Hamburg. Von Allwörden und Junge zahlen dem Berufsnachwuchs teils mehr als Tarif. Kleinere Betriebe gehen mit.

Der Slogan auf dem Plakat lautet „Rock den Laden!“, daneben sieht man zwei junge Frauen in trendigen Outfits. So wirbt in Hamburg nicht etwa eine Modekette um Auszubildende, sondern das Bäckereiunternehmen H. von Allwörden. Weiter heißt es da: „Wer rockt, soll auch rollen. Deshalb bekommen Azubis bei uns 250 Euro Führerschein-Zuschuss.“ Außerdem lockt die Bäckerei mit einer Ausbildungsvergütung, die 100 Euro pro Monat über dem Branchentarif liegt, sowie mit Sonderprämien von bis zu 999 Euro über die dreijährige Lehrzeit.

Einer der großen Wettbewerber, die Firma Konditorei Junge, zahlt künftigen Fachverkäufern ebenfalls monatlich 100 Euro mehr als tariflich vorgesehen, einschließlich der Zulagen bei guten Leistungen können es nach Ende der Probezeit sogar 300 Euro mehr als der übliche Azubilohn (500 Euro im ersten bis 770 Euro im dritten Lehrjahr) sein.

„Wir können uns so von Konkurrenten abheben und Bewerber auf uns aufmerksam machen“, sagt Junge-Ausbildungsleiterin Diana Bartsch. „Aber natürlich ist das zusätzliche Geld nur einer von mehreren Faktoren, die am Ende zählen.“ Mindestens ebenso wichtig sei die intensive Betreuung der Auszubildenden.

Andere Branchen zahlen besser

Nicht nur die beiden großen Ketten setzen auf übertarifliche Zusatzleistungen, auch kleinere Betriebe tun das. So gibt es etwa bei der Biobäckerei „Zeit für Brot“ in Ottensen im dritten Lehrjahr 1000 Euro anstatt der Tarifvergütung von 770 Euro für angehende Bäcker.

Der Hintergrund liegt auf der Hand: Angesichts steigender Abiturientenquoten und zunehmender Anziehungskraft der Hochschulen tut sich das Handwerk immer schwerer, noch genügend Nachwuchs zu finden. Zwar ist in Hamburg im Jahr 2017 nach Angaben der Handwerkskammer die Gesamtzahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge erstmals seit 2014 wieder leicht gestiegen (auf 2434 Verträge).

Im Vergleich zu 2007 wird die Tendenz aber sehr deutlich: Damals begannen 118 junge Menschen eine Ausbildung zum Bäcker oder zum Bäckereifachverkäufer, 2017 waren es nur noch 82. Wenig hilfreich dürfte dabei sein, dass die Ausbildungsvergütung für Bäcker im bundesweiten Schnitt mit 637 Euro deutlich hinter dem Mittel für alle Auszubildenden in Handwerk, Industrie und Handel zurückbleibt. Der liegt bei 876 Euro.

Großer Wettbewerb der Firmen um Auszubildende

„Der Wettbewerb um den Nachwuchs ist hart“, räumt Jan Loleit, stellvertretender Geschäftsführer der Bäcker- und Konditoren-Vereinigung Nord, denn auch ein. Zumal schon die Arbeitszeit eines Bäckers Interessenten abschrecken könnte – bei einem Arbeitsbeginn um 4 Uhr morgens sind zumindest Filialen am Stadtrand mit öffentlichen Verkehrsmitteln kaum erreichbar.

„Noch schwieriger als für die Backstube kann sich die Nachwuchssuche für den Verkaufsraum gestalten“, sagt Loleit. „Dabei sind freundliche Mitarbeiter hinter der Theke ein sehr wichtiger Faktor für die Überlebensfähigkeit eines Bäckers.“ Gleichzeitig seien die Anforderungen an das Personal gestiegen: Angesichts der erheblich gewachsenen Vielfalt müsse ein Bäckereifachverkäufer das Produkt den Kunden auch erklären können. „Es gibt immer wieder Fragen nach Allergenen, man muss zu glutenfreien und laktosefreien Waren beraten können“, sagt Diana Bartsch.

Viele Ausbildungsplätze sind noch frei

Junge bildet in Hamburg derzeit in 65 Geschäften 60 junge Menschen aus. Für das im August beginnende Ausbildungsjahr 2018 sind nach Angaben des Unternehmens noch rund 30 Plätze in den drei Berufen Fachverkäufer im Lebensmittelhandwerk, Systemgastronom und Fachwirt im Gastgewerbe frei. Die Kette H. von Allwörden hat in Hamburg rund 70 Filialen. „Wir haben hier bis jetzt zwölf Auszubildende für 2018 eingestellt, es sind aber noch mindestens 35 Plätze unbesetzt“, heißt es von dem Unternehmen.

Bei einigen Konkurrenten gibt es allerdings Zweifel, ob monetäre Anreize bei der Suche nach geeigneten Bewerbern für Ausbildungsplätze das beste Mittel sind. „Entscheidend ist doch, ob diese Arbeit den jungen Menschen wirklich Spaß macht und ob das Betriebs­klima stimmt“, sagt Stefan Böse, Geschäftsführer der Stadtbäckerei am Gänsemarkt, der selber drei Auszubildende im Betrieb hat.

Es gibt auch Kritik an einer besseren Bezahlung

So mancher in der Branche argwöhnt gar, Junge und von Allwörden wollten mit den übertariflichen Entgelten erst einmal mehr Kandidaten anlocken, als man benötige, um in den ersten Wochen der Lehrzeit aussieben zu können. Ein Junge-Sprecher weist das zurück: „Das würde sich schnell herumsprechen, und es würde der Reputation unserer Ausbildung sehr schaden.“

Von Allwörden weist auf seiner Ausbildungsseite im Internet denn auch nicht nur auf die Zusatzleistungen in barer Münze hin, sondern führt darüber hinaus eine Reihe weicher Faktoren ins Feld: „Dein neuer Arbeitsplatz duftet immer wunderbar nach frischen Brötchen, die du hier fertig backst.“ Und schließlich habe man es dort „warm und gemütlich“, selbst wenn der Sommer ausbleiben sollte: „180 Grad statt Dauerregen.“