Niendorf. Die Kollaustraße ist noch mindestens eine Woche lang voll gesperrt. Dank der Schulferien blieb das befürchtete Chaos aber aus.

„Boah, eine Pistole“, sagt der kleine Junge in der Kinder­gartengruppe, die auf dem Weg zum Spielplatz im Niendorfer Gehege von einem Polizisten aufgehalten wird. An der Kreuzung am Niendorfer Markt herrscht Ausnahmezustand, überall rot-weiße Sperrbaken, Flatterbänder, die Ampeln sind außer Betrieb.

Der Verkehr wird hier vor der größten Hamburger Straßensperrung der vergangenen Jahrzehnte umgeleitet. Nach dem Wasserrohrbruch in der Kollaustraße in Niendorf (das Abendblatt berichtete) geht bereits an diesem Verkehrsknotenpunkt nichts mehr – wer von Norden kommt, muss abbiegen. Nur, wohin?, fragen sich viele, und deshalb leistet die Polizei geduldig Hilfe. „Da müssen Sie entlang“, ruft der Niendorfer Stadtteilpolizist, und die Kindergartenkinder freuen sich sichtlich über die Aufmerksamkeit des Mannes in blauer Uniform.

In der 62 Jahre alten Trinkwasserleitung klafft ein Loch

In der Nacht zum Sonntag war es an der sechsspurigen Kollaustraße – eine der wichtigsten Verbindungen zwischen Autobahn 7 und City – zu einem Wasserrohrbruch gekommen. In gut 1,5 Metern Tiefe klafft nun in der 62 Jahre alten Grauguss-Trinkwasserleitung ein Loch. Rund zwei Millionen Liter Wasser hatten Teile der Straße unterspült. Seitdem ist die Kollaustraße zwischen Garstedter Weg und Papenreye in beiden Richtungen komplett gesperrt. Die Reparaturarbeiten könnten bis zu drei Wochen dauern, heißt es bei Hamburg Wasser. Dass die Hauptverkehrsader nicht mehr pulsiert, erleben Anwohner, Pendler, Firmenmitarbeiter und Taxifahrer schon jetzt.

Am U-Bahnhof Niendorfer Markt ruhen sich die Taxifahrer auf einer Bank in der Sonne aus. Die Sperrung beschert ihnen Umsatzeinbußen. „Von hier zum Dammtorbahnhof bezahlen Sie normalerweise 22 Euro, heute kostet es wegen der Umleitungen gut 40 Euro“, sagt ein Taxifahrer, der seine Gäste vor der Tour über die Mehrkosten aufklärt und deshalb an diesem Tag schon viele Kunden verloren hat. „Das überlegen sich die Leute dann und steigen in die U-Bahn“, sagt der Taxifahrer.

Zahlreiche Firmen liegen direkt an der Baustelle

Ungemütlich wird es auch für die zahlreichen Firmen, deren Grundstücke direkt an der Baustelle an der Kollau­straße liegen. Es sind vor allem ausgerechnet Betriebe, die auf Autofahrer als Kunden angewiesen sind. Und das an einer vielspurigen Straße, auf der jetzt außer den Baumaschinen niemand mehr fahren darf. Firmen wie A.T.U., Mercedes, zwei Tankstellen oder die Kfz-Prüfstelle GTÜ sind mehr oder minder von ihrer Kundschaft abgeschnitten. „Das ist ein Umsatzverlust ohne Ende“, klagt Kai Wiebe von A.T.U. 300 bis 500 Termine könnten während der mehrtägigen Sperre nicht abgearbeitet werden.

Auch bei Mercedes langweilen sich die Mitarbeiter. Während draußen der Arm des Baggers über den Asphalt schwenkt, stehen in der Werkstatt des Autohauses viele Hebebühnen leer. „Normalerweise würden heute 100 Kunden kommen“, sagt Clemens Krakau. Gerade zum Ferienbeginn seien die Servicetermine gefragt, ergänzt der Kundendienstleiter. „Zum Glück steht ein großer Konzern hinter uns, so gehen wir nicht gleich pleite.“ Aber dass die Arbeiten vor der Tür bis zu drei Wochen dauern könnten, beunruhigt den Kaufmann dennoch. „Wir sind im Gespräch mit der Polizei.“ Möglicherweise könnten die Sperrungen etwas verschoben werden. „Dann wären wir besser erreichbar“.

Auch öffentliche Verkehrsmittel betroffen

Nicht nur die Autofahrer, auch die Hamburger, die mit Bussen in die Stadt fahren, müssen mit Behinderungen rechnen. „Meine Freundin hat mich gerade angerufen, weil sie später kommt“, sagt Anna-Lena am U-Bahnhof Niendorf Markt. Die Buslinie 5 werde umgeleitet, das dauere dann eben. Bereits Anfang 2017 hatte es einen Schaden an der Kollaustraße gegeben. Dabei handelte es sich nach Angaben von Hamburg Wasser nicht um ein Leitungsproblem, sondern um Grundwasser. Wie eine Unternehmenssprecherin dem Abendblatt sagte, gab es im vergangenen Jahr in Hamburg 374 Rohrbrüche im Trinkwassernetz. Während es vor 20 Jahren jährlich rund 1000 Rohrbrüche waren, sind es jetzt im Durchschnitt 400. Also fast an jedem Tag einer. Die Rohrnetzverluste liegen in der Hansestadt mit vier Prozent aber knapp unter der Hälfte des europäischen Mittelwertes. Weltweit am höchsten sind sie mit 45 Prozent in Mexiko-Stadt. In Rom betragen sie immerhin gut 26 Prozent.

Häufigste Ursache für einen Wasserrohrbruch ist Frost, der aufgrund der Bewegung im Erdreich die Rohre belasten kann. „Eine weitere häufige Ursache ist die Belastung durch den Straßen­verkehr. Vor allem an Kreuzungen stark befahrener Straßen übertragen sich Schwingungen durch anhaltenden und anfahrenden Verkehr auf die darunter liegenden Leitungen“, sagt eine Sprecherin von Hamburg Wasser.

Die geplatzte Leitung stammt aus dem Jahr 1956

Zudem könnten altersbedingte Verschleißerscheinungen wie Lochfraß zu Rohrbrüchen führen. Die in Niendorf geplatzte Leitung mit einem Durchmesser von 40 Zentimetern stammt aus dem Jahr 1956. Die älteste Leitung, die Hamburg Wasser betreibt, ist mehr als 150 Jahre alt.

An diesem Dienstag sollen weitere Details über die Schäden vorliegen. Die Polizei rät Autofahrern, die Region weiträumig zu umfahren. Verkehrsteilnehmern, die von der A 7 stadteinwärts kommen, wird empfohlen, über die Anschlussstelle Schnelsen-Nord und die Flughafenumgehung auszuweichen.