Hamburg. Beraterin Cornelia Siebel unterstützt im Ehrenamt eine Programmierschule für Jugendliche – mit Erfolg. Hilfe für Flüchtlinge.

Hacker School? „Das klang zunächst einmal interessant“, sagt Cornelia Siebel. Aber so ganz genau habe sie nicht gewusst, was da genau auf sie zukommen wird. Das war im Herbst. Nach den ersten Treffen mit den Machern des sozialen Projekts, das Kindern und Jugendlichen Lust am Programmieren vermitteln will, war der selbstständigen Beraterin klar: „Es ist ein Glücksfall. Ich hätte es mir nicht besser aussuchen können.“ Seit nunmehr fünf Jahren engagiert sich Siebel neben Job und Familie ehrenamtlich als Coach für den Hamburger Verein Startsocial. Sie hatte schon mit Projekten zu häuslicher Gewalt zu tun, Kinderarmut und Flüchtlingen. Und jetzt die Hacker School. Anfang November startete sie gemeinsam mit einer Co-Beraterin in ihren Freiwilligendienst.

Unbequeme Fragen

„Es erfordert auch Unerschrockenheit“, sagt die Fachfrau für Strukturen und Prozesse, die vor ihrer Selbstständigkeit 15 Jahre lang in verschiedenen Firmen in der Industrie gearbeitet hat. „Ich habe jede Menge Fragen gestellt, auch unbequeme.“ Jetzt sitzt sie in einem Büro in der Kommunikationsagentur Ministry Group, sozusagen der Heimatbasis der Hacker School. Mit am Tisch ist Andreas Ollmann, geschäftsführender Gesellschafter und einer der Gründer des Projekts. Seit 2014 organisiert er zusammen mit einem Team die Kurse für junge Computer-Enthusiasten. Ehrenamtlich. Dahinter steht ein Netzwerk aus 60 Männern und Frauen, ausschließlich professionelle IT-Spezialisten, die sich als sogenannte Inspirer alle paar Wochen mit den Jugendlichen in die digitale Welt begeben und Wissen und Begeisterung vermitteln. Natürlich auch ehrenamtlich in ihrer Freizeit.

An dieser Stelle ist nicht unwichtig zu erwähnen, dass die Hacker School nichts mit Cyberangriffen und kriminellen Machenschaften im Internet zu tun hat. Der Begriff ist in seiner ursprünglichen Bedeutung vom englischen Wort Hack für technischer Kniff gemeint. „Wir hatten den Eindruck, dass Deutschland die digitale Revolution verschläft“, sagt Mitinitiator Ollmann. Einerseits würden überall händeringend IT-Fachleute gesucht, andererseits komme das Fach Informatik kaum in den Schulen vor. „Da muss man etwas tun“, erklärt er die private Initiative. Seine Vision: Warum soll der nächste Mark Zuckerberg nicht aus Norddeutschland kommen? Das hat den Gründern schon einige positive Schlagzeilen gebracht, Anfang des Jahres stattete zum Beispiel Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier der Programmierer-Schmiede zusammen mit seiner Ehefrau einen Besuch ab.

Jetzt wollen die Gründer das Projekt ausbauen. In Kurzform: mehr Kurse, mehr Städte, mehr Kooperationspartner. „Außerdem wollen wir die Kompetenzen integrieren, die viele Flüchtlinge mitbringen“, sagt Ollmann. Hacker School Plus heißt die Weiterentwicklung, in die auch städtische Fördermittel fließen. Die Idee: Flüchtlinge mit IT-Kenntnissen als Co-Lehrer in den Hacker-School-Klassen einsetzen und so parallel Chancen auf Praktika in den kooperierenden Firmen bieten. Das Problem: „Wir brauchten Beratung, um die Strukturen aufzubauen“, sagt Kommunikationsexperte Ollmann.

Der Verein Startsocial vermittelt „Hilfe für Helfer“

Und da kommen Startsocial und Cornelia Siebel ins Spiel. Der 2001 unter der Federführung der Beratungsfirma McKinsey gegründete Verein mit dem Motto „Hilfe für Helfer“ hat sich zum Ziel gesetzt, ehrenamtliches soziales Engagement durch den Wissenstransfer zwischen Wirtschaft und Initiativen zu befördern. Zu den Sponsoren gehören Allianz und Deutsche Bank. Die erste Stufe des bundesweiten Wettbewerbs unter Schirmherrschaft von Kanzlerin Angela Merkel sind viermonatige Beratungsstipendien für 100 ausgewählte Projekte. Cornelia Siebel ist eine von mehr als 200 freiwilligen Coaches, die bei der diesjährigen Runde dabei sind. Darunter sind IT-Experten, Juristen, Behördenmitarbeiter und immer häufiger auch Führungskräfte.

„Das Besondere ist, dass die Ehrenamtlichen sich mit den Kernkompetenzen aus ihren Arbeitsbereichen bei uns einbringen können“, sagt Startsocial-Vorstand Sunniva Engelbrecht. Neben den Coaches engagieren sich jährlich weitere 300 Wirtschaftsexperten als Juroren, die die Bewerbungen und Abschlussberichte der Projekte beurteilen. Insgesamt leisten sie, so die Statistik, 18.000 ehrenamtliche Arbeitsstunden. Dass der Verein so erfolgreich ist, liegt auch an der passgenauen Vermittlung der Berater, die sich stark nach den Anforderungen der Bewerber richtet. „Es ist eine Art Partnerschaftsvermittlung für soziale Projekte“, sagt Engelbrecht. Mit Vorteilen für beide Seiten: 81 Prozent der Coaches haben bei einer Befragung angegeben, dass sie sich durch Startsocial persönlich weiterentwickelt haben.

Flüchtlinge mit IT-Erfahrung gesucht

Im Fall der Hacker School wurde schnell klar, dass die Pläne der Digital-Enthusiasten deutlich schwieriger umzusetzen waren als erwartet. „Wir haben erst mal Ideen entwickelt, wie wir an Flüchtlinge mit IT-Erfahrung kommen“, sagt Cornelia Siebel. Auf der anderen Seite merkten die Macher schnell, dass sie Kontakte zu Unternehmen brauchten. Schritt für Schritt strukturierte die Beraterin mit den Projektverantwortlichen die einzelnen Arbeitsschritte. „Das erfordert viel Geduld“, sagt die 46-Jährige, die dabei auch auf ihre beruflichen Erfahrungen und ihr eigenes Netzwerk in der IT-Branche zurückgreifen konnte.

Die Expertise, mit der sie sonst ihren Lebensunterhalt verdient, bringt sie für den guten Zweck ein. Schnelle Erfolge? Eher nicht! Warum sie sich trotzdem engagiert? „Ich habe Kontakt zu Menschen, denen ich in meinem normalen Berufsalltag nicht begegnen würde und kann von ihnen lernen“, sagt Cornelia Siebel. Die Entscheidung, sich bei Startsocial zu bewerben, hatte die Othmarschenerin gefasst, als ihre beiden Kinder noch klein waren. Neugierde, sagt sie, sei ein wichtiger Grund gewesen. Mindestens fünf Stunden in der Woche investiert sie in den Projektphasen für den Freiwilligendienst. „Ich bekomme das zusätzlich hin, weil es mir wichtig ist.“ Die Di­plom-Kauffrau passt nicht in das Bild von aufopfernden Freiwilligen. Gezielte Hilfe, ja. Aber die Welt retten, das ist nicht ihr Ding.

Blick von außen

Besser hätte es wohl kaum passen können. Inzwischen hat das Team der Hacker School einen Plan, wie sie in Flüchtlingsunterkünften, über den städtischen Träger Fördern und Wohnen und Kooperationen mit anderen Flüchtlingsinitiativen die richtigen Leute für ihr ehrgeiziges Integrationsprojekt finden kann. Auch Kontakte zu Firmen, die den Aufbau weiterer Kurse unterstützen wollen, sind in den vier Monaten geknüpft worden. Offiziell ist die Zusammenarbeit damit beendet.

„Die Beratung hat uns sehr geholfen“, sagt Projektgründer Ollmann. Der Blick von außen und jede Menge kritische Fragen hätten die Arbeit effizienter gemacht. „Wir sind schneller zu den entscheidenden Punkten gekommen.“ Außerdem habe Siebel geholfen, die Vorgaben von Startsocial zu erfüllen, unter anderem musste eine Art Businessplan erstellt, eine Präsentation vorbereitet und ein Abschlussbericht geschrieben werden. Bis zur Preisverleihung des Wettbewerbs im Frühsommer sind es nur noch ein paar Wochen. 25 der insgesamt 100 Initiativen werden im Beisein der Bundeskanzlerin in Berlin ausgezeichnet, darunter auch sieben mit Geldpreisen.

Die Beraterin will das Projekt weiter unterstützen

„Jetzt wollen wir auch gewinnen“, sagt Ollmann selbstbewusst. Inzwischen sind die ersten 30 Geflüchteten für die Mitarbeit gefunden. Es gibt konkrete Pläne für mehr Veranstaltungen auch außerhalb Hamburgs, zum Beispiel in München und Ahrensburg. Cornelia Siebel nickt. Sie hat es auch gepackt. „Ich bin dem Projekt sehr verbunden und will es weiter unterstützen“, sagt sie und lacht. Ehrensache, dass sie mitkommt, sollte das Team nach Berlin eingeladen werden. Sagt es und holt ein T-Shirt aus der Tasche. „Hacker School“ ist in großen Buchstaben aufgedruckt. Es gehört ihr.

Beim Hamburger Verein Startsocial können Fach-und Führungskräfte in einem zeitlich begrenzten Rahmen soziale Initiativen bei der Weiterentwicklung unterstützen. Unter www.startsocial.de gibt es weitere Infos und ein Online-Bewerbungsformular. Die nächste Möglichkeit für ein Engagement bietet sich als Juror im Juli 2018.Kontakt und Informationen zur Hacker School unter www.hacker-school.de