Hamburg. Der Pianist spielte in der Laeiszhalle ein Programm von Bach bis Beethoven. Ein großer Abend – mit Schönheitsfehler.
Jeder Künstler bekommt das Publikum, das er verdient. Klingt schlüssig – aber ob’s immer so ist? Beim Klavierabend von András Schiff am Mittwoch im Großen Saal der Laeiszhalle jedenfalls bestätigt ein kollektives Auflachen, dass die Leute erstens Ahnung haben und zweitens Humor.
Augenzwinkernder Rausschmeißer
Als vierte und letzte Zugabe stimmt Schiff nämlich den „Fröhlichen Landmann“ aus Schumanns „Album für die Jugend“ an, in seiner Schlichtheit nach all der vorangegangenen Raffinesse und Artistik ein augenzwinkernder Rausschmeißer. Bis dahin sind sie Schiff bereits auf Schritt und Tritt durch dessen handverlesenen „ Meisterpianisten“-Abend gefolgt, beginnend mit der Fantasie fis-Moll von Mendelssohn.
Schiffs pianistische Handschrift ist bereits in diesem Jugendwerk unverkennbar. Kristallklar, rhetorisch genau artikuliert er, subtil tönt er die Klangfarben ab, wahrt auch in Beethovens Fis-Dur-Sonate mühelos die musikalischen Zusammenhänge.
Senkrecht donnernde Akkorde, anhaltende Telefontriller
András Schiff macht Musik für Kopf und Herz gleichermaßen. Auf plakativere Mittel wie theatralische Ritardandi ist er nicht angewiesen. Bei Brahms „Acht Klavierstücken“ op. 76 und „Sieben Fantasien“ op. 116 könnte man sich allerdings einen etwas freieren Umgang mit dem Zeitmaß vorstellen. Gehören doch Stimmungs- und Lichtwechsel zur markanten Tonsprache dieses brummigen Hochsensiblen.
Bach, einen Fixstern in Schiffs Schaffen, hat sich der Künstler für den Schluss aufbewahrt. So gut sein Stil im Zusammenspiel mit Originalklang-Experten harmoniert, er selbst folgt deren Lehren nicht blindlings. Senkrecht donnernde Akkorde oder anhaltende Telefontriller, das ist schiffscher Eigenwille in Reinkultur. Großer Jubel.
Unüberhörbares Klirren garniert erste Konzerthälfte
Ach, es könnte alles so schön sein. Leider garniert allerdings die ganze erste Konzerthälfte hindurch ein zartes, aber unüberhörbares Klirren das Hauptprogramm. Ob eine erhitzte Dame im Parkett sich Luft zufächelt und dabei ihr Geschmeide bewegt oder ob ihr Schoßhund mit Glöckchenhalsband dezent klingelnd durch die Stuhlreihen schnüffelt, wir wissen es nicht. Danebenbenehmen kann man sich auch in der Laeiszhalle, das ist nicht exklusiv für die Elbphilharmonie reserviert.
Und um das noch klarzustellen: So ein Benehmen hat András Schiff natürlich nicht verdient.