Hamburg. Die Polizei stößt auf unzumutbare Zustände: Müll, kaputte Toiletten, defekte Elektroanlagen und völlige Überbelegung.

Selbst hartgesottene Beamte waren schockiert. Müll im Treppenhaus, Windeln und Fäkalien im Innenhof, lebensgefährliche Elektroinstallationen – bei einem Großeinsatz in einem überbelegten Wohnhaus in Bergedorf sind Polizisten und Behördenvertreter am Donnerstagmorgen auf unzumutbare Zustände gestoßen. Mehrere Familien müssen nun in eine Ersatzunterkunft umziehen.

Es war ein großer Aufschlag, mitten in Bergedorf. Gegen sechs Uhr umstellten Bereitschaftspolizisten das von Rumänen und Bulgaren bewohnte dreistöckige Gebäude am Reetwerder. Das Bezirksamt Bergedorf hatte auf Grundlage von Meldedaten Hinweise, dass in dem Haus viel mehr Menschen wohnen als erlaubt.

Bis zu sieben Menschen in einem Zimmer

"Gemeldet sind unter der Adresse 139 Menschen, 78 Erwachsene und 61 Kinder", sagte Sebastian Kloth, Sprecher des Bergedorfer Bezirksamtes dem Abendblatt. Damit stünde jedem Bewohner rechnerisch eine Fläche von nur 7,7 Quadratmetern zur Verfügung. Die Mindestanforderung an erträgliche Wohnverhältnisse sei aber zehn Quadratmeter pro Bewohner.

Am Donnerstag bestätigte sich der Verdacht nicht nur, die Beamten registrierten in dem Haus auch deutlich mehr Menschen als sie erwartet hatten. "Insgesamt wurden 91 Erwachsene und 67 Kinder angetroffen", so Kloth. 43 der 158 erfassten Bewohner seien dort nicht gemeldet. Zunächst war die Zahl sogar noch höher angegeben worden: Es war die Rede von 225 Personen, die angetroffen worden seien.

Die Beamten inspizierten 63 Räume in dem Gebäude. „In jedem leben Menschen“, sagte Kloth. In einigen Zimmern hätten bis zu sieben Menschen gehaust. Zudem stießen sie im Dachgeschoss auf mehrere Wohnungen, die nicht genehmigt worden waren. Die Wohnungen in dem Haus befänden sich zwar in einem „akzeptablen Zustand“, einige seien sogar „liebevoll“ eingerichtet. Auf den Rest des Gebäudes trifft das aber offenbar nicht zu.

Kohlenmonoxid strömt aus defekter Gastherme

Wie das Abendblatt erfuhr, stapelt sich im Treppenhaus der Müll, im Innenhof liegt überall Unrat herum, darunter benutzte Windeln. Eine völlig verdreckte Toilette auf einem Flur und ein Badezimmer seien stillgelegt worden. In dem Badezimmer sei aus einer defekten Gastherme giftiges Kohlenmonoxid entwichen. Stromkabel ragten offen aus der Wand. „Da hätten auch Kinder reingreifen können“, so Kloth.

Die Wohnung sei von der Bergedorfer Bauprüfung als unbewohnbar klassifiziert worden. Die Bewohner – 15 Erwachsene und vier Kinder – werden nun in einer Wandsbeker Ersatzunterkunft des städtischen Unternehmens Fördern & Wohnen untergebracht. So wie drei weitere Familien mit fünf Erwachsenen und sechs Kindern. Zuvor hatte das Jugendamt festgestellt, dass diesen Familien viel zu wenig Platz zur Verfügung steht.

Der Vermieter sei über die Prüfung informiert worden, sei aber zum Termin nicht erschienen, sagte Kloth. 60 Polizisten und 70 Behördenvertreter waren am Donnerstagmorgen im Einsatz. Beteiligt waren die Sozialbehörde, das Gesundheitsamt, das Bergedorfer Amt für Wohnraumschutz, das Jugendamt, die Grundsicherung, der Verbraucherschutz, das Jobcenter, der Zoll, die Steuerfahndung sowie Fördern & Wohnen.