Hamburg. Der Konzern will mit Sammelfahrten den Markt erobern. Mehr als 300 Wagen fuhren in der Protestdemo mit. Fahrer haben Zukunftsängste.

Um 11.15 Uhr ist die Glacischaussee dicht. Neben ihr liegt das verlassene Gelände des Hamburger Doms, auf dem die Achterbahn stillsteht und das Kettenkarussell seine Sitze hängen lässt. Auf der Straße davor stehen an diesem Dienstagmorgen rund 300 Taxis in drei Reihen. Die Taxifahrer sind gut drauf. Die Sonne knallt auf ihr Autodach, es gibt Kaffee aus Pappbechern. Gleich wollen sie losrollen, um zu protestieren. Gegen schlechte Arbeitsbedingungen. Und gegen Moia, ein Tochterunternehmen des Volkswagen-Konzerns.

Moia will zusammen mit der Hamburger Hochbahn noch in diesem Jahr erste Elektrobullis auf Hamburgs Straßen schicken. In ihnen haben bis zu sechs Menschen Platz, die Fahrten über eine App buchen und sich so den Preis teilen können. 2019 sollen es laut VW schon 1000 Bullis sein. Viele der Hamburger Taxifahrer sehen das skeptisch. Sie wollen nicht, dass die Verkehrsbehörde dem Unternehmen eine Zulassung gibt.

Ist und bleibt kämpferisch: Taxifahrer Clemens Grün
Ist und bleibt kämpferisch: Taxifahrer Clemens Grün © © Michael Arning | © Michael Arning

Als sich die Taxischlange auf der Glacischaussee um 12 Uhr langsam in Bewegung setzt, fährt Clemens Grün in seinem Toyota Hybrid ganz vorn. „Wer meint, Taxis seien teuer, wird sich wundern, wenn die großen Konzerne übernehmen“, sagt er. Grün ist 58 Jahre alt, trägt ein Bluetooth-Headset im Ohr und fährt seit zwölf Jahren Taxi. Nebenbei ist er Vorsitzender des Hamburger Taxenverbands. Grün hat die Demo angemeldet. Um 13 Uhr soll er bei einer Kundgebung vor der Verkehrsbehörde sprechen – wie auch drei weitere Vertreter der Taxifahrer.

Uber hat Taximarkt vernichtet

Schon nach ein paar Metern klingelt sein Handy: Die letzten in der Schlange verlieren den Anschluss. Grün fährt Schritttempo. „Mit den großen Konzernen ist es immer das Gleiche. Erst drücken sie die Preise, bis die anderen aufgeben. Dann ziehen sie sie an. Uber hat in San Francisco so zwei Drittel des gesamten Taximarkts vernichtet“, sagt Grün. Es gibt derzeit rund 3000 Taxis in Hamburg.

Die Angst vor den großen Konzernen teilen seine Kollegen in den Autos hinter ihm. Zum Beispiel Farhad Rahimian. „Moia kann unsere Preise einfach unterlaufen“, sagt der 38-Jährige, der seit zwölf Jahren Taxi fährt. Laut seinem Kollegen Sabri Özer kommen andere Probleme hinzu. „In Hamburg gibt es unglaublich oft Stau. Auch das Carsharing macht uns mittlerweile Konkurrenz“, sagt er. „Wir verdienen ohnehin nicht viel – Kleinvieh macht aber auch Mist. Doch wenn Moia kommt, haben wir selbst das Kleinvieh nicht mehr.“

MyTaxi bietet auch Pooling an

Bei Moia teilen sich Menschen einen Bulli. „Pooling“ nennt sich das Prinzip. Kunden bestellen ein Fahrzeug über eine App, eine Software fasst dann Fahrgäste mit vergleichbaren Zielen zusammen. Die Haltepunkte entstehen spontan und ergeben sich aus den Kundenwünschen. Sie sollen nie weiter weg als 250 Meter von einem Fahrgast entfernt sein. Die Folge, laut Moia: weniger Emissionen, leerere Straßen, keine Leerfahrten.

Eigentlich doch eine gute Idee? „Die Option, sich ein Taxi zu teilen, gibt es bei MyTaxi auch seit Dezember“, sagt Grün. MyTaxi ist eine App, über die zugelassene Taxifahrer ihre Fahrten anbieten können, auch Grün macht das. Er gibt aber zu, dass die Funktion bisher kaum jemand kenne.

Genehmigung noch nicht erteilt

Nachdem die Verkehrsbehörde die Taxiverbände im Dezember über die Moia-Pläne informiert hatte, habe Grüns Verband die Verkehrsbehörde auf Probleme hingewiesen. Die Bullis könnten nämlich weder Rollatoren noch Rollstühle mitnehmen. „Eine völlige Fehlkonstruktion“, sagt Grün. „Jetzt wollen sie Sonderbusse machen für Behinderte. Wo wir überall über Inklusion reden, ist das doch absurd!“ Ganz langsam schiebt sich Grüns Taxi dabei die Mönckebergstraße herunter, am Rathaus vorbei. Alle hupen, die Leute gucken. Grün zeigt auf einen Mann im Rollstuhl, der ihm zuwinkt. „Der dürfte bei Moia nicht mitfahren.“

Kommentar: Zukunft ohne Jobs

Die Verkehrsbehörde sagt, Moia könne Taxis, Busse und Bahnen erweitern und ergänzen. „Hamburg hat ein großes Interesse daran, den Einsatz von Elektrofahrzeugen im Personenverkehr auszubauen“, sagt Sprecher Christian Füldner. Wann und ob seine Behörde Moia eine Genehmigung erteilt, dazu wolle er sich nicht äußern.

Sie wollen klagen

Die Taxifahrer gehen aber davon aus, dass Moia kommt. „Wir glauben, dass das von den Spitzen in Senat und Behörden so gewollt ist“, sagt Grün. „Sobald die Zulassung durch ist, klagen wir.“ Eine Internetseite gibt es auch schon: Sie heißt „dieklage.de“.

„Ich träume ja davon, irgendwann 100 Taxis vor das Rathaus zu stellen. Aber das bewahre ich mir noch auf“, sagt Grün. Vielleicht hat er ja bald Grund dazu.