Hamburg. Das Verfahren ist auch ein erbitterter Zweikampf zwischen Strafverteidiger Uwe Maeffert und Amtsrichter Johann Krieten.

Seine Körperhaltung signalisiert Angriffslust. Und nun holt Uwe Maeffert ganz tief Luft. Jeder, der den Verteidiger häufiger erlebt hat, ahnt, dass er zu einem längeren Monolog ansetzt, wie gewohnt in geschliffener Rede und mit ätzender Schärfe. Sehr wahrscheinlich würde es ein Schnellfeuer des Protests, der Kritik und des Spotts werden; das ist oft so, wenn der gewiefte Anwalt loslegt und kein Ende zu finden scheint. Doch kaum hat der 74-Jährige angesetzt, wird er unterbrochen. „Sie haben im Moment nicht das Wort, Herr Maeffert“, bestimmt Amtsrichter Johann Krieten. Und als der Verteidiger weiterredet, trotz Ermahnungen wieder und wieder, sorgt der Vorsitzende auf seine Art für Ruhe: Krieten dreht dem Anwalt kurzerhand das Mikrofon ab.

Diese Szene ist bezeichnend für einen Prozess, der seit drei Verhandlungstagen läuft – oder man könnte auch sagen: teilweise auf der Stelle tritt. Es ist eines von vielen Verfahren um die G-20-Krawalle vom vergangenen Juli; es geht um Flaschenwürfe auf Polizisten. Besonders wird diese Verhandlung durch die Protagonisten: Hier treffen Amtsrichter Krieten, bisher für zwei als vergleichsweise hart geltende Urteile in ähnlichen Verfahren verantwortlich, sowie Verteidiger Maeffert und dessen Kollege Lino Peters aufeinander.

Verteidiger ist scharfsinnig und unbeherrscht

Besonders streitbar sind alle drei. Der Richter ist einer, der klare Kante zeigt und es überhaupt nicht schätzt, wenn andere die Regie übernehmen wollen oder wenn er das Gefühl hat, man wolle ihm auf der Nase herumtanzen. Einer, der schon oft bewiesen hat, dass er einen sehr langen Atem hat, wenn es nach seiner Überzeugung der Wahrheitsfindung dient. Aufmüpfige Angeklagte, schwierige Zeugen, Verteidiger, die haufenweise Anträge stellen? Es scheint fast, als wecke die Konfrontation den sportlichen Ehrgeiz des 62-Jährigen.

Und dann die Verteidiger: Uwe Maeffert, den man robust, extrem versiert, scharfsinnig, hoch engagiert und diskussionsfreudig nennen kann, für den andere aber auch die Attribute polarisierend, unbeherrscht, eitel und überkritisch bis zum Nervtöten wählen würden. Ihm zur Seite steht Lino Peters, 33 Jahre alt, ein eloquenter Anwalt, der Mandanten überwiegend aus der linken Szene hat und alle erdenklichen Möglichkeiten, die die Strafprozessordnung so bietet, bis zum Exzess auszuwalzen weiß.

Hauptzeugen sind zwei Polizisten

Zwischen Maeffert und Peters sitzt der Angeklagte Jörg R., ein kräftig gebauter Mann mit Bart und reichlich Tattoos. Dem 35-Jährigen wird vorgeworfen, am 7. Juli vergangenen Jahres am Schulterblatt fünf leere Glasflaschen zielgerichtet und kraftvoll auf Polizisten geworfen zu haben, um sie zu verletzen. Hauptzeugen sind zwei Polizisten aus Sachsen. Einer von ihnen will nur maskiert mit Brille, geschminktem Bart und Perücke aussagen.

Doch das möchten die Verteidiger verhindern. Sie wollen den Zeugen, der ihrer Ansicht nach im Ermittlungsverfahren nicht korrekt vernommen worden sei, gar nicht hören, weil sonst, so Maeffert, „Absprachen zwischen Zeugen ermöglicht, wenn nicht sogar gefördert“, würden.

Und so beginnt ein wahrer Sturm von Anträgen, Widersprüchen, Gegenvorstellungen und Beanstandungen, die Richter Krieten sämtlich zurückweist, worauf Verteidiger Maeffert von einer „Ablehnungsmaschinerie“ spricht und sein Kollege Peters den Vorsitzenden kritisiert: „Wir sind auf Kneipenniveau gesunken bei Ihnen.“ Diese Provokation perlt am Richter ab. Wenn es Anhaltspunkte für Absprachen oder Manipulationen gebe, versichert er, werde das Gericht die Aussage nicht verwerten.

Zeugenaussage macht den Richter stutzig

Daran, dass Krieten zum Auftakt des Prozesses versäumt hat, eine Schöffin zu vereidigen und die Verhandlung nach drei Stunden deshalb neu begonnen werden musste, erinnert Maeffert mit sichtlicher Genugtuung immer wieder. Und als der Vorsitzende später, nach Befangenheitsanträgen gegen ihn und die Schöffen, vorerst weiter verhandelt und für bestimmte Anträge die Anwendung des „Selbstleseverfahrens“ (ein Beweis wird nicht in der Verhandlung verlesen) erwägt, echauffiert sich Maeffert: „Ist das hier ein eigenes Gesetz?“ Nein, kontert Krieten und rattert die Paragrafen der Strafprozessordnung herunter, auf die er seine Entscheidung begründet.

Soll der Zeuge nun aussagen oder soll er nicht? Nach stundenlangem Warten auf dem Gerichtsflur wird Polizist Stefan S. in den Saal gerufen, um gleich auf dem Absatz kehrtmachen zu müssen, weil die Verteidigung weitere Anträge stellen will. Schließlich, nach mehrfachem Hin und Her und nun tatsächlich auf dem Zeugenstuhl, erzählt der 25-Jährige, dass er bei seinem Einsatz bei G 20 „am Stück zahlreiche Straftaten beobachtet“ habe, „etwa dreistellig“. Der Angeklagte habe gerufen: „Leute, macht alle mit!“ Nun hätten die Demonstranten mit Flaschen und Steinen geworfen.

Es wird ein langer Prozess

Detailliert schildert der Zeuge, wie Jörg R. einzelne Flaschen geschleudert und teilweise getroffen habe. In einer früheren Aussage hatte er nur pauschal von „mehrfachen Würfen“ geredet. „Das ist bemerkenswert, dass jetzt Konkretisierungen nachgeliefert werden“, merkt Verteidiger Maeffert auf. Der Polizeizeuge erklärt, er habe sich seinerzeit Notizen gemacht, in einer Art Tagebuch, aber niemandem davon erzählt. Ob er das Buch überhaupt noch habe, wisse er nicht. „Das überrascht jetzt schon“, wundert sich Krieten über die Aussage und hakt ausgiebig, akribisch und sehr kritisch nach.

Diese Sequenz ist eine der seltenen Passagen, in denen es nicht zu einem Schlagabtausch zwischen Gericht und Verteidigung kommt. „Seien Sie doch mal ansprechbar dafür, dass Sie nicht der Richter ohne Fehl und Tadel sind. Ganz im Gegenteil“, stichelt Maeffert. In anderen Phasen des Prozesses haben er und Peters etliche Befangenheitsanträge gegen Krieten gestellt, manche solcher Anträge werden fast im Minuten-Rhythmus angekündigt. Die Verteidiger, erklärt der Vorsitzende dann gelassen, können solche Bedenken jeweils am Ende eines Verhandlungstages vorbringen, schriftlich und gebündelt. Es wird wohl ein langer Prozess werden.