Hamburg. Der 50er-Jahre-Oldie hat den Schiffs-TÜV erfolgreich bestanden. Verein bietet sechsstündige Gästefahrten auf der Elbe an.
Das entscheidende Schreiben der Klassifikationsgesellschaft kam schließlich am Mittwoch: Nach einem letzten Test, diesmal der Stabilität, hat der historische Hamburger Stückgutfrachter MS „Bleichen“ damit wieder eine Zulassung und damit eine Art Schiffs-TÜV. Elf Jahre, nachdem an den 50er-Schuppen beim Hafenmuseum die Restaurierung begonnen hatte, und fast 60 Jahre, nachdem das heutige Museumsschiff 1958 in Rendsburg vom Stapel gelaufen war, kann es damit nun offiziell wieder auf Fahrt gehen.
Als schwimmendes Denkmal sozusagen: denn der alte Frachter mit der ungewöhnlichen Geschichte steht mittlerweile als typisches Beispiel der deutschen Nachkriegsschifffahrt unter Denkmalschutz. „Das ist weltweit einmalig, dass ein so großes Schiff dieser Epoche tatsächlich auch fahrtüchtig ist“, sagt Stefan Behn, Vorstandsmitglied der Stiftung Hamburg Maritim.
Der Stiftung hinter der „Bleichen“ lässt auch die „Peking restaurieren
Die Stiftung, die derzeit auch den legendären Viermaster „Peking“ restaurieren lässt, ist seit 2007 Eignerin der „Bleichen“. Und wie bei ihren anderen Traditionsschiffen hat auch bei der „Bleichen“ ein eigener Verein von gut 200 Ehrenamtlichen den Unterhalt und Betrieb übernommen. Künftig kümmern sich Vereinsmitglieder zudem um die Betreuung von bis zu 200 Passagieren während der geplanten etwa sechsstündigen Gästefahrten auf der Elbe. „Wunderbar, dass sie nun wieder fahren kann. Mancher von uns hatte sogar schon bei den Probefahrten Tränen in den Augen“, sagt Michael Nicolaysen, der gleichzeitig Vorsitzender des Vereins und künftiger „Bleichen“-Kapitän ist.
Die „Bleichen“ verkörpere eben eine Zeit der Seefahrt, die noch „romantisch und abenteuerlich“ war und mancher im Verein selbst noch erlebt hat, sagt Nicolaysen. Der 66-Jährige wuchs in Altona auf und ging als Decksjunge zur See, weil er Abenteuer erleben und sein Fernweh befrieden wollte. „Wir haben noch lange Liegezeiten gekannt, konnten Land und Leute kennenlernen“, sagt Nicolaysen, der später Seelotse wurde. Eine Zeit, die so viel anders ist als heute, wo die Waren in Containern stecken, die so rasant gelöscht und geladen werden, dass Seeleute von einem fernen Land nicht viel mehr mitkriegen als öde Hafen- und Gewerbegebiete.
Ein Besuch auf der „Bleichen ist wie eine Zeitreise
Und tatsächlich gleicht ein Besuch auf der „Bleichen“ einer Zeitreise: lindgrün die Wandfarbe im Salon, ein altes Grundig-Radio steht dort, dazu Messinglampen, ein schmiedeeisernes Gitter als Raumteiler – 50er-Jahre pur. Ebenso bei der Technik: Steuerstand, Elektrik, Winden: überall entdeckt man Schilder norddeutscher Firmen aus dieser Zeit. Die neue Technik wie elektronische Seekarten sind auf der „Bleichen“ dezent hinter Holztüren versteckt.
Dass dieses Schiff so verblüffend aus der Zeit gefallen scheint, hat zwei Gründe. Zum einen ist es der Denkmalschutz, der dafür sorgte: Bei der Restaurierung musste streng darauf geachtet werden, dass möglichst der originale Zustand gezeigt wird. Die Salonvorhänge nähten Vereinsmitglieder beispielsweise aus alten Stoffen. Und im großen Laderaum, der heute für Veranstaltungen, Konzerte oder Ausstellungen vermietet wird, ist der Rumpf nicht frisch und glänzend lackiert, sondern Flugrost, Beulen und Dellen prägen das Ambiente – so wie ein Laderaum unter Gebrauch eben aussieht.
2007 drohte die Verschrottung – dann entdeckte die Stiftung das Schiff
Und dann ist da die eigentliche Geschichte des Schiffs: Die ersten Jahre fuhr die 94 Meter lange „Bleichen“ für die Hamburger H. M. Gehrckens Reederei vor allem zwischen Finnland und Hamburg und transportierte Maschinenteile in den Norden und Papierrollen wieder zurück. 1970 wurde die „Bleichen“ schließlich nach Italien verkauft, neun Jahre später dann weiter an einen türkischen Kapitän und Reeder, der mit dem früheren Hamburger Schiff erfolgreich sein Unternehmen aufbaute. Auch als seine Flotte etliche Schiffe umfasste, blieb er seinem ersten Schiff, das nun als „Old Lady“ auf dem Schwarzen Meer unterwegs war, weiter treu und beließ es die ganzen Jahre im möglichst originalen Zustand. Selbst alte Bilder an der Wand ließ er hängen.
2007 aber wurden die Kosten doch zu groß und es drohte die Verschrottung. Die Stiftung entdeckte dann durch Zufall das Verkaufsangebot für dieses ungewöhnliche Schiff. Stiftungsvertreter reisten in die Türkei und waren schnell fasziniert vom originalen Zustand – so wie viele in der maritimen Hamburger Wirtschaft auch, wo man etliche Sponsoren gewinnen konnte. Die Stiftung kaufte das Schiff, der Bund förderte zudem später einen Werftaufenthalt mit drei Millionen Euro – und das zweite Hamburger Leben der „Bleichen“ war gesichert.