Hamburg. Aus einem Safe erbeuten sie Bargeld und Schmuck. Für die Beleuchtung stehlen sie die Weihnachtslichterkette.
Spektakulärer Einbruch in Groß Flottbek: Bisher unbekannte Täter haben im Garten einer Altbau-Villa am Papenkamp ein Erdloch ausgehoben und einen Tunnel ins Souterrain gegraben. Dort flexten sie die Rückseite eines in der Kellerwand verbauten Safes auf, erbeuteten Bargeld und Schmuck. „Die Art und Weise der Tatbegehung ist dreist und spricht für vorbereitete, professionelle Täter“, sagt Polizeisprecher Florian Abbenseth. Es handele sich um einen „sehr speziellen Einzelfall“. Hamburgs Anti-Einbrecher-Spezialeinheit Soko Castle ermittelt.
Die Hausbewohner, ein 52 und 57 Jahre altes Ehepaar, waren zum Tatzeitpunkt Mitte Januar im Urlaub. Zwei Tage vor dem Tunnel-Bau hatte es bereits einen Einbruchsversuch gegeben. Dabei warfen die Täter mit einem Stein ein vergittertes Fenster zum Wirtschaftsraum im Souterrain ein. Die Alarmanlage wurde ausgelöst, darauf rückte die Polizei zur Villa aus, entdeckte aber zunächst keine Hinweise auf einen Einbruch. „Tatsächlich wurde das Haus nicht betreten“, sagt Antje L. (52). Vermutlich hätten die Einbrecher bei dem gescheiterten Versuch aber gesehen, wo sich der Safe befindet.
Die Einbrecher stahlen ein Kissen, um bequemer zu liegen
Am folgenden Wochenende machten sich die Täter an die Arbeit. Wahrscheinlich in der Nachbarschaft stahlen sie eine Schaufel, außerdem Kissen von Gartenmöbeln – wohl um bequemer zu liegen. Für eine bessere Sicht beim Buddeln sorgte Weihnachtsbeleuchtung: Diese hatten die Täter aus einem Baum im Garten von Familie L. gestohlen.
Am Dienstagmorgen, wenige Stunden nach ihrer Rückkehr nach Hamburg, entdeckten die Bewohner das Loch an der Außentreppe, konnten aber im Haus keine Einbruchspuren feststellen. Erst als ein Polizist fragte, was sich hinter dem Loch befinde, dämmerte es dem Ehepaar. „Der Safe war komplett leergeräumt!“, sagt Antje L. Unter den Tatfolgen leide sie nicht. „Vielleicht wäre es anders, wenn die Täter ins Haus eingedrungen wären.“
Sie buddelten immer schön schräg nach unten
Damit sie es bequem hatten und ihre Kleidung nicht verdreckte, drapierten die Täter ein Kissen und ein Stück Pappe vor der Außentreppe der schmucken Villa in Groß Flottbek. Und dann buddelten sie, immer schön schräg nach unten – bis sie in etwa einem Meter Tiefe auf die dünne Kellerwand stießen. Nachdem sie die durchbrochen hatten, öffneten sie mit einer Flex die Rückseite des in der Wand verbauten Safes. Und flüchteten mit ihrer Beute – Bargeld und Familienschmuck – unbemerkt vom Villen-Grundstück am Papenkamp.
Noch heute, gut zwei Monate nach dem Einbruch, ist es Hausherrin Antje L. ein Rätsel, wie es den Tätern gelingen konnte, in dem winzigen Erdloch mit einem Durchmesser von nur rund 40 Zentimetern zu manövrieren. „Da passte höchstens ein Kind rein“, sagt die 52-Jährige. Das Loch sei längst zugeschüttet worden – und zwar mit Beton.
Auf die Luxusautos vor der Tür hatten es die Diebe nicht abgesehen
Am massiven Safe, der im Souterrain stand, konnten zunächst vorne keine Beschädigung feststellen können. „Als wir den Safe öffneten, sahen wir das Loch in der Rückwand. Alles war weg, das Bargeld, der Schmuck, die Autoschlüssel, die Fahrzeugscheine und Ausweispapiere“, sagt Antje L. Allerdings hatten es die Diebe gar nicht auf die Luxusautos vor der Haustür abgesehen. Kripo-Beamte entdeckten später im Tunnel die Schlüssel und die Papiere – nur das Bargeld und der Schmuck fehlten. Den Nachbarn waren die „Bauarbeiten“ auf dem Grundstück von Familie L. nicht aufgefallen. „Wir, unsere Gesellschaft, sollten insgesamt sehr wachsam sein, und gut auf unsere Mitmenschen achtgeben“, findet Antje L. Kurz bevor sie es traf, sei in der Umgebung schon „vier- oder fünfmal“ eingebrochen worden.
So einen Einbruch wie in Groß Flottbek hat es bisher zwar noch nicht gegeben. Die Polizei spricht von einem „Einzelfall“. Doch spezielle Formen von Einbrüchen registriert sie immer wieder. Seit Oktober 2016 kommt es vermehrt zu Einbrüchen über das Dach. Dabei steigen die Täter nicht über Dachfenster oder Luken ein – sie nehmen die Dachziegel ab und brechen dann gewaltsam durch die Dachkonstruktion und Isolierung. In allen Fällen sind es gut organisierte Taten. Die Einbrecher hatten sich jeweils nur frei stehende Hamburger Villen ausgesucht, deren Bewohner nicht zu Hause waren. Keiner der Täter wurde gefasst. Dafür konnten sie bei nahezu allen Einbrüchen hohe Summen erbeuten: In einem Fall war es ein Millionenbetrag, in anderen Fällen mehrere Hunderttausend Euro. Auch das spricht für eine extrem gute Vorbereitung.
Bei solchen Einbrüchen sind immer mehrere Täter am Werk
So kundschaften die Täter die Villen über Tage oder sogar Wochen aus. Bei den Einbrüchen, da ist sich die Polizei sicher, sind immer mehrere Täter am Werk. Während einer das Dach abdeckt und den Einstieg durch das Gebälk sägt, steht mindestens ein Komplize „Schmiere“. Solche Taten, davon gehen die Ermittler ebenfalls aus, dauern oft Stunden. Mehrere Dutzend Einbrüche über das Dach wurden in Hamburg bereits verübt.
Gegen diesen Modus Operandi könnten Bewegungsmelder in den Häusern helfen. Eine solche Sicherung haben normalerweise auch technisch ansonsten gut ausgerüstete Villen nicht. Im aktuellen Fall hätte aber auch ein Bewegungsmelder nicht geholfen. Die Täter hätten jede Art von Alarmanlage umgangen, da sie nicht durch das Fenster oder die Tür kamen. Sie hatten ja noch nicht einmal die Villa betreten.