Hamburg . Dass AfD-Mitglieder künftig bei Pegida-Demos auftreten dürfen, sei „grundsätzlich falsch“. Keine Distanzierung von “Merkel muss weg“.
Teile der Hamburger AfD-Fraktion haben die Berliner Parteiführung scharf kritisiert, weil der AfD-Bundeskonvent das Kooperationsverbot mit der Pegida-Bewegung aufgehoben hat. Die Entscheidung sei eine "Katastrophe für unsere Partei".
„Auch wenn Pegida Dresden früher einmal eine bürgerliche Demo war, ist der Name Pegida heute in der öffentlichen Wahrnehmung eine rechtsradikale Gruppe aus dem Osten“, heißt es in dem Schreiben, über das zuerst die "Welt" berichtete und das neben dem Hamburger AfD-Fraktionschef Jörn Kruse auch die Abgeordneten Detlef Ehlebracht, Peter Lorkowski und Harald Feineis unterzeichnet haben. Eine Kooperation mit anderen Organisationen halten sie für "grundsätzlich falsch", die Unabhängigkeit der AfD dürfe niemals aufgegeben werden – "schon gar nicht für eine kleine, unbedeutende und unkalkulierbare Gruppe in Dresden".
Weiter heißt es in dem an Alexander Gauland, Jörg Meuthen, Alice Weidel und Bernd Baumann adressierten Brief: "Wir im Westen wollen uns unsere Partei und unsere Wahlchancen nicht kaputtmachen lassen durch ein paar AfD-Mitglieder,deren Gedankengut wir nicht teilen und die die AfD auch nicht tolerieren sollte." Die Unterzeichner befürchten, dass durch die Kooperation eine "Parteispaltung in Ost und West" riskiert werde.
Drei weitere Hamburger AfD-Abgeordnete – Alexander Wolf, Dirk Nockemann und Andrea Oelschläger – haben das Schreiben nicht unterzeichnet. Auf Abendblatt-Anfrage sagte der AfD-Fraktionsvorsitzende Jörn Kruse, die drei seien in der Kürze der Zeit nicht zu erreichen gewesen: Er wisse aber von allen, "dass sie der grundsätzlich gleichen Meinung sind".
Bisher keine Distanzierung von "Merkel muss weg"
Zu den seit einigen Wochen montags stattfindenden "Merkel muss weg"-Demos verhält sich die Hamburger AfD weiterhin neutral. Eine Ende Februar veröffentlichte Mitteilung des Verfassungsschutzes, in der explizit auf die "rechtsextremistischen Bezüge" der Kundgebung hingewiesen wird, kommentierte Nockemann so: "Der Verfassungsschutz agiert eindeutig politisch und will die Bürgerdemonstrationen durch die Hintertür kriminalisieren und damit in Misskredit bringen." Kruse teilt diese Einschätzung: Der Verfassungsschutz habe sich "voreilig geäußert" und sei nun "erklärungspflichtig".
Auf der Webseite der AfD Hamburg sowie bei Facebook wird samt Termin- und Ortsangabe auf die Demonstrationen hingewiesen – mit der einschränkenden Bitte, "keine Spruchbänder, Fahnen, Banner oder andere Dinge mit Parteikennzeichen mitzunehmen", da dies dem Willen der Organisatoren widerspräche.
AfD-Mitglieder bei "Merkel muss weg"-Demo
Unter den Demonstranten fanden sich bereits verschiedentlich Mitglieder von mehreren AfD-Landesverbänden: Aus Mecklenburg-Vorpommern kam unter anderem Holger Arppe. Auf einem von ihm im Internet veröffentlichten Gruppenbild sind neben Arppe unter anderem Dennis Augustin (einer von zwei Sprechern des Landesvorstandes) und mehrere Mitglieder der AfD-Fraktion zu sehen. Gegen Arppe läuft wegen eines Skandals um öffentlich gewordene Chatprotokolle ein Parteiausschlussverfahren.
Daniel Buhl, der für die AfD in Elmshorn bei der Bundestagswahl kandidierte, hat ebenfalls schon teilgenommen. Bei Facebook machen Hamburger Bezirksverbände Werbung für die "Merkel muss weg"-Demos und bedienen sich dabei teilweise drastischer Worte: So hieß es im Februar bei der AfD Hamburg-Mitte, man habe gegen die "volksverräterische Regierung" demonstriert, es seien auch "die Merkel-SA (Antifa)" und "die verweichlichten Jusos" vor Ort gewesen. Die AfD Hamburg-Nord verteilte via Facebook ein Live-Video der Demo vom 26. Februar.
Redner ruft zur Steuerhinterziehung auf
Am vergangenen Montag gab es erstmals Redebeiträge, die über das gemeinsame Skandieren von Schlachtrufen hinausgingen. Unter anderem sprach ein Gast, der "die herzlichsten patriotischen Grüße von der Bärgida aus Berlin" ausrichtete. Bei dem Mann soll es sich laut Medienberichten um einen Sprecher des Berliner Pegida-Ablegers handeln.
Zu lauten "Volksverräter"- und "Abschieben"-Rufen sprach er von einer vermeintlichen "Moslem-Invasion", rief zur Steuerhinterziehung als "erster Bürgerpflicht" auf und diskreditierte Verfassungsschutz und "Landeskriminal-Fuzzis" als "Neo-Stasi". Deutschland sei eine "Diktatur", in der "Verbrecher" an der Macht seien, gegen die man sich wehren müsse. Denn diese hätten "uns, dem deutschen Volk, den Krieg erklärt".
Auf Abendblatt-Anfrage lehnte Fraktionschef Kruse einen Kommentar zu den bei der Kundgebung vorgetragenen Inhalten ab: "Mit der Demo 'Merkel muss weg' hat die Hamburger AfD nichts zu tun. Deshalb nehme ich auch nicht zu einzelnen Äußerungen Stellung."
Am Montagabend hatten sich 350 zum Teil rechtsradikale Demonstranten vor dem Dammtorbahnhof eingefunden. Die Hamburger Polizei verhinderte mit 1100 Einsatzkräften eine Auseinandersetzung mit etwa 850 Gegendemonstranten, unter denen laut Verfassungsschutz auch gewaltbereite Linksextremisten waren.