50 Euro).
Mit der Börtebahn in 40 Minuten das Unterland der Insel entdecken oder in 60 Minuten die Oberlandtour mit Stopp am berühmten Felsen Lange Anna (helgolandbahn.de, neun Euro).
Fahrt auf die Düne vor Helgoland – für fünf Euro ist man in fünf Minuten da. Dort kann man im besten Fall einsam im Sand liegen (helgoland.de unter Fahrplan Dünenfähre).
Zollfrei einkaufen kann man in den Geschäften auf dem Weg zum Schiff (www.helgoland.de/shopping-zollfrei-einkaufen/).