Hamburg.

Ein durchschnittlicher Buddhist hat ordentlich Respekt vor der Wiedergeburt. Weil die Wiedergeburt auch bedeuten könnte, dass man als Schlange wiedergeboren wird. Oder als Käfer. Oder als Schnecke. Für mindestens ein Leben auf dem Boden kriechen und Staub fressen. „Raspelraspel, schleimschleim“, keift Jens Rachut. „Das ist eklig!“ Kann man nicht anders sagen.

Der Mittsechziger Rachut ist ein Urgestein der Hamburger Punkszene: ein notorischer Querkopf, der in unzähligen Bands spielte und sie immer wieder auflöste, sobald die Gefahr bestand, dass man womöglich erfolgreich werden könnte. Und der vor einigen Jahren wie so viele seiner Kollegen am Theater landete, weil Theater irgendwie auch Punk ist. Rachuts Stück „Der Schneckengott“ will allerdings kein Theater sein, sondern wird auf Kampnagel als „Konzert“ angekündigt. Was freilich nur halb korrekt ist: Zwar wird im „Schneckengott“ Musik gespielt, aber ebenso hat der gut einstündige Abend Züge einer Lecture Performance, es laufen Horrorvideos mit Schnecken, die sich durch eine Modelleisenbahnlandschaft schleimen, und wenn man unbedingt eine Schublade für diese Produktion braucht, könnte man sie am ehesten Live-Hörspiel nennen.

Rachut und die für die erkrankte Laura Tonke eingesprungene Schauspielerin Susanne Jansen rezitieren einen assoziativen Text, der von einer Schneekatastrophe in Indien über Gott, der seit Jahrmillionen mit Bandscheibe darniederliegt, zu einem gasgefüllten Dromedardarm springt. Zwischendrin läuft ein apokalyptischer Film, der die Nahrungskette vom Mensch über die Schnecke zur Laufente als abgründigen Horror inszeniert. Und wo es passt, da spielen Thomas Wenzel am Bass und Pencil Quincy am zum Schlagzeug umfunktionierten Katzenkratzbaum einen warmen, hübschen Pop. Der von Rachut nach Kräften sabotiert wird.

Zum Schluss gibt es Schneckensex in Zeitlupe, „Tschüssikowski, ja klar, schneck-schneck, der Kuss zum Abschied“, lästert Jansen, dann biegt das Stück mit einem langen, dadaistischen Abspann in die Zielgerade. Applaus, kein Verbeugen. Rachut findet Verbeugen affig.

Infos: www.kampnagel.de