Hamburg. Mobilitätsprojekt Moia soll in die Hansestadt kommen. Taxifahrer protestieren heute gegen die Pläne für autonom fahrende Minibusse.

Wer durch die Hamburger Büroräume der erst Ende 2016 gegründeten­ VW-Tochtergesellschaft Moia schlendert, sieht vor allem viele Computerbildschirme. Mittlerweile schon 80 Mitarbeiter entwickeln hier ein neues Mobilitätskonzept, das den Stadtverkehr revolutionieren könnte. Ein Angebot zwischen Taxi und öffentlichem Nahverkehr – so in etwa ist das Prinzip. „Ride-Pooling“, nennt sich das und funktioniert ähnlich wie ein Sammeltaxi – nur eben optimiert durch moderne Software und mit emissionsfreien Fahrzeugen.

In Hamburg soll schon Ende des Jahres ein Pilotprojekt starten, das einmal bis zu 1000 speziell für diesen Dienst entwickelte Fahrzeuge mit sechs Passagierplätzen umfassen soll.

Ganz am Ende sollen die Elektrofahrzeuge ohne Fahrer durch die Städte rollen. Das Abendblatt hat mit Moia-Geschäftsführer Robert Henrich über den Stadtverkehr der Zukunft, einen Test in Hannover und die Reaktion der Taxibranche gesprochen (siehe auch Infobox).

Robert Henrich, Moia-Geschäftsführer
Robert Henrich, Moia-Geschäftsführer © Moia

Wie läuft denn der Test in Hannover aktuell?

Robert Henrich: Sehr gut. Wir sind dort im Oktober 2017 mit 20 Fahrzeugen gestartet. Seitdem hatten wir 100.000 Buchungen. Das ist ein großer Erfolg. Allerdings haben wir in Hannover noch nicht die neuen Elektrobusse im Einsatz. Die werden gegen Ende des Jahres erstmals in Hamburg fahren.

Und funktioniert das Prinzip schon?

Ja, wir wollten ursprünglich mit 3500 Testkunden starten, die Nachfrage war aber bereits nach dem Start so groß, dass wir es in dieser ersten Phase erst mal bei 1700 Testern beließen und die Fahrzeugflotte auf 35 aufgestockt haben. Nun können wir die Zahl erhöhen.

Aus der Taxibranche kam bereits Protest, weil die Fahrten nur sechs Cent kosten. Von Dumpingpreisen sprachen da einige.

Ganz wichtig: Der symbolische Preis von sechs Cent pro Person und Kilometer gilt in Hannover nur während der Erprobung des Systems mit einer geschlossenen Gruppe von Testern. Da wir in Hannover noch keine Konzession für den Regelbetrieb haben, dürfen wir schon aus rechtlichen Gründen keinen höheren Fahrpreis erheben. Im späteren Regelbetrieb liegen die Preise definitiv höher.

Wird das Taxi ein aussterbendes Produkt sein, wenn die Moia-Busse erst einmal offiziell durch die Städte rollen?

Klares Nein. Wir verstehen uns als ergänzendes Angebot zwischen Taxi und Nahverkehr. Das Taxi wird als Angebot seinen Platz behalten, insbesondere wenn man es eilig hat und exklusiv von Tür zu Tür fahren will. Es besteht aber eine große Angebotslücke zwischen Taxi und Bus. Daher fällt es vielen Menschen schwer, auf das eigene Auto zu verzichten, gerade auch in den Randbereichen einer Stadt. Noch beherrscht das Auto den Stadtverkehr, dabei ist es teuer und wenig effizient. Man muss nur auf die Straßen schauen: Die Autos sind meist nur mit einer Person besetzt. Da werden unglaublich viele leere Sitzplätze herumgefahren!

Welchen Anteil streben Sie denn an?

Das Auto macht heute in Hamburg etwa 40 Prozent des Verkehrsanteils aus, der ÖPNV liegt bei etwa 20 Prozent, der Radverkehr bei zwölf Prozent. Wir streben mit Moia in den nächsten Jahren einen Marktanteil von ungefähr einem Prozent an.

Und wie teuer wird es für die Kunden tatsächlich einmal?

Der Preis wird zwischen den Kosten einer Taxifahrt und denen einer Busfahrt liegen. Fünf Kilometer kosten beim Taxifahren beispielsweise 15 Euro, ein Bus- oder Bahnticket etwa 3,30 Euro. Wir werden dazwischen liegen.

Und wie lange muss ein Kunde warten, bis ein solcher Elektrobus kommt?

Fünf bis zehn Minuten sind der Normalfall, manchmal auch weniger. Das hängt von der Fahrzeugverfügbarkeit ab. Wir können uns das ja einmal anschauen und tun so, als seien wir in Hannover ...

(Henrich holt sein Smartphone aus der Tasche und tippt kurz auf die installierte Moia-App. Er gibt den Abfahrtspunkt und das gewünschte Ziel ein. Wenig später erscheint eine Karte mit Markierung und Hinweis, wo der Bus in sieben Minuten halten wird und wann in etwa das Ziel erreicht sein wird. Später soll auch der konkrete Fahrpreis angezeigt werden. Das Programm stellt die Fahrten dann so zusammen, dass sich bis zu sechs Fahrgäste den Weg teilen, also auch kleine Umwege in Kauf nehmen müssen.

Wir arbeiten mit virtuellen Haltestellen, die verkehrsgünstig liegen und nicht weiter als 250 Meter vom Kunden entfernt sind.

Kritiker sprachen dabei vom Rosinen­picken, werden Sie nur Stadtteile bedienen, in denen es sich lohnt?

Nein, anfangs starten wir mit Sicherheit noch mit einem reduzierten Gebiet, das aber bereits weite Teile der Stadt umfassen wird. Das Angebot soll es aber später für die ganze Stadt geben, um auch alle Hamburger ansprechen zu können.

Nun gibt es schon einen Mitbewerber, und auch Taxiunternehmen sind mit Sammelangeboten auf dem Markt, wo ist der Unterschied zu Moia?

Ja, die Zahl der Angebote explodiert geradezu, das war auch unsere Prognose. Aus unserer Sicht ist es gut, wenn es viele neue Mobilitätsangebote gibt, das erhöht gerade in der Anfangszeit die Bekanntheit und Akzeptanz. Das Besondere bei Moia ist aber die Konsequenz, mit der wir an den Markt gehen. Wir haben ein eigenes Elektrofahrzeug entwickelt, in dem man nicht wie in einem Pkw dicht an dicht sitzen muss, sondern mit etwas Abstand, und bei dem auch das Ein- und Aussteigen komfortabel ist. Wir kümmern uns zudem um die Fahrer, das Flottenmanagement, die Software und die App. Wir bieten also alles aus einer Hand.

Es fällt auf, dass gerade die großen Auto-hersteller bei neuen Mobilitätsangeboten mitmischen: Seien es solche Sammelstadtbusse, Carsharingmodelle oder auch autonom fahrende Busse. Eine Vielzahl von völlig neuen Geschäftsmodellen sind derzeit in der Planung, gerade in Hamburg. Gleichzeitig steigen hier die Zulassungszahlen privater Pkw. Wie passt das zusammen?

Ja, in Hamburg sind derzeit etwa 783.000 Pkw angemeldet, so viel wie nie. Noch ist der Marktanteil der neuen Mobilitätsangebote wie Carsharing sehr klein und liegt meist bei weniger als einem Prozent. Zugleich stößt der öffentliche Nahverkehr an seine Kapazitätsgrenzen, und der Platz auf Straßen und Parkplätzen ist begrenzt. Erst wenn es einen breiten Angebotsmix verschiedener Mobilitätsformen gibt, wird sich die Situation grundlegend ändern. Wir glauben fest an eine Verkehrswende, weil es in den Städten anders bald nicht mehr geht – und die großen Hersteller wollen eben Teil der Lösung solcher Probleme sein.

Und wann glauben Sie, werden tatsächlich autonom fahrende Busse auf den Straßen zu sehen sein, auch von Moia?

Nun, autonom fahrende Fahrzeuge werden den Nahverkehr revolutionieren. Die Kosten pro Kilometer werden deutlich sinken. Dadurch werden die Geschäftsmodelle auch außerhalb der Stadt wirtschaftlich, und nachhaltige Mobilität wird für noch mehr Menschen zugänglich. Aber wann das sein wird, ist noch völlig offen. Mir scheinen dabei die rechtlichen Herausforderungen noch größer zu sein als die technischen. Aber irgendwann im nächsten Jahrzehnt wird es wohl so weit sein.