Hamburg/Berlin. Wohnungen, Büros, Einzelhandel. Firmen aus Hamburg entdecken die Hauptstadt und schaffen Projekte für mehr als eine Milliarde Euro.

Von den oberen Etagen fällt der Blick auf das Bundeskanzleramt und die Spree. Der imposante Hauptbahnhof liegt direkt nebenan. Willkommen im Herzen von Berlin am Humboldthafen. Hier an der Invalidenstraße realisieren die beiden Hamburger Unternehmen LIP Ludger Inholte Projektentwicklung GmbH und die ABG-Unternehmensgruppe ein Bauvorhaben mit einem Investitionsvolumen von mehr als 200 Millionen Euro. Der Rohbau steht. Das Richtfest ist für Ende September geplant, der Erstbezug im kommenden Januar­. Entworfen hat das Gebäude­ensemble Humboldthafen der Hamburger Stararchitekt Hadi Teherani.

So soll es am  Humboldthafen einmal aussehen. Hamburger bauen hier 188 eher teure Mietwohnungen. Außerdem 
entstehen dort 
Flächen für 
Büros und Einzelhandel sowie 
Gastronomie
So soll es am Humboldthafen einmal aussehen. Hamburger bauen hier 188 eher teure Mietwohnungen. Außerdem entstehen dort Flächen für Büros und Einzelhandel sowie Gastronomie © LIP LUDGER INHOLTE PROJEKTENTWICKLUNG | Michael Jordan

188 Mietwohnungen im oberen Preissegment sowie 9200 Quadratmeter Bürofläche und 170 Tiefgaragenplätze entstehen hier. Im Erdgeschoss wird direkt am Wasser eine Promenade gebaut, und 5600 Quadratmeter stehen für Einzelhandel und Gastronomie zur Verfügung. Bei Hamburger Projektentwicklern sei Berlin ein beliebtes Terrain, weil hier eine enorme Nachfrage nach Büroflächen und Wohnraum bestehe und es ein größeres innerstädtisches Flächenpotenzial als in anderen deutschen Metropolen wie zum Beispiel Hamburg gebe, sagte LIP-Geschäftsführer Michael Jordan dem Abendblatt.

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Sebastian Wolf 
ist für die Berliner Dependance des Hamburger Unternehmens Otto Wulff verantwortlich
AProjektleiter Sebastian Wolf ist für die Berliner Dependance des Hamburger Unternehmens Otto Wulff verantwortlich © Jörg Krauthöfer | Jörg Krauthöfer

Hamburger Projektentwickler, Architekten und Bauunternehmer sind in Berlin gut im Geschäft. Das aktuelle Investitionsvolumen für mehr als 1000 Wohnungen, Büros, Gewerbeflächen und ein Hotel dürfte bei mehr als einer Milliarde Euro liegen.

In Berlin gibt es noch große Flächen

Aber warum ist der Markt so attraktiv? Diese Frage beantwortet der Hamburger Immobiliendienstleister Grossmann & Berger, der bereits seit 2012 ein Büro am pulsierenden Potsdamer Platz in Berlin hat. Geschäftsführer Holger Michaelis und Hendrik Treff, der „Bereichsleiter Neubau“, haben am Besprechungstisch Platz genommen. An der Wand hängt eine Karte, auf der die zen­tralen und von Immobilienkunden am meisten gesuchten Stadtteile von Berlin eingezeichnet sind – und die von Grossmann & Berger vermittelten Immobilien. „Die Entwicklung des Immobilienmarkts in Berlin ist sehr positiv, weshalb die Bundeshauptstadt auch bei Investoren und Projektentwicklern aus Hamburg äußerst gefragt ist“, sagt Michaelis, der sich seit 1993 mit dem Berliner Markt beschäftigt.

Am ICE-Bahnhof Südkreuz im  Stadtteil 
Schöneberg 
sollen bis 2020  zwei große Bürogebäude entstehen
Am ICE-Bahnhof Südkreuz im Stadtteil Schöneberg sollen bis 2020 zwei große Bürogebäude entstehen © Lip Ludger Inholte Projektentwicklung (2) | Michael Jordan

So würden bei der Bürovermietung in Eins-a-Lagen bis zu 31 Euro pro Qua­dratmeter realisiert, das sei eine Steigerung von etwa 41 Prozent gegenüber 2013. Berlin hat damit Hamburg deutlich überholt: Hier zahlen Mieter für Büros in Toplagen 26 Euro pro Quadratmeter. Vor allem internationale Konzerne suchen in Berlin große Flächen von 3000 bis 5000 Quadratmetern.

Auch die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt hat sich in der Hauptstadt rasant entwickelt, die Mieten sind deutlich gestiegen. In Charlottenburg im Westen der Stadt seien 17 Euro pro Quadratmeter keine Seltenheit – das entspricht in etwa dem Niveau in Harvestehude. In Berlin gebe es auch immer noch zahlreiche freie Grundstücke, die sich für anspruchsvollen Wohnungsbau eignen, sagt Treff. In Spitzenlagen wie Mitte würden für Eigentumswohnungen bis zu 20.000 Euro pro Quadratmeter bezahlt. Bei Familien seien vor allem Objekte bis zu 5000 Euro pro Quadratmeter begehrt.

20 Euro Kaltmiete an ausländische Kunden

Vor allem kleine Wohnungen lassen sich in Berlin für 20 Euro pro Quadratmeter kalt gut vermieten – an ausländische Kunden. Denn die sind Spitzenmieten aus anderen Metropolen gewohnt, sagt Hendrik Treff. Grossmann & Berger berät auch zahlreiche Hamburger Kunden, die Interesse an einem Wohnungskauf in Berlin haben, „häufig als Geldanlage“. Aktuell vermarktet der Immobiliendienstleister für die Hamburger B&L Gruppe das Projekt „Oasis Berlin“ im historischen Hansaviertel unweit der Siegessäule. Das sei ein Beispiel dafür, dass es in Spitzenlagen noch Flächen für die Realisierung von hochwertigem Wohnungsbau gebe, sagt Treff.

Dynamischster Immobilienmarkt

Für „Oasis“ wurde vor Kurzem Richtfest gefeiert, die Fertigstellung ist für das erste Quartal 2019 geplant. Das Quartier auf einem rund 5500 Quadratmeter großen Ufergrundstück an der Spree besteht aus drei Stadtvillen und einem 15-stöckigen Tower. 101 Eigentumswohnungen im gehobenen Standard sind geplant, Teilzeit-Concierge-Service inklusive. In den oberen Etagen liegt der Quadratmeterpreis dem Vernehmen nach bei um 10.000 Euro.

Als einen „seltenen Glücksfall“ bezeichnete Thorsten Testorp, geschäftsführender Gesellschafter der B&L Gruppe, dass „,Oasis‘ mit seiner direkten Wasserlage mitten im Herzen der Hauptstadt“ liegt. Testorp weiß: „Der Immobilienmarkt in Berlin ist zurzeit einer der dynamischsten sowohl im Wohn- als auch im Gewerbebereich.“ Für den deutschlandweit tätigen Projektentwickler sei Berlin bereits seit der Wiedervereinigung eines der „spannendsten Pflaster. Unter anderem hat B&L in Berlin die Gloria Galerie am Kurfürstendamm und das Rosmarin Karree an der Friedrichstraße entwickelt.“

Das Hamburger Unternehmen hat schon das nächste Projekt in Planung: das Wohnquartier „Böhmisches Viertel Friedrichshain“ auf dem Gelände des ehemaligen Böhmischen Brauhauses mit 410 Miet- und Eigentumswohnungen und einem Kindergarten im Brauhausspeicher. Der Baubeginn ist für dieses Jahr vorgesehen. Auch wenn bei der B+L Gruppe nicht über Investitionsvolumen gesprochen wird: Beide Projekte zusammen dürften bei weit mehr als 300 Millionen Euro liegen.

Gut im Geschäft ist auch das Hamburger Traditionsunternehmen Otto Wulff mit eigener Hauptstadt-Dependance. Auf der Dachterrasse des vor Kurzem eröffneten Showrooms am Heubnerweg steht Projektleiter Sebastian Wolf und lässt den Blick über ein ehemaliges Klinikgelände schweifen. Die alten Gebäude wurden abgerissen, jetzt dominieren Baumaschinen und Kräne.

Immer mehr Menschen ziehen nach Berlin

Das Schloss Charlottenburg ist nur wenige Minuten zu Fuß entfernt. Im ersten Bauabschnitt werden bis zum Frühjahr 2019 insgesamt 57 Wohnungen mit zwei bis fünf Zimmern errichtet. 67 Quadratmeter sind für ab 336.000 Euro zu haben. Das sind gut 5000 Euro pro Quadratmeter. Gemeinsam mit der Casada GmbH entwickelt Otto Wulff das Quartier Am Schlosspark. Bis 2022 sollen rund 580 Wohnungen entstehen. Ein Gesamtinvestitionsvolumen von mehr als 250 Millionen Euro: „Das ist das zurzeit größte Wohnungsbauvorhaben in Charlottenburg. Berlin ist deshalb ein interessanter Markt für uns, weil hier auch noch große Flächen umgewidmet werden, die zuvor industriell genutzt wurden – oder in diesem Fall von einem Krankenhaus“, sagt Wolf.

Bereits jetzt sei rund die Hälfte der 57 Wohnungen verkauft: „Es ziehen immer mehr Menschen nach Berlin, entsprechend hoch ist der Bedarf an neuen Projekten. Wir sind ständig auf der Suche nach attraktiven Flächen“, sagt Wolf. Aber das ist nicht die einzige aktuelle Projektentwicklung von Otto Wulff in Berlin. Auf einem Areal in Kreuzberg starten in Kürze die Bauarbeiten für das Boutique­hotel York mit 120 Zimmern und für einen 1200 Quadratmeter großer Neubau mit Büro- und Gewerbeflächen.

Mietwohnungen auf ehemaligem RIAS-Gelände

Auch der Hamburger Projektentwickler Dieter Becken hat eine eigene Niederlassung in Berlin. Die residiert am Kurfürstendamm im Herzen des alten Westteils der Stadt. „Bertha“ heißt das voll vermietete Bürogebäude mit rund 18.000 Quadratmetern Mietfläche am Hauptbahnhof, das Becken im vergangenen Jahr fertiggestellt und an einen Immobilienfonds verkauft hat. Aktuell „entwickeln wir in bester Lage am Kurfürstendamm/ Ecke Knesebeckstraße ein Bürogebäude mit rund 10.000 Quadratmetern Fläche“, so Becken.

Aber es steht noch ein viel größeres Vorhaben an: „Ich habe vor einiger Zeit das rund zehn Hektar große Rias-Gelände (Anm. d. Red. eine ehemalige Rundfunkanstalt) am Rande von Neukölln gekauft, und hier wollen wir bis zu 1200 Mietwohnungen realisieren. Zurzeit wird der Bebauungsplan aufgestellt“, kündigte Becken gegenüber dem Abendblatt an.

Aber zurück an den Humboldthafen. Nicht nur die Entwickler sind aus der Hansestadt, sondern auch ein Mieter: Ottos Burger mit Stammsitz in Hamburg macht dort ein Lokal auf. Außerdem zieht unter anderem das italienische Restaurantkonzept L’Osteria ein. Ein Supermarkt und eine Drogeriekette haben bereits Mietverträge unterschrieben: „Wir sind mit der Nachfrage sehr zufrieden und haben bereits mehr als 50 Prozent der Flächen vermietet. Wir stehen außerdem kurz vor dem Abschluss weiterer Mietverträge“, sagt LIP-Geschäftsführer Jordan.

Für die Realisierung des Bauvorhabens Humboldthafen sind LIP und ABG verantwortlich. Aber die Zurich Gruppe Deutschland hat das Gesamtprojekt bereits erworben: „Institutionelle Anleger wie Versicherungen oder Ärzteversorgungskassen haben aufgrund der hervorragenden Marktbedingungen ein großes Interesse an Projektentwicklungen in Berlin“, sagte Jordan.

Was Hamburger mit dem Berliner Airport zu tun haben

Die LIP-Gruppe arbeitet schon an ihrem nächsten Projekt in der Bundeshauptstadt mit einem Investitionsvolumen von mehr als 100 Millionen Euro. Auf einer Brachfläche unweit vom ICE-Bahnhof Südkreuz im Stadtteil Schöneberg sollen bis 2020 zwei Bürogebäude mit insgesamt rund 25.300 Quadratmetern Bruttogrundfläche nach den Entwürfen der Hamburger Architekten Hadi Teherani und dem Büro Prasch Buken und Partner (PBP) mit Sitz an der Großen Elbstraße entstehen. Der Bauantrag ist eingereicht: „Unser Projekt liegt im Quartier Schöneberger Linse. Das ist ein bedeutender Schwerpunkt der innenstadtnahen Berliner Stadtentwicklung“, sagte LIP-Gründer und Geschäftsführer Ludger Inholte.

Auch in Zukunft setzt der Architekt, der seit mehr als drei Jahrzehnten in der Projektentwicklung tätig ist, auf Berlin. In Hamburg hingegen hat Inholte in den vergangenen 15 Jahren nicht mehr gebaut: „Ich habe in anderen Großstädten wie München, Berlin oder Düsseldorf den Zuschlag für attraktive Flächen erhalten. In Hamburg wurde mir diese Möglichkeit nicht gegeben, aber ich habe natürlich auch Lust darauf, in der Hansestadt mal wieder etwas Bedeutendes zu entwickeln“, so Inholte.

Das Hamburger Büro gmp Architekten von Gerkan, Marg und Partner ist weltweit erfolgreich, auch in Berlin. Der Hauptbahnhof wurde von gmp entworfen. Und ein weiteres Bauwerk hat inzwischen für internationales Aufsehen gesorgt. Die Rede ist von dem zentralen Fluggastterminal des neuen BER (Flughafen Berlin Brandenburg), für diesen Entwurf ist auch gmp verantwortlich. Der Flugbetrieb sollte dort bereits im November 2011 aufgenommen werden. Doch unter anderen wegen technischer Mängel beim Bau wurde die Eröffnung immer weiter verschoben. Als neuer Termin wurde der Oktober 2020 genannt.