Hamburg/Shanghai. Die Köchin aus Hamburg sorgt jetzt auch in China mit ihrem “The Twins“ für Aufsehen. Parallel betreibt sie dort eine Kochschule.

Kurz bevor sie neulich wieder nach China reiste, hatte Cornelia Poletto einen ihrer seltenen freien Abende. „Wir saßen in der Küche, die Familie hat beim Schnippeln geholfen, wir haben geredet, ich habe gerührt. Toll!“ Ein großer Topf Bolognese-Sauce mit drei Kilogramm Rinderhack stand auf dem Herd. Die hat sie dann portionsweise eingefroren, damit Mann und Tochter während ihrer Abwesenheit etwas Gutes und Gesundes zu essen haben. Liebe geht eben auch bei einem Profi durch den Magen.

Die 46-Jährige sitzt an einem Tisch zwischen Fenster und Tresen in ihrem Lokal an der Eppendorfer Landstraße. Ab und an grüßt sie rüber zu Gästen, raunt ihrer Restaurantleiterin Christiane Grosche etwas zu, trinkt Wasser, nascht vom bunten Vorspeisenteller. Und erzählt begeistert von ihrem neuen Baby: The Twins by Cornelia Poletto. Das gerade eröffnete neue Restaurant in der chinesischen Metropole Shanghai ist aus der Zusammenarbeit von dem Messerhersteller Zwilling und der Hamburger Köchin entstanden. „Es ist schön, wenn der Gast weiß, welcher namhafte Koch mit seiner Handschrift in dem Betrieb wirkt.“

Aber warum ausgerechnet Shanghai? „Das ergab sich so“, sagt Cornelia Poletto. „Erst habe ich in China synchronisiertes Teleshopping gemacht, sehr lustig und erfolgreich. Dann kam Zwilling mit der Idee von einer ,culinary world‘ und hat den größten Flagship-Store Chinas in Shanghai gebaut.“ Bekannte europäische Köche haben sich dort schon niedergelassen, Poletto ist die erste Deutsche. „Außerdem ist Shanghai die Partnerstadt von Hamburg, das passt dann auch.“

Ein Grund, warum sie sich auf das chinesische Experiment eingelassen hat, sind das Qualitätsbewusstsein der Chinesen und deren große Leidenschaft für Essen. „Die Menschen sind sehr begeisterungsfähig und freuen sich über handgemachte Pasta wie über ein tolles Weihnachtsgeschenk.“

Die Gastronomia und Cucina, Restaurant und Kochschule in Eppendorf, dann von November an wieder das Menü im Varieté-Zelt Palazzo, nebenher eine Kampagne für Fischbrötchen, neue Buchprojekte, Kochshows für verschiedene TV-Sender – und jetzt auch noch China: Wann ist es denn mal gut mit der Umtriebigkeit? Cornelia Poletto lacht. „Diese Frage stelle ich mir auch öfter. Aber mir bringt alles, was ich mache, so sehr viel Spaß. Und so lange die Arbeit mit positivem Stress verbunden und gesundheitlich alles in Ordnung ist, gibt es für mich keinen Grund, etwas zu ändern.“ Und sicherlich trage auch der volle Terminkalender ihres Ehemanns Rüdiger Grube, einst Bahn-Chef und heute Aufsichtsratschef der HHLA, dazu bei. „Der ist ja auch oft unterwegs.“

Und dann singt sie das Loblied auf ihre Mitarbeiter. „Ich habe eine tolle Mannschaft, auf die ich mich verlassen kann. Da ist auch Sonnabend mal ein freier Tag für mich drin.“ Die Kochschule managt Kati Beese, als Küchenchef im Restaurant wirkt Robert Stechmann, den Service leitet Christiane Grosche.

TV-Engagements kompensieren leere Tische

Personal in der Gastronomie ist ein entscheidendes Thema für Cornelia Poletto. „Wenn ein Lokal gut läuft, muss ich die Säulen des Betriebs gut bezahlen, selbst ausbilden und für vernünftige Arbeitszeiten sorgen. Wir sind glücklicherweise so gut besetzt, dass ein Koch auch mal um 17 Uhr Feierabend machen kann.“ Aber sie verschweigt auch nicht, dass zum Beispiel die TV-Engagements Geld in die Kasse spülen und geringere Einnahmen kompensieren, „wenn in den Sommerferien nicht jeden Tag alle Plätze besetzt sind“.

In Shanghai arbeiten rund 50 Beschäftigte für das 90-Plätze-Restaurant und die Kochschule. Im Erdgeschoss verkauft die Partnerfirma ihre Produkte, oben werden Speisen à la Cornelia Poletto zubereitet. Dort finden auch die Kochkurse statt, eine Stunde lang wollen die chinesischen Kunden effizient brutzeln, essen und trinken. „Und natürlich Fotos machen, auch mit mir.“

Deutsch-mediterrane Poletto-Gerichte aus guten Produkten stehen auf der Karte, 60 Tage im Jahr ist die Köchin laut Vertrag selbst in Shanghai. „Ich konnte Felix Neumann, einen meiner dienstältesten und sehr erfahrenen Mitarbeiter, überzeugen, die Leitung in China zu übernehmen. Er ist seit einem Jahr dort, hatte am Anfang viel Bürokram zu erledigen. Jetzt blüht er auf, weil das Lokal und das Konzept erfolgreich sind.“ Und sie erzählt die Geschichte von einem chinesischen Geschäftsmann, der so begeistert vom Dessert Haselnuss-Crostini war, dass er 1000 Portionen für ein Firmen-Event bestellte. „Ein Teller kostet mal eben zwölf Euro.“

Eine Lehre im Hotelfach hat sie sausen lassen – um zu kochen

Mit den Gästen plaudern, ihnen einen schönen Abend bereiten, den gerade gelieferten frischen Fisch vorzeigen, am Herd stehen – das liebt Cornelia Poletto. „Ich habe mich schon als Kind für Essen interessiert und begeistert, zum Beispiel für die Küche meiner Großmutter in Nordrhein-Westfalen.“ Saure Nierchen nach deren Rezept bereitet sie heute noch einmal im Jahr zu, „auch wenn weder meine Familie noch mein Team die mögen“. Und lacht dabei, wie überhaupt sehr oft während des Gesprächs.

Nach der Handelsschule in Paderborn besuchte sie eine private Hotelfachschule in Altötting und hatte im Anschluss schon eine Lehrstelle als Hotelfachfrau im Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg sicher. „Aber Kochen interessierte mich einfach mehr, also bin ich zu Drei-Sterne-Koch Heinz Winkler nach Aschau in die Lehre und habe in Hamburg abgesagt. Die Verantwortlichen im Vier Jahreszeiten waren nicht begeistert.“

Ihre Mutter sage manchmal scherzhaft, sie sei nur Köchin geworden, weil dann jemand anderes die Küche aufräume. Wieder lacht Poletto. „Ich muss gestehen, dass ich im tiefsten Inneren faul bin. Deshalb wäre ein Studium nichts für mich gewesen.“ Aber wenn frische Ware angeliefert worden sei, dann müsse sie verarbeitet werden. Oder der zugesagte Kochkurs müsse eben stattfinden. Zu Hause, da fliege schon mal was in die nächste Ecke und werde dann von links nach rechts geräumt. „Mein Mann ist sehr ordentlich. Das hat schon ein bisschen auf mich abgefärbt, und er ist im Gegenzug etwas lockerer geworden.“

Perfekte Organisation

Ihre größte Herausforderung? „Dass alles perfekt organisiert ist und alle zufrieden sind. Dann stecke ich mein Schlafdefizit weg, kann viel arbeiten und meiner Verantwortung gerecht werden.“ Denn die trägt die Namensgeberin ohne Zweifel in ihrem Unternehmen. Und stellt fest, dass es wie vor 20 Jahren auch heute nicht viele Frauen in der Spitzengastronomie gibt. „Dieser Beruf ist einfach familienfeindlich und wird es immer bleiben.“

Die heute 16 Jahre alte Tochter Paola hat sie zusammen mit deren Vater Remigio Poletto, ihrem ersten Mann, betreut. „Wir wohnten über dem Sterne-Restaurant, haben uns die Arbeit geteilt, hatten ein Kindermädchen. Und viele Nachmittage hat Paola schlafend in der Baby-Hängematte am Fleischerhaken in der Küche verbracht, während ich Pasta gemacht habe.“ Unabhängig von der Branche sei man aber als berufstätige Mutter immer von seinem schlechten Gewissen verfolgt.

Dass es damals mit dem eigenen Restaurant so gut geklappt hat und auch den Michelin-Stern gab, das rechnet sie ihrem Ex-Mann hoch an. „Remigio hat die Idee genauso gelebt mit dem perfektem Service und seinem Wissen über Wein. Wir waren tolle und persönliche Gastgeber.“ Die traurige Konsequenz: „Wenn man 24 Stunden zusammenlebt und -arbeitet, bleibt das Persönliche auf der Strecke. Ich bin sehr ehrgeizig und habe vielleicht manchmal vergessen, wer und was noch dranhängt.“

Zum Abspannen reitet sie und schmökert in Kochbüchern

Wie vor 20 Jahren bereitet sie immer noch gerne Spaghetti Vongole zu, wie sie es damals bei Anna Sgroi gelernt hat. Garmethoden und Zutaten haben sich verändert, Küche ist internationaler geworden, dank der Globalisierung, der Reiselust der Gäste und deren gestiegenem Interesse an guten Produkten. „Und gleichwohl ist Essen ein sinnliches Erleben. Saftiger Schweinebraten, knusprige Kruste, sämige Sauce und ein fluffiger Knödel sind ein perfekter Teller. Würde man alles gemeinsam durch den Fleischwolf drehen, wäre der Geschmack identisch, aber das Erlebnis und die Wahrnehmung völlig anders.“

Cornelia Poletto sagt, dass sie in ihrem Beruf leidenschaftlich und neugierig bleiben will. „Immer wieder alles Essbare probieren, Gerichte verfeinern, Saucen abschmecken, Rezepte variieren und verändern. Die Detailverliebtheit muss bleiben, sonst rutscht man ab in langweilige Routine voll harter Arbeit.“

Für Alltag bleibt der 46-Jährigen nicht viel Raum. Wenn sie abschalten will, verbringt sie Zeit bei ihren beiden Pferden auf einem Hof in Pinneberg, schaut Tochter Paola beim Reiten zu, läuft mit Ehemann sowie den Hunden Franz und Sissy um die Alster, schmökert auf der Couch in ihrer Kochbuch-Sammlung. Und kocht für ihre Lieben.