Hamburg. Nächste Woche beginnt die 7. Triennale der Photographie. Der Leiter des Festivals über die Ziele und das Programm.

Die 7. Triennale der Photographie Hamburg von Juni bis September (Eröffnungswoche: 7. bis 17. Juni) verspricht eines der größten Foto-Festivals weltweit zu werden. Der Kunstsoziologe, Kurator und Wissenschaftler Krzysztof Candrowicz hat zum zweiten Mal die künstlerische Leitung. Ein Gespräch über Neuerungen, Botschaften und den Umgang mit der Überforderung angesichts des gigantischen Angebots.

Sie sind nach 2015 zum zweiten Mal künstlerischer Leiter der Triennale der Photographie. Was haben Sie diesmal verändert und ­warum?

Krzysztof Candrowicz: Ich wollte mehr Zusammenarbeit, mehr Austausch mit möglichst vielen internationalen Partnern schaffen, die das Programm unserer lokalen Partner ergänzen. Wir arbeiten auch mit anderen Festivals zusammen, mit dem Hamburger Filmfest, der Filmförderung, dem Kurzfilmfestival. Die Triennale ist mit 120 Veranstaltungen an rund 50 Orten in Hamburg noch größer geworden.

Die weltweite Bilderproduktion ist ja gewaltig. Nach welchen Kriterien entscheidet man da über eine Auswahl?

Candrowicz: Das ist natürlich immer subjektiv. Erfahrung ist das Wichtigste. Sie schärft das Auge. Eine Arbeit muss visuell inter­essant sein, eine Wirkung, einen starken Inhalt haben. Um welchen Moment geht es? Ist das Ereignis relevant oder nicht? Auch die emotionale Bedeutung ist wichtig.

Warum haben Sie das Festival unter das Oberthema „Breaking Point“ gestellt, und was hat das mit Fotografie zu tun?

Candrowicz: Wir haben das Festival diesmal noch stärker inhaltlich ausgerichtet. Was ist das Wichtigste im Augenblick in der Welt? Was sind die politischen, sozialen und umweltbezogenen Veränderungen? Überall spüren die Menschen, dass sich etwas ändern muss. Der auf Kapitalismus und Konsum basierende Lebensstil bringt keine wirkliche Erfüllung, keine Zufriedenheit. Wir diskutieren das mit den Mitteln der Fotografie. Auch die Rolle der Fotografen hat sich verändert. Sie bilden nicht nur etwas ab, sie sind heute auch Philosophen, Forscher, Intellektuelle. Sie haben etwas zu sagen.

Das Festival vom 7. bis 17. Juni

Warum haben Sie die Befehle einer Computertastatur als Bindeglied für die Ausstellungen gewählt? Geht es um die Illusion, unsere Wirklichkeit mithilfe einer einfachen Tastenkombination mitzugestalten?

Candrowicz: Alle Museumsausstellungen haben Titel, die sich auf Computerbefehle beziehen. Die Idee war es, zu zeigen, dass man aufhören muss, automatisch zu agieren, wenn man einen Wandel will. Wir benutzen die Befehle tausendfach am Tag, ohne darüber nachzudenken. Es geht darum, sich Dinge bewusst zu machen und anzufangen, selbstbestimmt zu leben. Das ist Aufgabe einer Gesellschaft. Und es ist immer eine Mischung aus Persönlichem, Sozialem und Politischem. Der Mensch ist ein soziales Wesen. Im Moment scheinen die Menschen nur einem System zu dienen.

Welche Chancen hat das Medium Fotografie, eine immer komplexere Welt abzubilden? Kommt es immer stärker auf die Erzählweise an? Verändert sich der Begriff „Wahrheit“?

Candrowicz: Die Ausstellung in der Barlach Halle K zu dem katalanischen Fotokünstler ­Joan Fontcuberta dreht sich um diese Frage nach der Authentizität. Natürlich ist das nicht einfach. Wir sind Algorithmen. Wir wählen Bilder aus. Wir wählen den Kontext, in dem sie erscheinen. Fotografie ist ein sehr manipulatives Medium. Das 20. Jahrhundert war das Jahrhundert der Propaganda. Im Moment erleben wir eine ähnliche Situation. Man denke nur an den G 20. Die Bilder von Kriegszuständen überlagerten alle friedlichen Proteste. Das Museum für Kunst und Gewerbe fragt danach, warum bestimmte Fotografien ausgewählt werden – und andere nicht. Das ist eine Frage, die wir diskutieren werden.

Das Festival zeigt im Altonaer Museum historische Fotografien der Weimarer Repu­blik. Es gibt Positionen zu Macht, Geld und Politik in der Kunsthalle zu sehen, auch mit Thomas Demands Fotografien des Oval Office, und die Deichtorhallen forschen dem Einfluss des Stadtlebens auf den Menschen nach. Sind das Versuche, die Realität doch noch zu fassen zu kriegen?

Candrowicz: Vor allem die Schau in der Kunsthalle fragt danach, was Wirklichkeit ist, was virtuelle Realität? Wie funktioniert Kontrolle und welche Rolle spielen die digitalen Medien? Man denke nur an Cambridge Analytica oder die Präsidentenwahlen in den USA und in Russland.

Mit dem Besuch der großen Museen ist man also schon gut beschäftigt. Warum muss man dann noch zur Off-Triennale gehen?

Candrowicz: Die Hauptidee war es, die Triennale zu erweitern, bezogen auf die Orte als auch auf neue Zielgruppen. Wir haben aus 500 Bewerbern für die Off-Triennale 17 Fotografen ausgewählt. Das ist der Teil, in dem man junge aufstrebende Fotografen erleben kann, die vor allem zeitgenössische Arbeiten zeigen. Die Triennale startete 1999 vor allem als ein Museumsfestival. Diesmal haben wir das Programm definitiv erweitert.

Sie haben zuletzt zwei Boote als Botschafter auf andere Fotomessen geschickt. Was hat es damit auf sich?

Candrowicz: Wir haben den Hamburger Fotografen Claudius Schulze und den Berliner Fotografen Maciej Markowicz eingeladen, als Botschafter der 7. Triennale der Photographie nach Amsterdam, Paris und Berlin zu reisen. Markowicz’ Boot ist als Camera Obscura gebaut, mit der er 2000 Kilometer gereist ist. Seine Fotografien sind in der Flo Peters Gallery zu sehen. Claudius Schulze hat sein Hausboot immer wieder als Diskussionsort angeboten. Beide Boote können in der HafenCity besucht werden.

Das Programm der Triennale ist so ­gewaltig groß, was empfehlen Sie Besuchern, die ratlos vor dieser Fülle stehen?

Candrowicz: Ich würde im Festivalzentrum mit seinen 40 Containern beginnen, hier erhält man auch die zentralen Informationen und das kostenlose Magazin. Das Festival ist für Künstler und Fotografen inter­essant, aber auch für alle Menschen, die an politischen, gesellschaftlichen und Umweltfragen interessiert sind. Es gibt wirklich viel zu entdecken.