Hamburg. CDU-Bildungspolitikerin Birgit Stöver warnt: Jetzt sind auch Grundschulen betroffen. Was die Schulbehörde dazu sagt.

Mobbing ist in Hamburger Schulen längst Alltag geworden – in wachsenden Maße jetzt offenbar auch religiös motiviert. Kinder und Jugendliche beleidigen einander aufgrund von Religion und Weltanschauung. Und das ganz gezielt.

Wie Birgit Stöver, Schulsprecherin der CDU-Bürgerschaftsfraktion, dem Abendblatt sagte, werde das Thema "religiöses Mobbing" inzwischen in bezirklichen Ausschüssen wie in Harburg und in den Kreiselternräten diskutiert. "Es betrifft nicht nur weiterführende, sondern zunehmend auch Grundschulen." Immer wieder würden Hamburger Eltern und Lehrer über Vorkommnisse beginnender religiöser Konflikte und Beleidigungen auf dem Schulhof und im Schulalltag berichten, warnt sie.

"Bundeslagebild zur Gewalt"

Nach einer bundesweiten PISA-Sonderauswertung über Lernumfeld und Lernverhalten wird fast jede sechste 15-Jährige in Deutschland regelmäßig Opfer nicht nur religiös begründeten Mobbings. Die offenbar steigenden Zahlen haben jetzt auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) alarmiert. Angesichts von Antisemitismus und religiösem Mobbing in Schulen müsste es eine bundesweite Statistik für Vorfälle dieser Art geben. "Wir brauchen ein 'Bundeslagebild zur Gewalt an Schulen'. Darin müssen alle Fälle verbaler, körperlicher und von Waffen-Gewalt erfasst werden", sagte DPolG- Bundesvorsitzender Rainer Wendt.

Was die AfD fordert

Die Hamburger Bürgerschaftsfraktion der AfD hatte sich jetzt der Forderung der Polizeigewerkschaft angeschlossen und angesichts eines sich "immer stärker ausbreitenden Antisemitismus und religiösen Mobbings gegen Juden und Christen an Schule" die Einführung einer Meldepflicht für religiöses Mobbing an Schulen in Hamburg gefordert.

Wie groß das Ausmaß religiös begründeten Mobbings an Hamburger Schulen ist, lässt sich von außen allerdings nur schwer einschätzen. Ein Grund dafür ist, dass Senatsangaben zufolge religiös konnotiertes Mobbing statistisch nicht gesondert erfasst wird. Der Senat teilte auf eine Schriftliche Kleine Anfrage der CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Birgit Stöver mit, dass "viele Schulen Handlungsketten zum Beispiel zum Umgang mit Mobbing etabliert" hätten. "Hierzu werden bei Bedarf auch Beratungsleistungen und Hilfen zur schulischen Intervention bei der Beratungsstelle Gewaltprävention abgerufen."

"Keine Gefahr in Harburg"

Auf die Frage der CDU-Politikerin, ob es in Harburg eine gefährliche Situation gebe, antwortete der Senat: "Die im bezirklichen Ausschuss getätigte Aussage beschrieb keine besondere Gefährdungslage für Harburg, sondern wies auf die besondere Heterogenität und spezifische soziale Lage einiger Schulen in den Bezirken Harburg und Hamburg-Mitte hin."

Ein Sprecher der Hamburger Schulbehörde sagte dem Abendblatt: "Uns liegen keine Meldungen aus Schulen vor." Grundsätzlich gebe es eine hohe Sensibilität an Hamburger Schulen, insbesondere im Hinblick auf religiös bedingte Konfliktlagen. Hamburg sei "stark" in der Präventionsarbeit aufgestellt. Wolfgang Dittmar, Ombudsmann für Hamburger Schülervertretungen, kann derweil religiös begründete Mobbingfälle nicht ausschließen, auch wenn sie in seiner Amtszeit noch nicht vorgekommen seien.

"Weniger Antisemitismus in Hamburg"

Auch darüber, wie stark Antisemitismus verbreitet ist, gibt es unterschiedliche Einschätzungen. So schätzt die Jüdische Gemeinde die Wahrscheinlichkeit von antisemitischen Beleidigungen oder Übergriffen in Hamburg als vergleichsweise gering ein. "In Hamburg gibt es deutlich weniger offenen Antisemitismus als in anderen deutschen Großstädten. Verglichen mit Brennpunkten wie Berlin leben wir hier in einer Art 'Splendid Isolation'", sagte Daniel Killy, Sprecher der Jüdischen Gemeinde Hamburg, dem Abendblatt.

Der Bielefelder Konfliktforscher Professor Andreas Zick warnt unterdessen vor einem in Deutschland weit verbreiteten Antisemitismus, der für jüdische Kinder zur Wirklichkeit gehöre, wie der Evangelischen Pressedienst berichtet. Einer eigenen bundesweiten Studie zufolge hätten von 1000 jüdischen Mitbürgern 70 Prozent Antisemitismus in der Schule oder am Arbeitsplatz erlebt.

Hintergrund der aktuellen Diskussion waren Mobbingfälle in Berlin. An einer Grundschule wurde eine Zweitklässlerin von älteren Schülern aus muslimischen Familien als Jude beschimpft. Ein Mitschüler soll gedroht haben, sie umzubringen, weil sie nicht an Allah glaube.