Kiel. In Schleswig-Holstein liegt die Parteispitze um die Vorsitzende Sayn-Wittgenstein mit der Fraktion über Kreuz.
In der AfD Schleswig-Holstein tobt ein interner Richtungsstreit. Der Landesvorstand und die Mehrheit der Landtagsfraktion sind einander spinnefeind. Die Landesvorsitzende Doris von Sayn-Wittgenstein, die auch Landtagsabgeordnete ist, hat die Mitarbeit in der Fraktion nahezu komplett eingestellt, bezieht allerdings weiterhin Abgeordnetendiäten. Wegen der Streitereien fiel am vergangenen Sonnabend sogar die groß angekündigte AfD-Auftaktveranstaltung zur Kommunalwahl im Mai ins Wasser. Die Folge: Viele Mitglieder, so heißt es in internen Runden, seien wegen des Machtkampfes nicht mehr bereit, sich für die Partei zu engagieren.
Der Streit zwischen der gemäßigten Landtagsfraktion und der eher dem rechten Rand zuzuordnenden Landeschefin schwelt schon seit Monaten. In internen Briefen an die rund 1000 Mitglieder der Partei macht die 63-Jährige regelmäßig Stimmung gegen die Fraktion. So heißt es in einem Schreiben vom 15. Februar: „Herr Grawert, der Chauffeur des Fraktionsführers, meinte auf Facebook sinngemäß öffentlich mitteilen zu müssen, dass ich über Leichen ginge. Der Fraktion ist das nicht einmal eine Ordnungsmaßnahme wert, geschweige denn die gebotene Kündigung des Arbeitsverhältnisses.“
Zerrüttetes Verhältnis
Und weiter: „Herr Christian Waldheim, Mitarbeiter der Fraktion, erstattete eine Strafanzeige gegen mich. Das Verfahren wurde sofort mangels Substanz eingestellt; der Fraktion ist dies keine Pressemitteilung wert. Allerdings ist er jetzt mein Büronachbar geworden. Vielen Dank auch!“
Das zerrüttete Verhältnis zwischen Sayn-Wittgenstein und der Fraktion war auch schon Thema einer Mail vom Dezember. Unter der Betreffzeile „Rundschreiben der Landesvorsitzenden zum Jahreswechsel“ schrieb sie: „Als ich am 5. Dezember 2017 zur Fraktionssitzung im Kieler Landtag erschien, sollte ich mich für meine auf dem Bundesparteitag gehaltene Rede vor den Kollegen rechtfertigen. In einer Art polizeilichem Verhör wurde mir u.a. vorgehalten, der ,Identitären Bewegung‘ das Wort geredet zu haben.“
WhatsApp-Gruppe namens „Offenes Wort“
Die 63-Jährige, die parteiintern nur „die Fürstin“ genannt wird, hatte Anfang Dezember auf dem Bundesparteitag der AfD völlig überraschend für den Bundesvorsitz kandidiert und war nur knapp gescheitert. In der Partei entstand damals der Eindruck, sie habe als Vertreterin des sogenannten „Flügels“ kandidiert – also für die Gruppierung um den Thüringer Rechtsausleger Björn Höcke.
In der AfD Schleswig-Holstein müssen damals einige gesagt haben: Jetzt reicht es. Mitte Dezember berichtete der „Stern“ über eine neu gegründete WhatsApp-Gruppe namens „Offenes Wort“. Dort sollen insbesondere viele Mitglieder der Landtagsfraktion ein recht offenes Wort in Bezug auf die Landesvorsitzende geführt haben. So soll dort unter anderem der auf sie gemünzte ironische Satz „Heil, meine Führerin“ gefallen sein.
Sayn-Wittgenstein beschreibt in ihrem Rundschreiben vom Dezember, wie sie darauf reagierte: „Am Montag, dem 18.12.2017, habe ich Herrn Nobis um die Herausgabe der WhatsApp-Protokolle der Gruppe ,Offenes Wort‘ gebeten.“ Doch der AfD-Fraktionschef Jörg Nobis weigerte sich – weshalb die Landeschefin einen Aufruf startete. Sie schreibt: „Ich bitte jene Mitglieder, die als Beobachter im Chat ,Offenes Wort‘ zugegen waren, mir das Protokoll hiervon zu überlassen. Ich möchte wissen, ob aus der Fraktion im Kieler Landtag heraus ein Feldzug gegen den von Ihnen gewählten Landesvorstand geführt wird.“ Nobis selbst sagt zu Sayn-Wittgensteins Verhalten: „Ich will da gar keinen Streit sehen. Aber die Partei gibt nicht das beste Bild ab.“
Partei wirkt gelähmt
Die Partei wirkt gelähmt. Die Wahlkampf-Auftaktveranstaltung mit Thorsten Schulte, Verfasser des Bestsellers „Kontrollverlust“, wurde abgesagt. Schulte sei sogar bereit gewesen, „ohne Honorar“ aufzutreten, schreibt die Landeschefin Mitte Februar.
Aber dann habe die Antifa Wind von der Veranstaltung bekommen. Dass dies geschehen sei, sei wiederum dem AfD-Mitglied Karl-Heinz Lenz zuzuschreiben. Der Stormarner hatte bei der Landtagswahl kandidiert und wäre beinahe ins Parlament eingezogen. Lenz hält den Vorwurf für Unfug: „Die AfD hat öffentlich für die Veranstaltung geworben, und auch die Antifa hat das wahrgenommen.“ Er will den Vorstand nun wegen übler Nachrede anzeigen.
Gegen Lenz läuft derzeit ein Parteiausschlussverfahren, er hatte die Landeschefin mehrfach kritisiert. Für Sayn-Wittgenstein ist der Vorfall „der Beleg dafür, dass es Parteimitglieder gibt, die die politische Arbeit des Landesverbands zerstören wollen“. Lenz interagiere mit diversen Mitarbeitern der Landtagsfraktion. Und weiter: „Am 30.1.2018 wurde Herr Lenz im Kieler Landtag mit einem AfD-Abgeordneten gesehen. Ich mache mir deswegen ernsthaft Gedanken.“