Hamburg. Über Jahre ist die Stammbelegschaft auf Finkenwerder nicht gewachsen. Laut dem Arbeitsdirektor soll sich das jetzt ändern.
Airbus hat in den vergangenen Wochen Negativschlagzeilen gemacht. Bis zu 3700 Stellen sollen konzernweit gestrichen oder verlagert werden. Der Grund: Die Produktionsraten beim Militärtransporter A400M und dem größten Passagierflugzeug der Welt, A380, werden gesenkt. Was das für Hamburg bedeutet, erklärt dem Abendblatt Marco Wagner (48), Arbeitsdirektor von Airbus in Deutschland.
Herr Wagner, um wie viele Stellen geht es in Deutschland?
Marco Wagner: Es sind etwa 1900 Stellen. Betroffen sind vor allem Premium Aerotec in Augsburg und das Bremer Airbus-Werk. Dort sind wir in den Verhandlungen mit unseren Sozialpartnern. Ich weiß, dass die Zahlen in Zuge der Ratenanpassung in den Programmen A380 und A400M für große Verunsicherung gesorgt haben – auch in der Öffentlichkeit. Man muss aber klarstellen: Wir verlieren nur isoliert auf diese beiden Programme Beschäftigung. Viel wichtiger ist es, mit den Mitarbeitern über Mobilität zu reden. Wir hatten 2017 im Konzern mit 130.000 Mitarbeitern weltweit 16.000 interne Stellenwechsel. Das ist für uns normal. Unter die genannte Zahl 1900 fielen in Hamburg 700 Stellen. Das heißt aber nicht, dass wir uns von diesen 700 trennen wollen.
Sondern?
Wagner: In Hamburg müssen wir für 300 Beschäftigte aus dem A380-Programm noch Lösungen finden. Das werden wir im Dialog mit den Arbeitnehmern schaffen. Kein einziger von ihnen muss den Standort wechseln. Bleiben 400 Wechsel übrig, die rein positiv zu betrachten sind. Diese Mitarbeiter werden zum Beispiel in der neuen, vierten Endmontagelinie der A320-Familie in Hamburg eingesetzt. Die Rate unseres Verkaufsschlagers fahren wir von gut 50 pro Monat auf 60 Mitte des nächsten Jahres hoch. Oder die Beschäftigten arbeiten in der neuen hochmodernen Strukturmontage. Durch die Ratenanpassung muss in Hamburg kein Stamm-Mitarbeiter gehen. Im Gegenteil: Wir brauchen sogar externe Mitarbeiter.
Das heißt, Sie wollen einstellen?
Wagner: Ja. Das haben wir übrigens auch im schwierigen vergangenen Jahr gemacht, als wir die Rate des A380-Programms mehr als halbiert und die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich in Hamburg um 500 Stellen reduziert haben. Alle Mitarbeiter haben auf Finkenwerder neue Aufgaben gefunden. Das lief übrigens annähernd geräuschlos ab – obwohl ein A380 die gleiche Beschäftigungswirkung hat wie sieben A320-Maschinen. Wir wollen in diesem Jahr 1400 externe Einstellungen konzernweit in Deutschland vornehmen. Und das ist eine Minimalzahl. In Hamburg wollen wir etwa 600 Jobs schaffen.
Werden das ausschließlich externe Einstellungen sein oder auch Leiharbeiter?
Wagner: Beides. Ich gehe davon aus, dass wir etwa 400 Leiharbeitskräfte übernehmen werden, 200 werden Externe sein. Wir suchen diese über Stellenportale, soziale Netzwerke und Personalvermittler. Zu zwei Dritteln brauchen wir Facharbeiter, zu einem Drittel Akademiker. Gesucht werden zum Beispiel Informatikingenieure oder Mechatroniker – und besonders gern Frauen.
Zum Jahreswechsel hatten Sie rund 12.500 Mitarbeiter in Hamburg. Also werden es dann in einem Jahr – legt man Ihre Zahlen zugrunde – rund 13.000 sein?
Wagner: Das kann man so nicht sagen. Denn Sie haben die Fluktuation und Demografie außer Acht gelassen. Grundsätzlich aber wird die Zahl der fest angestellten Mitarbeiter in Hamburg zulegen, nachdem sie in den Vorjahren eher gesunken ist.
Noch einmal nachgehakt: Wie viele Mitarbeiter werden es in Hamburg unter dem Strich mehr sein?
Wagner: Unser Geschäft ist sehr stark von kurzfristigen Schwankungen betroffen. Wir haben zwar einen großen Auftragsbestand, allerdings auch bei Zulieferern wie Triebwerksherstellern immer wieder Probleme. Deshalb ist da ein Schwankungspotenzial drin, das es mir sehr schwer macht, eine konkrete Aussage zu treffen. Umso mehr brauchen wir die Flexibilität mit Leiharbeitern. Auch wenn sie für uns sehr teuer sind, weil sie das gleiche Gehalt wie die fest angestellten Mitarbeiter erhalten und die Firma eine Gebühr von uns bekommt.
Was passiert generell mit der Zahl der Leiharbeiter?
Wagner: Die Zahl der rund 2000 Leiharbeiter wird reduziert. Entscheidend dafür sind zwei Faktoren. Durch die Ratenanpassung beim A380 haben wir dort weniger Bedarf. Zum anderen haben wir in anderen Bereichen zu viel Flexibilität – die Leiharbeit ja bringen soll – und bauen diese ab, indem wir die Mitarbeiter übernehmen. Vom Gesetz her dürfen Leiharbeiter generell maximal 18 Monate lang ausgeliehen werden. Wir haben mit dem Betriebsrat und der IG Metall eine Vereinbarung getroffen, dass wir sie drei Jahre lang einsetzen dürfen. Das liegt daran, dass wir hoch spezialisierte Jobs haben, die ein sehr langes Einarbeiten erfordern. Ohne diese Regelung wäre es uns gar nicht möglich, auf Leiharbeiter zurückzugreifen und uns damit die nötige Flexibilität zu erhalten.
Die vierte Endmontagelinie in Hamburg ist sehr flexibel. Sie kann innerhalb weniger Tage ab- und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden. Wird sie dauerhaft in Hamburg bleiben?
Wagner: Zurzeit beschäftigt uns der Hochlauf der Produktion. Eine Festlegung machen wir nicht, weil das etwas Defensives ist. Wir in Hamburg müssen mit Qualität und Leistung zeigen, dass man sich auf uns im Konzern verlassen kann. Unsere Arbeitsplätze in Deutschland können wir am besten durch Leistung sichern.
In vielen Firmen steht ein Generationswechsel bevor, viele Arbeitnehmer gehen bald in den Ruhestand. Wie sieht das bei Airbus aus?
Wagner: Unser Durchschnittsalter in Deutschland liegt bei 44 Jahren, im vergangenen Jahr gab es 70 Rentenabgänge. Das wird sich erhöhen: 2020 sprechen wir von über 300, 2022 von über 400 und 2025 von über 500 Rentenabgängen pro Jahr. Durch diese demografische Entwicklung ergeben sich viele Chancen für uns, zum Beispiel um IT-Personal aufzustocken. Wichtig ist und bleibt: Das Zusammenwirken von Erfahrenen und Jungen bringt den Erfolg.
Wie sieht es an den anderen Standorten in der Metropolregion aus, also in Stade und Buxtehude?
Wagner: In Stade erwarte ich bei den Mitarbeitern eine stabile Entwicklung, es wird einige Einstellungen geben, wir wollen in das Werk weiter investieren. Buxtehude ist eine kleine, sehr erfolgreiche Einheit am Markt, die personell ebenfalls stabil bleiben wird.