Hamburg. Geschäftsführer Frank Blin verkauft seine Anteile an früheren Boxpromoter Klaus-Peter Kohl und dessen Schwiegersohn Dietmar Poszwa.
Frank Blin verbringt viel Zeit im Auto. Rund 90.000 Kilometer spult der Geschäftsführer und Gründer des Hofbräus in Hamburg pro Jahr ab. Aus seinem Wohnort Dassendorf (Herzogtum Lauenburg) geht es zweimal pro Woche in die Wirtshäuser nach Berlin, einmal nach Bispingen – und jeden Tag schaut er in den Hamburger Lokalen vorbei. Doch nun soll Schluss sein. „Ich steige zum 1. Juni aus“, sagte der 51-Jährige dem Abendblatt.
Einen Käufer für seine Anteile, die unterm Strich verteilt auf mehrere Firmen bei etwa der Hälfte lägen, hat er schon. Es sind seine langjährigen Geschäftspartner Klaus-Peter Kohl (74) und dessen Schwiegersohn Dietmar Poszwa (45). „Ich kann bestätigen, dass seine Anteile an uns übergehen“, sagt Poszwa, ohne Details zu nennen. Man sei sich in allen Punkten einig, die Anwälte würden gerade an den Formulierungen feilen. Alle Betriebe sollen so weiterlaufen wie bisher, die Mitarbeiter an Bord bleiben.
Die Geschäftsführung werden der frühere Boxpromoter und Chef des Universum-Stalls Kohl und Poszwa gemeinsam übernehmen, wobei sich Poszwa um das Operative kümmern werde. Über finanzielle Details vereinbarten beide Seiten Stillschweigen. Auf die Frage, was ihm der Verkauf gebracht habe, antwortet Blin nur: „Finanzielle Unabhängigkeit – aber die hatte ich vorher auch schon.“
Seit 2010 haben Blin, Kohl und Poszwa kooperiert. „Das ist eine langjährige, sehr erfolgreiche Zusammenarbeit gewesen“, sagt Poszwa, der zuerst in das 2005 von Blin eröffnete Haus an der Esplanade einstieg. 2011 eröffnete das Trio die Gaststätte am Speersort. Es gibt in Berlin ein Wirtshaus, ein weiteres ist dort ebenso wie in Leipzig geplant. Ein Franchisenehmer unterhält in Hannover ein Restaurant. Die Hamburger Hofbräu-Betriebe, zu der auch noch das Restaurant Quartier 21 in Barmbek und eine Cateringfirma gehören, schafften den Sprung in die Top 100 der größten Systemgastronomen in Deutschland, die von der Fachzeitschrift „Food-Service“ zusammengestellt werden. Mit einem Jahresumsatz von 35,6 Millionen Euro lagen sie im vergangenen Jahr auf Platz 81 – und damit vor den Kaffeebars von Tchibo, dem Hard Rock Café und dem Schweinske. In diesem Jahr liefen die Geschäfte sehr gut, der Umsatz sei im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zwischen vier und sechs Prozent gestiegen – und die Fußball-WM als Umsatztreiber steht noch bevor. Auch unterm Strich verdiene man Geld, sagt Blin: „Wirtschaftlich stehen wir sehr gut da.“
Ein Ende ohne Streit
Erst vor knapp zwei Jahren wurde in Winsen/Luhe zudem unter dem Namen Heimat Bavaria eine eigene Produktion aus dem Boden gestampft. Jedes Jahr sollen dort 900 Tonnen Fleischprodukte fürs Hofbräu hergestellt werden, darunter sind Hunderttausende Haxen und Würstchen. Die Firma schien gerade durchzustarten – warum hört Blin mitten im Erfolg auf und sprengt die Zusammenarbeit?
Streit habe es nicht gegeben, betonen beide Seiten. „Wir sind Freunde, und das wird so bleiben“, sagt Blin. Alles sei „absolut einvernehmlich, ganz harmonisch auf Wunsch von Frank“ erfolgt, sagt Poszwa. Er habe zwar bisher keine gesundheitlichen Probleme, setzt Blin zur Begründung an. Aber: „Ich bin vom Kopf her ausgebrannt, habe nicht mehr so den Spaß an der Arbeit.“ Er sei ein Kontrollfreak, kenne jeden seiner rund 600 Mitarbeiter mit Namen. Wenn er fünf Tage im Urlaub gewesen sei, habe er 30 Tage gebraucht, um den Stapel abzuarbeiten, der liegen geblieben war.
Insbesondere die vergangenen Monate seien sehr stressig gewesen. Das dritte Hamburger Hofbräu in Harburg schloss er im Februar. Der Vermieter sei seinen Verpflichtungen nicht nachgekommen, sagt Blin. Die Gegenseite sieht sich zu Unrecht beschuldigt. „Das müssen nun Gerichte entscheiden, wer die Schuld hat“, sagt Blin. Die zum Jahresanfang begonnene Geschäftsbeziehung zu Transgourmet wurde nach zweieinhalb Monaten gestoppt. Haxen und Schweinebraten sollte Heimat Bavaria für den Gastronomielieferanten herstellen, die Produktion sei maschinell für viel Geld modernisiert worden. Doch Transgourmet habe Versprechungen nicht gehalten, so Blin: „Das war Arbeitsbelastung bis zum Gehtnichtmehr.“ Er sei häufig morgens um 5 Uhr aufgewacht und konnte nicht mehr schlafen. Daher reifte in den vergangenen Wochen sein Entschluss, unter den Großteil seiner Aktivitäten einen Schlussstrich zu ziehen.
Last einer Riesenfirma loswerden
„Ich freue mich auf die Entspannung, morgens aufzuwachen und nicht mehr 600 Leute an der Hacke zu haben“, sagt Blin salopp. Die Last einer Riesenfirma wolle er loswerden. Ganz aus der Gastronomie, in der er seit 1989 tätig ist, wird er sich jedoch nicht zurückziehen. 2015 ist er in den Snow Dome in Bispingen eingestiegen. Mittlerweile gehört ihm die Hälfte der Skihalle, die andere einem Wirtschaftsberater aus Sölden. Blin betreibt in dem Gebäudekomplex ein Hofbräu, das auch zukünftig seine Waren von Heimat Bavaria beziehen wird. Den Betrieb in Bispingen will der Sohn des früheren Box-Europameisters Jürgen Blin behalten und als Familienfirma vorantreiben. Tochter Laura (25) soll sich um Büro und Marketing kümmern, Sohn Joscha (21) operativ die Gastronomie führen, seine Ehefrau Claudia (51) als gelernte Konditorin zum Beispiel neue Torten entwerfen. „Und ich bin Chef und laber ein bisschen rum“, sagt Blin und lacht.
Blin will Hotel in Bispingen neben Snow Dome bauen
Eine mittlere einstellige Millionensumme nimmt er für die Location direkt an der Autobahn 7 in die Hand. Der Bau eines Hotels mit 104 Zimmern der Drei-Sterne-Superior-Klasse ist geplant. In der Gemeinderatssitzung habe er seine Pläne präsentiert. Nun würden die Bauanträge gestellt. „Bis November soll das Hotel stehen“, sagt Blin. Das Aufwendigste sei das Fundament, das Gebäude entstehe in Modulbauweise und könne innerhalb von drei Wochen stehen.
Eine hohe Auslastung erhofft er sich durch Seminare. 700 Personen können konferieren, bisher mussten die Gäste danach zu ihren entfernten Hotels fahren. Eine andere Zielgruppe sind Familien. Er ließ eine Minigolfanlage mit zwölf Bahnen bauen, zwei große Spielplätze, Basket- und Beachvolleyballfeld gibt es, Trampoline und Karussells. „Das kostet für die Kunden alles nichts. Unser Geld verdienen wir über die Skihalle und Gastronomie“, sagt Blin. Das Tagesticket für die Schneepiste liegt bei 37 Euro. Wer sich nicht für Skier, sondern für fahrende Untersätze interessiert, kann in das von ihm gegründete Museum Automobile Zeitzeugen gehen.
In den Hamburger Unternehmungen solle nun erst einmal im Eiltempo die Übergabe erfolgen und sich alles neu einspielen. Mittelfristig bleibe die Zielsetzung, zu wachsen, sagt Poszwa: „Wir konnten nie gut stillstehen und können uns vielfältige neue Projekte in Hamburg oder woanders vorstellen.“
Blin wird das als interessierter Außenstehender verfolgen. Die Zeit der Sieben-Tage-Wochen soll für ihn vorbei sein. Fünf Tage pro Woche arbeiten reichen. Er wolle seine „Work-Life-Balance“ finden. Ohne Auto wird es aber auch in Zukunft bei ihm nicht gehen. Sein Liebling auf vier Rädern ist ein Triumph 2000 aus dem Jahr 1949. Blin: „Wenn das Wetter gut ist, werde ich einfach mit meinem Oldtimer durch die Gegend fahren.“