Hamburg. Asiaten liegen bereits auf Platz 11 im Touristenranking. Und sie geben täglich doppelt so viel aus wie Gäste aus anderen Ländern.
Der Laden wirkt, als habe sich der Inhaber nicht recht entscheiden können, was er seinen Kunden denn nun eigentlich verkaufen will: Im Schaufenster stehen allerlei Thermoskannen, rechts von der Eingangstür ein Regal mit bunten Kugelschreibern. Es folgen Kochgerätschaften, Töpfe, Pfannen, Messer, Babyfläschchen und -nuckler, dann wieder Kochgeschirr, Messerblöcke, Pelikan-Füller, Tuschfarben, Pinsel, glitzernder Schmuck in gläsernen Vitrinen, noch mehr Küchenmesser, Edelstahlseife, Geruchsfresser für Autos, Toilettenschüssel, Schnellkochtöpfe – und Haarföhne.
Es ist ein ungewöhnliches Sortiments-Sammelsurium für ein Geschäft in sehr guter Hamburger Innenstadtlage an der Großen Johannisstraße links neben dem Rathaus. Von außen wird auch nicht gleich klar, was diese Unternehmung namens Elbe-Boutique sein soll: Haushaltswarenladen? Schreibwarengeschäft? Chinesische Schriftzeichen auf dem Schaufenster stiften zusätzlich Verwirrung.
Mehr als 85.000 Übernachtungen
„Sie bedeuten Elbe Boutique, und: Gute Dinge“, sagt Jun Ding. Der 49-Jährige, der Anfang der 1990er-Jahre aus China zum Bauingenieursstudium nach Deutschland kam und später viele Jahre in der Tourismusbranche gearbeitet hat, ist Inhaber des Geschäfts. Er hat es vor einigen Monaten eröffnet und ist bei der Zusammenstellung des Sortiments nur einer Devise gefolgt: „Alles made in Germany“, sagt Ding. Das ist es, was seine Kunden wollen und in der Elbe Boutique erwarten. Gute Dinge aus Deutschland. Der Laden will Touristen aus China anlocken. Ihre Zahl in Hamburg wächst stetig, und sie kommen auch, um zu kaufen.
Genau 36.234 Ankünfte von Chinesen in Hamburger Hotels weist die Tourismusbilanz des vergangenen Jahres aus. Weil sie im Durchschnitt für 2,4 Nächte bleiben, ergibt das mehr als 85.000 Übernachtungen. Deren Zahl habe sich seit 2010 mehr als verdoppelt, heißt es bei Hamburg Tourismus, der städtischen Tourismusförderung. China hat sich mittlerweile auf Rang elf auf der Liste der Länder vorgearbeitet, aus denen die meisten Reisenden in die Hansestadt kommen.
Chinesen sind besonders ausgabenfreudig
Wichtiger noch: Chinesen sind besonders ausgabenfreudig. Untersuchungen zeigen, dass sie für eine Deutschlandreise im Durchschnitt fast 500 Euro pro Tag ausgeben. Das ist mehr als doppelt so viel wie die Besucher aus allen anderen Herkunftsländern. Zwar fließen in diese Berechnungen auch die Reisekosten aus dem Reich der Mitte ein und die meisten Gäste aus Fernost checken bevorzugt in Hotels der 4- und 5-Sterne-Kategorie ein, doch oft geht ein großer Teil des Reisebudgets auch für Einkäufe drauf.
„Sie schätzen hohe Lebensqualität, wollen ihre Haushalte mit guten europäischen Produkten ausstatten und kennen die Namen der hochwertigen Marken ganz genau“, sagt Jun Ding über seine Landsleute. In der Elbe Boutique sind die Töpfe von Fissler, die Thermoskannen von Alfi, die Messer von Zwilling und Wüsthof, die Uhren von Bering. Koffer von Rimova führt er auch. Die bislang drei Google-Bewertungen des Geschäfts loben Sortiment und Service – und sind im Original auf Chinesisch.
Heimischer Bezahldienst Alipay
Der Chinese, der Chinesen deutsche Markenprodukte verkauft, ist zwar neu in der Stadt, doch viele Fachgeschäfte in der Innenstadt haben sich längst auf die zahlungskräftige Kundschaft aus Fernost eingestellt. „In den Filialen in der Hamburger Innenstadt beschäftigen wir Verkaufspersonal mit chinesischen Sprachkenntnissen“, sagt etwa Stefan Kellerer, Unternehmenssprecher des Besteck- und Küchenutensilienherstellers WMF. Das Geschäft in der Mönckebergstraße zählt dort zu den drei unter 180 Filialen, die am meisten Umsatz mit Kunden aus China machen. Besonders beliebt sind bei ihnen Messer, Edelstahl- und Schnellkochtöpfe. Und wie bei Jun Ding in der Elbe Boutique kaufen Chinesen auch bei WMF in Hamburg besonders gerne Woks.
Bezahlt werden kann – wie es in China weit verbreitet ist – mit dem heimischen Bezahldienst Alipay und per Smartphone. In der Filiale am Neuen Wall hat WMF auch mit Blick auf chinesische Kunden ein Bestellsystem eingeführt, bei dem die Artikel am Tablet-Computer ausgewählt und später per Paket zugestellt werden. „Ein scharfes Messer oder einen Schnellkochtopf im Reisegepäck zu transportieren, ist ja nicht unproblematisch“, sagt Unternehmenssprecher Kellerer.
Im April beginnt Reisesaison der Chinesen
Außerdem: Chinesen kaufen oft für Verwandte und Freunde gleich mit. Selbst ein repräsentatives Mitbringsel für den Chef am Arbeitsplatz werde aus Europa gerne mitgebracht, heißt es bei Hamburg Tourismus. Das hebt den Umsatz des Verkäufers. „Der Warenkorb eines chinesischen Kunden ist höher“, sagt der WMF-Sprecher. Was bedeutet: Käufer aus Fernost lassen im Durchschnitt mehr Geld im Geschäft.
Hamburgs Tourismus-Förderer werben daher in China auch gezielt für die Hansestadt als Shoppingziel, weisen in Prospekten in Landessprache etwa auf Juwelier Wempe und das Nivea-Haus hin, auf Montblanc und Jil Sander ebenso wie auf die großen Einkaufspassagen und Warenhäuser. Aber auch auf das Factory Outlet Center in Neumünster. Doch es muss nicht immer Luxus sein. Die Apotheken und Drogeriemärkte in der Innenstadt machen gute Geschäfte mit asiatischen Kunden, die Medikamente, Babynahrung und Mineralientabletten bisweilen in großem Stil zur Kasse tragen. Weil sie billiger und besser sind als daheim.
Ladezone direkt vor dem Geschäft
Auch Elbe-Boutique-Inhaber Jun Ding hat seinen Laden ganz bewusst in der Innenstadt und nahe der Sehenswürdigkeiten in der City eröffnet. Dass direkt vor dem Geschäft eine Ladezone ist, sei auch sehr praktisch. „Zum Ein- und Aussteigen für die Reisegruppen“, sagt er und zeigt Fotos, auf denen Landsleute direkt aus dem Reisebus in den Laden strömen. Derzeit allerdings ist es eher ruhig in der Elbe Boutique. Im November ist die Reisezeit der Chinesen zu Ende gegangen.
Deshalb schließt der Laden jetzt schon mal um 18 Uhr. Jun Ding hat genug Zeit Besuchern vorzuführen, wie man per Alipay und mit dem Smartphone zahlt, oder die gerade eingetroffene Ware für die nächste Saison auszupacken. Im April, auch das zeigen die Übernachtungsstatistiken, kommen die Chinesen dann wieder. Um zu kaufen.