Hamburg. Aus der Heil-und Pflegeanstalt Ochsenzoll wurden während der NS-Zeit 3600 Patienten in Tötungs-und Verwahranstalten verlegt.
Eine neue Gedenkstätte für Euthanasie-Opfer der NS-Zeit ist am Mittwoch in Hamburg-Langenhorn eingeweiht worden. Sie befindet sich vor der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt in Ochsenzoll, der heutigen Asklepios-Klinik Nord. Über 3.600 Patienten wurden damals von dort aus in Tötungs- und Verwahranstalten verlegt. Über 2.400 von ihnen fielen dem Euthanasie-Programm zum Opfer, weitere zwölf Kinder wurden bei medizinischen Versuchen ermordet.
Vor der Einweihung gab es ein umfangreiches Programm mit Andachten und Kranzniederlegungen auf dem Gelände der Ev. Stiftung Alsterdorf. Gäste am Nachmittag waren unter anderem Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks (SPD), Landesrabbiner Shlomo Bistritzky, Alsterdorf-Direktor Hanns-Stephan Haas und Bischöfin Kirsten Fehrs.
Im Mittelpunkt der Feier stand das Gedenken an die jüdischen Opfer. Erinnerung sei nötig, um „das Unfassbare immer wieder aus dem Schatten des Schweigens zu holen“, sagte die Bischöfin. Allein bei dem ersten Euthanasie-Transport seien 136 Jüdinnen und Juden deportiert und noch am selben Tag in der Gaskammer von Brandenburg ermordet worden.
Erinnerung ist mehr als intellektuelle Auseinandersetzung
„Auch wir Kirchen haben uns in dieser Nazi-Diktatur schuldig gemacht“, sagte Fehrs. Abgründig seien die Berichte von Ärzten und Pastoren, Schwestern und Pflegern. Sie hätten es nicht nur zugelassen, sondern aktiv daran mitgewirkt, dass die ihnen anvertrauten Schützlinge in die Arbeits- und Vernichtungslager des Naziregimes abtransportiert wurden. „Ich kann nur erschüttert erkennen und klar aussprechen, dass die Kirche in entscheidender Stunde über alle Maßen versagt hat.“
Der Gedenkort werde wachhalten, was damals geschah, sagte Fehrs. Dies sei umso wichtiger, weil es in Deutschland immer noch Judenfeindlichkeit und Rassismus gebe und die stillschweigende Hinnahme von Ausgrenzung, Pöbeleien und Gewalt gegenüber Menschen anderer Hautfarbe, anderen Glaubens, anderer Herkunft. Wie ein gefährliches Virus sei völkisches Denken erschreckend präsent.
An einem Gedenkort wie diesem lasse sich hautnah erfahren, dass Erinnerung mehr sei als eine intellektuelle Auseinandersetzung. Erinnerung sei vielmehr eine „Seelenarbeit“, die eine große Sehnsucht für die Zukunft in sich träge. „Lasst uns beten, handeln und auch streiten – für diese Sehnsucht nach Leben, das geliebt und geschützt gehört und auf dieser Welt Recht hat – immer“, sagte die Bischöfin.