Hamburg. Der Ausbau der S4 von Hamburg nach Bad Oldesloe bringt nicht nur Vorteile. Eine Bürgerinitiative schlägt Alarm.

Im fernen Finnland wird gerade mit Hochdruck das weltweit erste Endlager für hochradioaktiven Müll gebaut. Tief unter der Insel Olkiluoto entsteht unter 1,9 Milliarden Jahren altem und angeblich rissfreiem Granit ein gigantisches Tunnelsystem für nukleare Abfälle. Gebaut für die Ewigkeit. Spätestens bis zum Jahr 2024 soll die Anlage betriebsbereit sein. Laufzeit: 100.000 Jahre.

Mitten durch Wohngebiete?

Ausgerechnet dieses Projekt im hohen Norden versetzt jetzt die Mitglieder einer Hamburger Bürgerinitiative in Angst und Schrecken. Ihre Befürchtung: Nuklearmüll aus ganz Europa könnte dort endgelagert werden – und der Transport könnte auf der Schiene mitten durch Hamburgs Osten rollen. Betroffen wären rund 250.000 Anwohner in der Nähe der Bahnstrecke zwischen Hamburg und Lübeck (Wandsbek, Tonndorf, Rahlstedt, Ahrensburg, Bargteheide). "Es sind Gefahrguttransporte in größerem Umfang zum geplanten Atommüllendlager in Finnland und dem Atommüllzwischenlager in Rødbyhavn in Zukunft zu erwarten", warnt der Wandsbeker Rechtsanwalt Jürgen Mattulat, der sich für die Bürgerinitiative engagiert.

"Es liegt nahe, dass nach Fertigstellung des Endlagers Deutschland und weitere europäische Staaten ihren Atommüll dorthin entsorgen werden und das wesentlich über den Hamburger Hafen und diese Bahnstrecke", sagte Volker Augener von der Bürgerinitiative dem Abendblatt. Das zu vermuten, gebiete allein schon die Kosten-Nutzen-Rechnung Finnlands zu Investition und Betrieb der Tunnelanlagen unter der Insel.

Die Befürchtungen der Hamburger "Bürgerinitiative an der Bahnstrecke Hamburg-Lübeck e.V." gründen sich auf den geplanten Ausbau der Bahnstrasse zwischen beiden Hansestädten. Zwar bringt sie mit der neuen S 4 vom Jahr 2024 an erhebliche Verbesserungen für Pendler. Zugleich soll aber auch der Güterverkehr drastisch zunehmen. Derzeit fahren auf der Eisenbahnstrecke zwischen Hamburg und Bad Oldesloe beziehungsweise Lübeck täglich nicht nur 90 Nahverkehrszüge in jede Richtung, sondern auch Dutzende Güterzüge. Nach dem Ausbau der Trasse könnte die Zahl den Prognosen des Bundes zufolge auf 120 Güterzüge am Tag ansteigen. Auch die Länge der Transporte wird wachsen – von 740 aus 835 Meter.

Hamburger Hafen als Umschlagplatz

Der Hamburger Hafen ist nach wie vor Umschlagplatz für radioaktiven Müll. Nach Senatsangaben wurden allein im vergangenen Jahr 150 Atommülltransporte in der Hansestadt registriert. "Mehrmals pro Woche finden weiterhin Transporte radioaktiver Stoffe durch Hamburg statt", kritisiert Norbert Hackbusch, Abgeordneter der Linken in der Bürgerschaft. Dazu gehörten Uranoxide und das extrem giftige und ätzende Uranhexafluorid.

Die Bürgerinitiative befürchtet nun, dass Atomtransporte auf der Bahnschiene in den hohen Norden mitten durch Hamburger Wohngebiete erfolgen könnten. Auch wenn das bislang weder der Senat, der Bund oder die Deutsche Bahn AG bestätigt haben, entwirft Rechtsanwalt Jürgen Mattulat dieses Szenario: "Stellen Sie sich einmal einen Gefahrgutunfall innerhalb der sechs Meter hohen Lärmschutzwände vor." Rettungs- und Fluchtwege seien jedoch in den Planungsunterlagen der Bahn nicht enthalten.

Erster Erörterungstermin

Erst vor wenigen Tagen hatte die Bürgerinitiative ihre gravierenden Bedenken beim Erörterungstermin für den ersten Planfeststellungsabschnitt der beiden neuen S-Bahngleise gegenüber der Bahn vorgebracht. Die Bürgerinitiative selbst hat sich zum Ziel gesetzt, dass die zukünftig noch deutlich mehr befahrene europäische Güter-Transitstrecke zwischen Lübeck und Hamburg nicht mehr mitten durch Wandsbek, Marienthal, Tonndorf, Rahlstedt, Ahrensburg und Bargteheide führt, sondern parallel zur Autobahn A1 zwei neue Gleise für den Güterverkehr gebaut werden.