Hamburg. Regisseur John Carroll Lynch im Abendblatt-Interview über „Lucky“ und seinen Hauptdarsteller, der nach Ende der Dreharbeiten starb.

„Lucky“ heißt der kleine, leise und warmherzige Film, mit dem im Herbst das Hamburger Filmfest eröffnete. Der im vergangenen Jahr gestorbene Harry Dean Stanton spielt in seiner letzten Rolle den alten Eigenbrötler Lucky irgendwo in einem amerikanischen Wüstenkaff, der realisiert, dass er sterben muss. Wunderschöne Bilder, skurrile Charaktere – und das Regiedebüt des US-Schauspielers John Carroll Lynch.

Sie haben bis
Mitte 50 gewartet, um ihr Regiedebüt zu
geben. Wie kam das?

John Carroll Lynch: Ich habe tatsächlich seit mehr oder weniger 15 Jahren auf eine passende Geschichte gewartet. Was ich selbst geschrieben hatte, eignete sich nicht für einen Debütregisseur. Zu groß, zu kompliziert.

Was mochten Sie besonders an dieser
Geschichte?

Die meisten von uns verbringen ihre Zeit, ohne darüber nachzudenken, dass sie begrenzt ist. Es gab für mich mehrere Auslöser: Meine Mutter starb vor rund vier Jahren, zur selben Zeit wurde bei mir Prostatakrebs diagnostiziert. Gefühlt oder erwartet hatte ich das nicht – genau wie Lucky im Film. Ich hatte keine Symptome, war aber todkrank. Dies ist ein Skript über einen Mann, der das erlebt – allerdings unter verschärften Umständen. Er ist 90 Jahre alt, ein Atheist, er geht auf das Ende zu. Harry Dean Stanton war 89, als der Film gedreht wurde, eine Woche nach der letzten Einstellung wurde er 90.

Nun schaut man „Lucky“ fast wie ein Vermächtnis, sicher ist es eine Hommage an Harry Dean Stanton. Stand von Beginn an fest, dass er diesen Mann spielen würde?

Der Film ist durch ihn inspiriert. Mich hatten sie ursprünglich nur gefragt, ob ich den Diner-Wirt spielen wollte. Und einige Monate später, ob ich es nicht auch inszenieren wollte. Ich habe den Wirt dann nicht mehr gespielt, das hätte ich nur gemacht, wenn es nötig gewesen wäre, um den Film zu finanzieren.

Gibt es eine Art Botschaft, die Sie gern
vermitteln wollten?

Ich hoffe natürlich, dass Menschen davon berührt werden, dass sie den Film vielleicht auch in Bezug zu ihrem eigenen Leben setzen. Mir würde es gefallen, wenn die Leute aus dem Kino kämen und lächelten.

Sie hatten David Lynch („Twin Peaks“) vor der Kamera – wie ist es, einen anderen Regisseur in Szene zu setzen? Hat er Ihnen Ratschläge gegeben?

Das nicht. Aber ich ahne, was er als Regisseur von Schauspielern erwartet: gut vorbereitet zu kommen – so wie er. Angebote zu machen – so wie er. Trotzdem flexibel zu sein – so wie er.

Es ist ein langsamer, stiller Film ...

Ja! Harry Dean Stanton ist ein Meister der Stille. Und der Film lebt den Geist der Independent-Filme aus den 70er- und beginnenden 80er-Jahren, die auch eine visuelle Ambition hatten. Das haben wir versucht. Wir haben 18 Tage innerhalb von fünf oder sechs Wochen gedreht, je nach Kraft und Ausdauer von Harry Dean.

Und es ist ein sehr amerikanischer Film
geworden. Stimmen Sie zu?

Absolut. Zunächst einmal ist es ein Western. Und der Held ist ein Einzelgänger am Rande der Wildnis, ein lone wolf, etwas, was im amerikanischen Kino sehr gern romantisiert wird.

Wo haben Sie gedreht? New Mexico?

Fast ausschließlich in Los Angeles – sodass Harry Dean jede Nacht im eigenen Bett schlafen konnte. Und einen Tag in Arizona. Wir nennen ja im Film keinen Ort, aber man kann es daran erkennen, dass die Kaktusart, die gezeigt wird, nur in Arizona vorkommt.

„Lucky“ läuft in Hamburg im 3001 (OmU), Holi und Blankeneser