Die Taxifahrer-Demo zeigt, dass Arbeitsplätze unter die Räder kommen. Was tun?
In der schönen neuen Welt wird man einen der größten Filme des 20. Jahrhunderts weder drehen noch verstehen können. In „Night on Earth“ von Jim Jarmusch treffen in fünf Städten Reisende auf Taxifahrer – es sind Geschichten voller Witz und Tragik, voller Wärme und Absurdität. Sie alle erzählen von dem Taxi als Ort der Begegnung, der zum Beichtstuhl, zur Besetzungscouch, zur Lebensberatung wird. Vielleicht wird der Film bald so fremd erscheinen wie ein russischer Stummfilm aus der Zarenzeit: Taxifahrer könnten bald überflüssig sein.
Das neue Mobilitätsprojekt Moia in Hamburg verspricht nicht weniger als die Zukunft der Mobilität, es will als interaktives Sammeltaxi Menschen von A nach B bringen und später autonom fahren. Das erfreut den Kunden und treibt Taxifahrern den Angstschweiß auf die Stirn und die Zornesröte ins Gesicht: Sie fürchten um ihre Jobs und haben dagegen gestern mit einem Autokorso protestiert.
Ihre Ängste sind nicht unbegründet – und sie stehen nicht allein: Mit der digitalen Revolution drohen in Deutschland Millionen Jobs wegrationalisiert zu werden. Jeder vierte sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer, so schätzt das Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung, könnte von Computern oder Robotern ersetzt werden. Bei einfachen Jobs steht theoretisch sogar jeder zweite Arbeitnehmer auf der Kippe. Durch den digitalen Wandel steigen die Quoten der „substituierbaren“ Jobs weiter an. Noch vor wenigen Jahren hätte man den Job des Taxifahrers für krisenfest gehalten – inzwischen aber können vernetzte Daten, Algorithmen und Sensoren, was man früher für Science-Fiction gehalten hätte.
Die Schnelligkeit der Entwicklung und ihre wachsende Wucht zwingen die Politik zu handeln. Sie ist dabei in einer misslichen Lage. Sie wähnt sich auf einer Insel der Seligen, weil die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Jobs derzeit noch von Rekordhoch zu Rekordhoch eilt und die Versuchung groß ist, den Status quo fortzuschreiben und sich der Realität zu verweigern. Wer den Fortschritt gestaltet, wird Sieger und Verlierer produzieren. Wer ihn aber nicht gestaltet, wird nur Verlierer hinterlassen.
Maschinensturm mag revolutionäre Herzen wärmen, erfolgreich war er nie. Verbote helfen nicht weiter. Deutschland muss die Chancen der Digitalisierung ergreifen und sie gestalten – sonst werden es andere tun.
Die möglichen Verlierer der digitalen Revolution müssen gleichwohl in den Fokus rücken. Dies wird dadurch erschwert, dass in den kommenden Jahren vor allem Jobs für Seiteneinsteiger oder Geringqualifizierte wegfallen werden. Der Job des Taxifahrers etwa war oft für Migranten, aber auch für ehemalige Politikstudenten der Weg in eine sozialversicherungspflichtige Stelle. Während der Bedarf an solchen Einsteigerstellen in den kommenden Jahren durch die lange ungezügelte Migration wachsen wird, sinkt das Angebot. Nicht jeder Taxifahrer von heute kann der Kindergärtner von morgen oder der Altenpfleger von übermorgen sein.
Bildung und Weiterbildung sind ein Weg, aber beileibe nicht der einzige. Wenn Maschinen Menschen ersetzen, wird der Staat bald die Maschinen und Rechner besteuern müssen – und nicht mehr die Arbeit. Und am Ende wird die Gesellschaft, wird jeder Einzelne für sich die Frage beantworten müssen, was ihr und ihm menschliche Dienstleistungen wert sind. Das Gespräch mit dem Taxifahrer ist heute im Preis inbegriffen – und manchmal so faszinierend wie in „Night on Earth“.